VISION 20002/1989
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Ich bin ja Priester!

Artikel drucken (Jean Claude Darrigaud)

Ich habe vor 16 Jahren meine Arbeit bei "Antenne 2" angetreten. Meine Oberen hatten mich dazu aufgefordert, obwohl dieser Ruf nichts mit meiner ursprünglichen Berufung zu tun hatte, denn anfangs war ich Missionar im Senegal. Mich in die Gemeinschaft der Fernsehmitarbeiter einzuleben, war keine einfache Sache. Ein "Pfarrer" - da mußte man vorsichtig sein! Ich habe mir daher damals vorgenommen, meinen Kollegen zuerst einmal zu zeigen, daß ich imstande war, so gute Reportagen wie sie zu machen. Später könnte ich ihnen ja dann auch von Christus erzählen.

Ich habe mich also auf ein Leben mit ihnen eingelassen. Anfangs bin ich mir gar nicht bewußt geworden, daß das Fernsehen für mich durch die Faszination, die es auf mich ausübte, durch die Bekanntheit, die es mir vermittelte, äußerst gefährlich war. Ich habe mich vom Fernsehen richtig "auffressen" lassen - wenn sie diese etwas triviale Ausdrucksweise gestatten. Man hat mir joumalistisches Talent bescheinigt, und ich habe mich einfangen lassen.

Das heißt: Statt meine ursprüngliche Berufung als Priester zur eigentlichen Basis meiner Tätigkeit im Fermsehen zu machen, wurde ich unbemerkt in erster Linie Fernsehjoumalist. Meine Berufung als Priester Jesu Christi rangiert weit dahinter an zweiter Stelle. So machte es mir eine unbändige Freude, wenn die Leute auf der Straße stehenblieben, um mich um ein Autogramm zu bitten. Auch war mir die Zahl meiner Fersehauftritte sehr wichtig. Ich glaube, daß ich begann, spirituell zu sterben. Das Gebet - gab es kaum mehr, die Sakramente - nicht oft: Ich denke, daß es eine Periode in meinem Leben gab, wo ich nicht einmal die jährliche Beichte eingehalten habe; die Messen wurden selten...

Einmal bin ich - wie jedes Jahr - anläßlich der Bischofskonferenz nach Lourdes gefahren. Ich war nicht besonders begeistert davon: Lourdes, das war für mich der Inbegriff der Volksfrömmigkeit, etwas primitiv. In diesem Jahr erfuhr ich aber, daß eine international zusammengesetzte Gruppe Jugendlicher nach Lourdes kommen würde, um für die Bischöfe ein Konzert zu geben. Es war die männliche Sängergruppe der "Focolarini".

Die Sache hat mich interessiert, und ich war sofort von der spürbaren Qualität der Beziehungen, die diese Menschen verbanden, beeindruckt: prächtige zwanzigjährige Burschen mit einem liebevollen Umgang untereinander, der mich sprachlos machte. Eines Abends sagte mir einer von ihnen eher zufällig, daß er an diesem Tag noch nicht die Eucharistie empfangen hatte. Und da habe ich - um Eindruck zu schinden, weil niemand wußte, daß ich Priester war- ihm gesagt: "Wenn du willst, kann ich das für dich tun." "Was, Sie sind Priester?" "Oh ja, ich bin Priester!" Und dieses "Oh ja, ich bin Priester!", war aller Wahrscheinlichkeit der Beginn des Abenteuers. Ich habe mit ihnen Eucharistie gefeiert. Und nachher haben sie mir gesagt: Wir haben dich sofort durchschaut. Und haben die Jungfrau Maria gebeten, dich zu erleuchten. Wir haben ihr gesagt: Den da wollen wir!""

Ich habe also Messe zelebriert, und diese Eucharistie mit einer außergewöhnlichen Intensität erlebt. Am Schluß haben sie mir vorgeschlagen, kurz in der Grotte zu beten. Na ja, und die Grotte war nicht gerade der Ort, den ich oft frequentiert hatte. Wir sind also hingegangen. Und dort habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben so gesehen, wie ich wirklich war. Und ich kann Ihnen versichern, das war nicht schön! Ich habe mich als Ruinenfeld erlebt. Und die Ruinen waren die Reste von etwas, was groß und schön hätte sein können. Es war eine starke und doch milde Erfahrung. Mein ganzes Wesen wurde dabei aufgewühlt. Bisher hatte ich eine hohe Meinung von mir gehabt. Plötzlich aber hatte ich die Gnade zu erkennen, wer ich in Wirklichkeit war. Und ich erkannte, daß es dazu gekommen war, weil ich nur mit meiner eigenen Kraft gerechnet hatte. Ich hatte mich aber nicht auf den gestützt, dem ich mein ganzes Leben gegeben hatte.

Am nächsten Tag bin ich nach Paris gefahren. Die ganze Nacht davor aber habe ich geweint. Und als ich in Paris angekommen bin, war mir klar: Du mußt neu "ja" zu Gott sagen - und dann würde alles verziehen sein. Und dann ist langsam alles wiedergekommen: das Gebet, die Feier der Eucharistie und sogar der Rosenkranz! Mit ganz neuen Gefühlen habe ich mein Joumalistenleben wiederbegonnen, nachdem ich zwei Jahre lang in Italien Einkehr gehalten hatte.

Jean Claude Darrigaud, "Il est vivant!" Nr. 68

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