VISION 20006/1989
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Zuerst erzeugt - dann getötet

Artikel drucken (Martin Reichlin)

Natürlicherweise läßt der weibliche Organismus ein einziges Ei reifen; Mehrlingsschwangerschaften sind daher selten. Die Übertragung nur eines, in vitro befruchteten Embryos ergibt aber enttäuschende Resultate. Daher wird durch Vorbehandlung mit Hormonen die gleichzeitige Reifung mehrerer Eier erzwungen. Drei bis sechs oder mehr werden dann befruchtet in den Uterus übertragen.

Mehrlingsschwangerschaften werden dadurch häufiger. Sie verursachen aber erhöhte Risiken für Mutter und Kind. Die Überdehnung der Gebärmutter, Zunahme der toxischen Leber-, Nieren- und Hirnschädigungen, Thrombosen und Embolien sowie Nachblutungen nach der Geburt gefährden die Mutter. Die kindliche Entwicklung ist behindert; Fehlgeburten sind häufig, und Frühgeburten leiden oft an schweren Darm- und Atemstörungen.

Statt die künstliche Befruchtung mit Mehrfachtransfer als widernatürlich zu erkennen, sucht man durch “heroische” Maßnahmen die Folgen zu beheben.

Die angesehene medizinische Fachschrift “The New England Journal of Medicine” berichtet aus dem “Mount Sinai Hospital” in New York über selektive Reduktion von 12 Mehrlingsschwangerschaften mit zusammen 49 Kindern (Drillingen bis Sechslingen). In der 9. bis 13. Woche wurden 34 dieser ungeborenen Kinder im Mutterleib getötet; teils durch operatives Absaugen, teils durch ein- bis zweimalige Injektion ins Herz der “überzähligen” Kinder.

Resultat: 34 Kinder wurden getötet. 15 der 49 blieben erhalten. Vier Mütter verloren alle Kinder. Die “Deutsche Medizinische Wochenschrift” berichtet über selektive Beseitigung “überzähliger” Mehrlinge durch Kaiserschnitt in der 24. Woche, also zu einer Zeit, in der die Kinder außerhalb der Gebärmutter lebensfähig sind. Aus anderen Ländern ließen sich weitere Beispiele anführen. Hier zeigt die ärztliche Machbarkeit ihr zweites, furchterregendes Gesicht: die Kunst um der Kunst willen; eine absurde Auffassung des technischen “Fortschritts” im Dienst einer bedenklichen “Humanität”.

Ist eine Methode mit 90% Mißerfolg ein Test für bestes Wissen und Können? Es mutet sonderbar an, wenn erklärt wird, diese Techniken seien aus der experimentellen Phase herausgetreten und dürften nicht durch ein Verbot unzugänglich gemacht werden. Man darf nicht einäugig nur das seltene Gute sehen, das viel häufigere und schwerwiegende Schlechte aber ignorieren.

Martin Reichlin

Der Autor ist Oberarzt in Luzern, sein Beitrag ein Auszug aus "Der Status des Embryos".

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