VISION 20003/1989
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Ehe bleibt konkurrenzlos

Artikel drucken (Renate Köcher)

Der Züricher Soziologe Hoffmann-Nowotny schreibt: “Die traditionelle Familie ist dabei, sich aufzulösen. Es ist künftig mit einer großen Vielfalt ständig wechselnder und nicht sehr stabiler Lebensformen zu rechnen.” Er macht eine klare Aussage dazu, was er für die chancenreichste Familienform der Zukunft hält: “Living apart together””: Ein Paar, das in zwei getrennten Haushalten lebt.

Die wachsende Zahl der Ein-Eltern-Familien, die große Zahl der unverheiratet Zusammenlebenden und der Alleinstehenden scheint zu bestätigen, daß die herkömmliche Familie zumindest teilweise durch andere Formen des Zusammenlebens abgelöst wird, von Formen, die früher nur als Vorstufen oder als unvollständige Teile einer Familie angesehen worden sind.

Wenn man diese “neuen Formen” jedoch am Maßstab Glück überprüft, so sieht man sehr rasch, daß sie kaum Formen des Zusammenlebens mit Zukunft sein können. “Living apart together” ist auch ein Lebensmodell, das nur von einer verschwindenden Minderheit praktiziert wird.

Wenn man hier prüft, wie zufrieden diese Minderheit mit ihrem Modell ist, so erkennt man zwei typische Konstellationen: Entweder beherrschen Spannungen und Brüche das Zusammenleben, oder es tritt eine ausgesprochene Distanziertheit zwischen den Partnern auf.

Was ist aber mit dem wesentlich weiter verbreiteten Fall der nach einer Scheidung allein lebenden und allein erziehenden Frau?

Untersuchungen unter Geschiedenen sind ein Dokument der außerordentlich hohen psychischen Kosten, die eine Scheidung verursacht. Die Daten zeigen ernste Schädigungen auch nach langen, langen Jahren: Tiefe Niedergeschlagenheit, vermindertes Selbstbewußtsein, Einsamkeit, Symptome, wie sie in diesem Ausmaß nur bei Verwitweten auftreten. Wenn wir etwa den Anteil jener, die sich in letzter Zeit sehr einsam gefühlt haben, vergleichen, so ergeben sich folgende Werte: Geschiedene 57%, Verwitwete 55%, Verheiratete 26%.

Sehr unglücklich waren in den letzten Wochen vor der Befragung 55% der Geschiedenen. Keine andere Gruppe erreicht diesen hohen Grad an Unglücklichsein, an tiefer Depression. In allen Fragen, die Lebenszufriedenheit ausdrücken, äußern sich Geschiedene außerordentlich bedrückt, ähnlich den Verbitterten.

Interessant ist auch der Vergleich von Paaren, die in einer losen Verbindung zusammenleben, mit Paaren, die verheiratet sind. Mit Abstand äußern sich letztere glücklicher. Alle Ergebnisse zeigen, daß die angeblich so überholte Form der auf Dauer angelegten Familie jene ist, die das größte Glück bringt.

In der Bundesrepublik leben drei Millionen Menschen in einer Verbindung ohne Trauschein. Gesellschaftlich akzeptiert ist dieses Zusammleben längst. Analysiert man diese Verbindungen, spricht allerdings wenig dafür, daß sie als Alternative zur herkömmlichen Ehe gedacht sind.

Allein die durchschnittliche Dauer dieser Verbindungen: 75% dieser “Ehen ohne Trauschein” bestehen seit weniger als 3 Jahren; jeder Zweite, der in einer solchen Verbindung lebt, hat schon mit einem anderen Partner zusammengelebt. Befragt man diejenigen, die in einer solchen “Ehe ohne Trauschein” leben, so sehen sie diese in der Regel als Vorbereitungszeit, als Vorstufe zur Ehe an.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Allensbacher Instituts für Meinungsforschung in der BRD, ihr Beitrag ein Auszug aus ihrem Vortrag am 14. Intern. Familienkongreß in Bonn.

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