Wer ehrlich ist, wird zugeben, daß es - rein menschlich gesehen - um unsere Katholische Kirche in Österreich nicht zum Besten steht. Ich meine jetzt nicht, daß so viele "austreten" aus der Kirche, keinen Kirchenbeitrag mehr zahlen wollen, daß so viele nur "Taufscheinchristen" sind ...
Ich meine die "innere Zerrissenheit" unserer Kirche, die uns alle in irgendeiner Weise erfasst hat. Wer zu dieser Situation etwas sagen will, wird sofort auf eine Seite geschlagen, in einen der beiden Schützengräben geworfen.
Mit fällt auf, daß meist beide Seiten "im Recht" sind. Ebenso übertreiben meist beide Seiten ihr Recht, womit es sehr schnell ins Unrecht kommt. Der Verteidiger seines Rechtes verliert den Weitblick, wie ja auch jeder Betrachter der eigenen Person in eine ungute Isolation gerät.
Wenn der Heilige Geist die liebende Beziehung zwischen allen Wesen ist, dann wird Er schnell ausgeschaltet, wenn eine Partei nur noch ihr Recht sieht. Und ohne Heiligen Geist gerät auch der Heiligste auf Abwege.
Es ist ein Jammer, wie wenig bestens gemeinte Kritik auch nur angehört wird.
Wer wirklich in Gemeinschaft lebt - ich darf das für mich in Anspruch nehmen - der weiß, was Kritik und brüderliche Zurechtweisung ist. Sie schmerzt tief. Und doch ist sie notwendig.
Keiner wiIl der Verlierer sein. Das kommt daher, weil wir nicht wahrhaft in der Liebe sind. Ich meine nicht die Liebe, die aus der sofort vorhandenen Sympathie zu einem Menschen sowieso gegeben ist. Ich meine die Liebe, die von daher kommt, daß wir als Getaufte zur gleichen Familie Gottes gehören, daß wir Schwestern und Brüder sind. Freilich, diese Liebe ist mehr als schwer zu leben.
Mit dieser Liebe geht es nämlich so: Irgendwann, vor allem, wenn ich im Recht bin, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: mich durchzusetzen oder mich hinzugeben. Wie war es bei Jesus? Ihr wißt es alle. War er als Messias nicht im Recht?
Damit will ich in keiner Weise sagen, daß wir keine Positionen mehr haben sollten. Aber vielleicht setzt sich das Recht besser durch, wenn ich es schweigend aufzeige und mich auch auf die zweite Wange schlagen lasse.
Aus "Wüstenkurier"