VISION 20002/1988
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Keine Versuchung

Artikel drucken Zwei Kommentare zum "Jesus"-Film

Ich habe mir den Film “Die letzte Versuchung Christi” angeschaut. Mich interessierte weniger die Darstellung als vielmehr die Wirkung dieses Films auf den Zuschauer. Darüber hatte ich noch nichts gelesen.

Das Aufzeigen echt orientalischer Welt, voll von Lebensfreude, aber auch schrecklicher Brutalität veränderte meine bisher chemisch-sterile Vorstellung von dieser Zeit: Das Christentum nahm damals in oft recht harten Auseinandersetzungen des konkreten Alltags Gestalt an.

Es hätte ein interessanter Film werden können, hätte er das Ringen eines Menschen im Alltag aufgezeigt, seinen Versuch, frei von allen körperlichen und seelischen Bindungen zu werden, frei für Gott. Ja, wäre nur ein Mensch dargestellt worden!

Leider aber handelt es sich um Jesus Christus!

Von Seiner Göttlichkeit ist nichts zu spüren. Wovon er erlöst, wurde nie klar. Von Anfang bis zum Ende wird er als ein unsicherer Waschlappen gezeichnet. Bis zum Schluß weiß er nicht, was er eigentlich will. Er hat keine Botschaft. Die Szene, in der er in einer Vision am Kreuz versucht wird und sich mit Maria Magdalena im Bett vergnügt, erschüttert dann auch kaum mehr als alles übrige.

Bis dahin war schon längst alles gelaufen. Gläubige Besucher unter dem fast ausschließlich jugendlichen Publikum waren von all den Verdrehungen, Verfälschungen und Verkitschungen bereits total angeekelt. Und die übrigen Kinogeher hatten längst jedes Interesse verloren. Wer nach Gewalt und Sex gesucht hatte, findet in anderen Filmen “Besseres”.

Es komme mir keiner, der sagt: Durch die so menschliche Darstellung Christi werden viele neugierig werden. Davon sah ich weit und breit nichts. Dieser Jesus ist in jeder Richtung uninteressant. Für viele, die auf der Suche nach dem Herrn der Geschichte gewesen sein mögen, wird dieser Film wohl für längere Zeit tatsächlich die letzte Versuchung in diese Richtung gewesen sein.

Sepp Messner

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In seinem Buch "Die Geschichte vom Antichristen" läßt Wladimir Solowjew den letzten Papst der Geschichte, Petrus II, im Namen aller Christen bekennen: "Das Wichtigste an unserem Glauben ist uns Jesus Christus."

Um diese Person dreht sich der Film "Die letzte Versuchung Christi". Er wurde vielfach kommentiert - auch von Christen. Womit aber finden sich die meisten dieser Besprechungen recht einfach ab? Dieser Jesus fabriziert Marterwerkzeuge für die Römer (nämlich Kreuze); er gesellt sich Voyeuren zu, die eine geschlechtliche Vereinigung beobachten; Johannes der Täufer muß ihm beibringen, daß zur Botschaft der Liebe auch die Gerechtigkeit gehört; er muß Judas dazu überreden, ihn an die Römer zu verraten... Das alles entnehme ich einem wohlwollenden Kommentar eines Theologen im Rheinischen Merkur.

"Moralische Entrüstung ist nicht am Platz", lautet der Filmkommentar von Eckard Bieger, einem deutschen katholischen Medienfachmann, während Peter Willnauer, ein katholischer Filmkritiker, den Film nachdenkenswert findet.

Das finde ich erschreckend: Soweit ich beobachten konnte, kommt der Film bei christlichen Kommentatoren am besten weg. Da wird psychologisiert, theologisiert und nach Denkanstößen gesucht - aber kaum jemand äußert tiefe Trauer über die abscheuliche Verzeichnung des Mensch gewordenen Gottes.

Mag sein, daß Scorsese, der Regisseur des Filmes, es nicht besser wußte (was ich bezweifle). Aber es tut mir weh, wenn Christen dieser Verfälschung etwas abgewinnen wollen.

Man müsse die Menschlichkeit Jesu ernstnehmen, meint auch Hubert Feichtlbauer. Er verstehe zwar, daß Christen sich verletzt fühlten, "vielleicht aber, weil sie die Konsequenzen der Kirchenlehre, daß Christus auch Mensch ist, nicht durchdacht" hätten. Jesus sei nun einmal versucht worden.

Keine Frage. Letzteres ist biblisch. Aber warum hat sich die christliche Kritik nicht bemüht zu zeigen, wie souverän Jesus mit dem Versucher umgegangen ist. Nirgends wird in der Bibel angedeutet, Er habe sich gedanklich auf die Sünde eingelassen. Im Gegenteil: Gerade davor hat er gewarnt!

Dieser im Herzen sündige Jesus des Films als Darstellung des Gottes- und Menschensohnes ist eine Zumutung. Welche großartige Aufgabe für christliche Kommentatoren wäre es gewesen, dieser Karikatur Jesu seine strahlende, alle Seine Zeitgenossen in Bann ziehende Erscheinung entgegenzustellen!

Schade um die verpaßte Gelegenheit.

Christof Gaspari

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