VISION 20002/1988
« zum Inhalt Zum Geleit

Sagt die Wahrheit

Artikel drucken (Alexa Gaspari)

Es war im Jahr 1984, daß wir - eine Gruppe von Freunden - das erste Mal daran dachten, eine neue Zeitung ins Leben zu rufen. Wir wußten ungefähr, was wir in dieser Zeitschrift versuchen wollten und suchten daher das Gespräch mit vielen engagierten Christen, um größere Klarheit für unser Vorhaben zu bekommen.

Carlo Carretto hielt sich damals auf Einladung von Bischof Florian Kuntner in Wr. Neustadt auf. Wir hatten seine Bücher gelesen, und sie hatten uns beeindruckt. Wir nützten also die Gelegenheit, um mit ihm über unser Anliegen zu sprechen. Alexa Gaspari berichtet.

Bei einem sehr persönlichen Gespräch ergab sich wirklich die Möglichkeit, Carlo Carretto zu unserem Zeitungsprojekt zu befragen. Er machte uns ganz eindeutig Mut und half uns zu erkennen, welche Schwerpunkte für eine Zeitung in unseren Tagen besonders wichtig wären.

In seiner sehr spontanen Art nannte er uns auch gleich ein paar Titel für unser Blatt. Am besten gefiel ihm: "Die Wahrheit macht frei". Damit war klar, worauf er besonderen Wert legen wollte: Sich an die Wahrheit zu halten, meinte er, sei ganz entscheidend für jede Zeitschrift. Dabei dachte er nicht an irgendeine Wahrheit, sondern an jene, die uns Jesus anvertraut hat und die ER selbst ist. Das ist die Wahrheit, die uns befreien kann: "dann werden wir frei von jedem Idol, von der Sklaverei des Bösen und vom "alten Menschen". Als Beispiel für letzteres erläuterte er, daß z.B. Politik bei einem nicht befreiten Menschen in Macht ausarten kann, bei dem befreiten Menschen aber zum Dienst am Nächsten wird. Wir dachten uns damals, daß dies auch genauso gut geschehen kann, wenn man eine Zeitung auf die Beine stellen möchte: Macht ausüben statt Dienst am Menschen.

Auch das war ein Punkt, den er uns sehr eindringlich ans Herz legte: Die Verantwortung für unsere Leser. In der Kirche, so erklärte er, hätten nicht nur die Priester und Bischöfe Verantwortung - diese wohl aber in besonderer Weise -, sondern "jedem von uns ist Verantwortung gegeben. Wir sind alle Priester: als Vater, als Mutter (und wohl auch als Redakteur einer Zeitung...) Das Ziel der Kirche wäre, daß in einer Gemeinde von 5000 Seelen sich eines Tages alle diese 5000 Seelen für diese Kirche, d.h. füreinander verantwortlich fühlen", ganz gleich an welchem Platz sie stehen. Das sei dann das "allgemeine Priestertum", "denn Priester sein sollte vor allem die Art zu leben, die Haltung des Herzens sein. Auf das kommt es vor allem an."

Das Gute zu suchen und zu fördern, legte er uns besonders ans Herz. Um aber das Gute in einer Zeitung herausheben zu können, meinte Carlo Carretto, sei es wichtig das Böse als solches zu erkennen. Dieser Art hätte das Böse auch seinen Sinn, denn "erst auf das Böse reagieren wir positiv. Wenn du das Böse in der Welt und in dir erkennst, hast du 2 Möglichkeiten: entweder du lebst anders oder du wirst zerstört. Wenn Du z.B. auf Gewalt positiv reagierst, lernst Du die Gewaltlosigkeit; wenn Du Egoismus erkennst, lernst Du Selbslosigkeit. Wir "werden" dadurch, daß wir das Böse erkennen und ankämpfen und dann das Gute suchen."

Aber, so meinte er, über das Gute nur zu reden oder zu schreiben, sei doch zu wenig, so wie es "wenig zweckvoll ist, über Nächstenliebe nur zu sprechen, wenn man sie nicht tut. Werke müssen getan werden. Wenn Du das tust, wirst Du und werden die anderen dann merken, daß dort Gott ist."

Der nächste ganz wichtige Punkt für uns war, daß Carlo meinte, daß man so ein großes Projekt auf jeden Fall nur im Gebet beginnen könne. Gebet, das hieß für ihn zunächst einmal, sich Gott zuzuwenden und wirklich daran zu glauben, daß Gott existiert und uns führen möchte. Ist es nicht auch so, daß, "wenn wir das Böse zwar erkennen, wir aber auch sehr schnell merken, daß wir es nicht alleine überwinden können... Wir sind auch nicht imstande, unsere Feinde zu lieben. Nur Gott kann das. Christus kann uns aber Seine Liebe im Gebet und im Sakrament der Eucharistie schenken. Denn Gott hat doch die Welt erschaffen, um jeden einzelnen von uns zu retten und nicht, um uns zu zerstören."

Damals lud uns Carlo Carretto auch zu sich nach Spello ein, um dort in aller Ruhe im Gebet den besten Weg zu erfragen. Leider ist es damals nicht dazu gekommen. Wir mußten auch unser Projekt auf unbestimmte Zeit verschieben. Erst anläßlich des Familienkongresses eröffnet sich jetzt ein neuer Weg zu einer Zeitschrift, die schon vor Jahren im Geist geboren wurde.

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11