Über die Situation der Jugend mit all ihren Schwierigkeiten, Ängsten und Problemen besorgt zu sein, ist nicht schwer. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Es gibt nämlich gar nicht so wenige junge Leute, die zwar nicht viel darüber reden, die aber ganz einfach beschlossen haben: Wir möchten einen anderen Weg gehen und fangen dabei konkret bei uns selber an! Mit einigen von ihnen haben wir gesprochen.
Viele junge Leute haben heute nicht die Geborgenheit und Sicherheit eines funktionierenden Familienlebens erfahren. Sie sind in einer Umgebung herangewachsen, in der sich Glaubensleben vielfach auf ein Taufschein-, bestenfalls auf ein Sonntagschristentum beschränkt.
"Wir sind zwar ziemlich regelmäßig zur Messe gegangen, aber mehr war da nicht. Ich habe daher einfach nicht gesehen, welchen Sinn das für mich haben soll", beginnt Rudi unser Gespräch. Ähnlich erging es Birgit: Sie ist, als sie etwas älter war, einfach nicht mehr mit den Eltern in die Kirche gegangen.
Stefan erzählt, daß er zwar irgendwie gespürt habe, daß den Eltern Glaube etwas bedeutete - aber gesprochen habe sie nie darüber, obwohl er es sich sehr gewünscht hätte. Das soll kein Vorwurf an sie sein", fügt er hinzu, "denn oft haben sie auf Fragen selbst keine Antwort gewußt. Und immerhin war auch das, was ich daheim erlebt habe, eine Art Türspalt, der noch ein bißchen offenstand."
Bei Maria war es anders: Sie war schnell zu begeistern, hat bei vielem mitgemacht, war ständig unterwegs. "Das waren alles gute Sachen, aber irgendwie habe ich bemerkt, wie mir die Luft ausgeht, wie ich einfach keine Kraft hatte. Oft war ich dann sehr deprimiert und habe nicht gewußt, wie ich die kleinste zusätzliche Anforderung noch verkraften soll."
Theresa machte der Alltagstrott zu schaffen. "Auf der einen Seite Lehre und Berufsschule, auf der anderen Freizeit und "Vergnügen". Das hat mich überhaupt nicht ausgefüllt und oft habe ich mich gefragt: Wozu überhaupt in der Früh aufstehen?" Birgit wiederum beobachtete, wie ihre Mitschüler leben: Ausgehen und oberflächliche, schnell wechselnde Beziehungen. "Da habe ich mir gedacht: Ein Christ müßte anders leben", formuliert sie einen Gedanken, der sicher nicht nur sie bewegt.
Für alle diese Jugendlichen kam irgendwann der Moment, wo sie mit ihrem Leben unzufrieden waren und, wo sie nach mehr zu suchen begannen. Das trifft auch für die zu, die zuhause eine religiöse Atmosphäre erlebt hatten. Sie mußten sich alle Fragen selber neu stellen, mußten damit anfangen, ihr Leben selber zu gestalten. Es ist interessant, wie verschieden die Wege waren, die sie zum Glauben geführt haben. "Ich saß im Firmunterricht, eigentlich aus keiner anderen Motivation als der, daß ich schon 18 war und dachte, ich müßte die Firmung schon längst hinter mir haben. Und plötzlich, während der Vortragende irgendeinen Monolog hielt, habe ich bemerkt: Das hat ja etwas mit meinem Leben zu tun", erzählt Birgit und fügt hinzu: "Ich habe mich zu fragen begonnen, was Glaube für mich heißt?"
Wieder anders die Erfahrung von Theresa: Sie ist "zufällig" in einen Freundeskreis geraten, in dem sie sich sehr wohl gefühlt hat: "Die mochten mich einfach so, wie ich bin. Ich mußte nichts "leisten" oder mir ihre Freundschaft "verdienen". Eines Tages habe ich sie gefragt, warum sie immer so freundlich seien. Und da haben sie mir von Jesus erzählt, von Seiner Liebe zu uns und wie sie darauf Antwort zu geben versuchten.
Michael hat erlebt, wie Gott auch auf ganz unvorhersehbare Weise Menschen zu sich führen kann. “Ich bin an einem Nachmittag, gerade als ich sehr deprimiert war, ja sogar Todesängste erlebt hatte, zuhause gesessen. Und plötzlich habe ich Jesus erlebt. Ich habe gespürt, wie Er mich liebt." In diesem Moment hat er zum Glauben gefunden - auch wenn er nicht gerne darüber erzählt. Sein Leben hat sich jedenfalls seither gründlich geändert.
