VISION 20006/1989
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Pfarrer von Ars

Artikel drucken Botschaft an uns (Alexa Gaspari)

Ein Heiliger, sonst nichts

Auf die Frage: ”Wer ist der Pfarrer von Ars“ gab einer einmal zur Antwort: ”Ein Heiliger, sonst nichts”. Wer war er wirklich? Jean-Marie Vianney wurde 1786 in Dardilly, Frankreich, knapp vor Beginn der Revolution in eine bäuerliche, sehr christliche Familie geboren. Sehr früh hatte er den Wunsch, Priester zu werden. Dem Vater, der ihn für die Feldarbeit brauchte, war dieser Wunsch nicht recht.

Mit 19 Jahren darf er dann aber doch in einer Nachbarpfarre Unterricht nehmen. Für Jean-Marie beginnt damit ein langer Leidensweg. Er, der erst mit 17. Jahren erstmals auf einer Schulbank saß, lernt trotz größter Mühe nur sehr langsam. Er merkt sich nichts und sagt selbst von sich: ”Ich kann nichts in meinen dummen Kopf hineinbringen.”

Es sind Jahre des Versagens, des Zweifelns an seiner Berufung. Dann wird er zum Heer einberufen, desertiert und taucht zwei Jahre unter. Als er heimkehrt, folgen Jahre in verschiedenen Seminaren mit wenig Erfolg. Er besteht die Prüfungen nicht. Erst durch privaten Unterricht kommt er mit Ach und Krach durch das Examen.

Er wird zum Priester geweiht, darf aber anfangs nicht Beichte hören. Erst ein Jahr später erhält er die Erlaubnis dazu. Und doch wird Beichte hören sein eigentliches Charisma werden.

Bald wird er Pfarrer in Ars, einem Dorf mit 230 Einwohnern. Die Pfarreien dieses Gebietes gelten als ein "Sibirien" für Geistliche. Mit seinen auswendig gelernten Predigten, bei denen er seinen Schäfchen sämtliche Strafen androht, aber auch immer wieder den Faden verliert, kommt er bei den Dorfbewohnern überhaupt nicht an.

Je weniger seine Worte ausrichten, umso weniger schont er sich selbst. Tagelang versagt er sich jegliche Nahrung, geißelt seinen Körper und trägt ein Büßerhemd unter der Soutane. Sein Opfer soll die Bekehrung des Dorfes bewirken. Er selbst findet sich unfähig. Was er besitzt, verschenkt er an Ärmere. Selbst die Matratze seines Bettes wechselt den Besitzer.

Das alles geschieht aber doch nicht unbemerkt. Da ist offenbar einer, der seine Predigten in die Tat umsetzt, ja noch viel mehr tut: Er ist bereit, sich selbst für die Menschen, die er liebt, zu opfern. Vianney besucht auch seine Schäfchen, teilt ihren Alltag, ist an all ihren Sorgen interessiert. Seine Pfarrkinder sind beeindruckt von seiner Herzlichkeit und seiner Einfachheit. Seine geduldige Arbeit, sein Gebet und seine Leiden bringen schließlich reiche Frucht: Immer mehr Menschen bekehren sich. Ja, die ganze Pfarre bekehrt sich, und das spricht sich herum. Immer mehr Menschen kommen zu Vianney beichten, denn durch sein ständiges Gebet, seine totale Hingabe an Gott und die Menschen bekommt er die unmittelbare Erkenntnis des Seelenzustandes vieler Beichtenden geschenkt. Die Menschen strömen schließlich zu Tausenden zum Heiligen von Ars, suchen seine Seelenführung, seinen Rat.

Bis zu 16 Stunden täglich verbringt er, Winter wie Sommer, im Beichtstuhl. Für Jean Vianney ist das ein Martyrium, welches er den Menschen zuliebe erleidet. In der Zeit vor seinem Tod verliert er manchmal sogar die Besinnung, verschenkt er sich bis zur totalen Erschöpfung, an der er 1859 schließlich stirbt.

Episoden

Witwe Renard, eine Nachbarin, die für den Pfarrer von Ars täglich frisches Weißbrot gebacken hat, ertappte ihn, wie er sein Weißbrot einem Vagabunden lächelnd mit folgenden Worten übergab: “Du hast schon recht wackelige Zähne, und viele sind überhaupt nicht mehr da. Da wird dir das frische Weißbrot gut bekommen”.

Der Alte griff in seinen Sack, holte ein paar steinharte Stücke Brot heraus und meinte: ”Ich hab zwar noch ein paar Brotkrusten, aber Sie haben schon recht. Ich kann sie nicht mehr beißen." Der Pfarrer lachte: ”Gib sie mir, ich habe noch gesunde Zähne. Wenn ich das Brot etwas aufweiche, ist es sicher noch gut.” Der Vagabund war mit dem Tausch einverstanden und ging, wie üblich, zufrieden seines Weges. Die Witwe war gar nicht zufrieden, aber der Pfarrer erklärte ihr, daß es Christus selbst sei, der als Bettler da zu ihm käme. Für Christus sei das Weißbrot doch wohl nicht zu schade!

Der Pfarrer von Ars litt unter der Menschenmenge, die ihn ständig belagerte, und darunter, zu wenig Zeit für Stille und Gebet zu finden. Eines Tages erhob er sich nachts und machte sich heimlich aus dem Dorf fort, bis er bei einem großen Wegkreuz anlangte. An ihm war er nie ohne Gruß vorübergegangen. So kniete er auch diesmal nieder. Plötzlich hörte er: "Wohin gehst du, Jean?” “Ich suche dich in der Einsamkeit, o Herr!”, stammelte der Priester. “Nicht in der Einsamkeit suche mich, sondern in den Seelen, die mein Erbarmen zu dir führt! Eine einzige Seele wiegt mehr als alle Gebete, die du in der Einsamkeit verrichten könntest. Geh zurück!”.

Da erhob sich der Pfarrer und ging heim. Zu Hause angekommen dankte er Gott. Von da an liebte er auch dieses Kreuz.

Was ich daraus gelernt habe

Zwei Dinge sind es besonders: Das eine beschreibt der Pfarrer selbst: ”Eure Kinder sollen sich eines Tages mehr an das erinnern, was ihr getan habt, als an das, was ihr ihnen gesagt habt.” Auch er hat die Herzen durch seine Taten und durch sein ganzes Sein verändert. Er war nicht perfekt, sondern hat sich bemüht und auf Gott vertraut. Um dieses ehrliche Bemühen in meinem Tun soll es auch mir gehen. Nichts, was ich sage, wird irgend jemanden überzeugen, solange ich nicht selbst danach lebe.

Beeindruckt hat mich auch, daß ein Heiliger seine Probleme mit dem Kreuz hat, es dann aber doch voll Liebe annehmen konnte. Wohl war er versucht, dem Kreuz zu entfliehen, er ließ aber Gott immer wieder in seinem Herzen zu Wort kommen. Nie ist er mit Bitterkeit im Herzen nach einem gescheiterten Fluchtversuch umgekehrt, sondern immer wieder mit Liebe und Vertrauen. Kann ich das auch? Zumindest ist mir klar geworden, daß Gott mit dem, was ich als Kreuz empfinde, mir seine Liebe beweisen möchte. Ich werde also versuchen, daran zu glauben, daß Gott aus einem Kreuz ein Geschenk machen kann, das mir und allen anderen, die auch darunter leiden, zum Segen wird und nicht nur Last bedeutet.

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