Ein Gespräch mit einem Erwachsenen war für Maria entscheidend. Er hat sie darauf angesprochen, daß sie nicht alles "alleine" machen kann und muß, und sie zu einem Glaubensseminar eingeladen. Zwar hat es eine ganze Weile gedauert, bis sie sich dazu entschließen konnte, dafür ein Wochenende zu investieren. Aber dann hat es sich "ausgezahlt". Denn: "Da habe ich zum ersten Mal gespürt, daß Gott lebt, daß er mich kennt, daß er mich mag", erinnert sie sich.
Die Zeit nach solchen Erfahrungen war für die meisten nicht einfach. Andrea hat begonnen, in der Bibel zu lesen, und hat versucht zu beten. "Für mich ist noch alles in Frage gestanden. Ich war unsicher: Hört mich überhaupt jemand, wenn ich bete? Aber irgendwie habe ich gespürt, daß ich weitergehen muß." Und Maria stand nach ihrem Glaubensseminar, als die erste große Begeisterung vorbei war, vor der Schwierigkeit: "Wie kann ich das jetzt in mein Leben umsetzen, wie kann ich das Tag für Tag leben?"
Für alle war es dann wichtig, eine Gemeinschaft zu finden, eine Gruppe Gleichgesinnter. Für Stefan war das ein Gebetskreis in der Pfarre, für viele andere eine der christlichen Emeuerungsbewegungen. Diese wachsen ständig und entsprechen offensichtlich einem Bedürfnis unserer Zeit, das Rudi folgendermaßen kennzeichnet: "Wenn man heute als Christ leben möchte, ist es so wichtig zu erfahren: Ich bin nicht allein, andere denken ebenso. Wir gehen in dieselbe Richtung."
"Dann bekommt man wieder Mut", fügt Stefan hinzu und Birgit erzählt: "Zuerst habe ich gespürt, wie gut es tut, geliebt zu werden. Dann aber habe ich gemerkt: Du mußt ja auch selber etwas tun!"
Genau das ist vielen dieser jungen Menschen wichtig: "Wir möchten nicht nur getragen werden, sondern selber mittragen, möchten auf andere Menschen zugehen”, formuliert Markus.
In unserem Leben muß sich etwas tun - darüber sind sich diese jungen Leute einig, obwohl sie gar nicht so gerne darüber sprechen, was sie in dieser Hinsicht alles machen. Andrea ist zum Beispiel in ihre Pfarre gegangen und hat gefragt: "Was kann ich machen?" Heute betreut sie eine Jungschargruppe, hilft bei der Firmvorbereitung (die für sie ja selbst so wichtig war) und besucht regelmäßig eine alte Dame, die sonst niemanden hat. "Oft erzählt sie mir 20 Mal dieselben Dinge. Aber ich denke mir, sie braucht mich", erzählt sie.
Stefan hat sich dem Kampf für das Leben verschrieben: "Es ist so schlimm, wieviele Kinder heute abgetrieben werden und wie sehr wir uns alle daran gewöhnt haben. Da gibt es unglaublich viel zu tun," sagt er uns.
Markus wiederum findet es wichtig, sich zu seinem Glauben gegenüber seiner Umwelt zu bekennen. "Ich stoße dabei nicht immer auf Zustimmung, versuche aber dennoch, zu meiner Überzeugung zu stehen." Außerdem leitet er eine Gruppe von Burschen, für die er, wie er strahlend sagt, "durchs Feuer gehen würde." Birgit hat sich viele "kleine Dinge" vorgenommen: Hilfsbereitschaft, Übernehmen unangenehmer Arbeiten, gut über andere zu reden...
Es ist erstaunlich, wie deutlich diese Jugendlichen auch erkennen, daß sie erst am Anfang stehen. "Wie oft bemerke ich, daß ich launenhaft, ungeduldig - einfach schwach bin", sagt Birgit mit einem halb ernsten, halb entschuldigenden Lächeln. Und: "Wie gut tut es, die Hand Gottes zu spüren. Er mag mich, auch wenn ich nicht "brav" bin", ergänzt Stefan. Alle haben also mit Problemen zu kämpfen, erleben auch schwierige Zeiten. "Die Wüste kann auch länger als 40 Tage dauem", weiß Rudi aus eigener Erfahrung. Theresa faßt zusammen: "Natürlich ist es oft schwer, den eigenen Schweinehund, die Faulheit oder Unlust zu überwinden, Oft aber spüre ich, wie mir dabei geholfen wird. Wir haben ein Ziel - das ist es, worauf es ankommt!"
Ingeborg und Richard Sickinger