VISION 20006/1989
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Das Leben für seine Freunde gegeben

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Ein junger Mensch mit Idealen, für die er nicht nur bereit war zu leben, sondern auch zu sterben - das war Pavel Krauze (28). Äußerlich vielleicht unscheinbar, zumeist im Hintergrund - aber immer dort anwesend, wo es an Menschen fehlte, wo jemand besonderen Schutz, besondere Hilfe brauchte.

Nach dem Abschluß der Hochschule für Sonderpädagogik war er für die verschiedensten Menschen da: für ein autistisches Mädchen, einen leukämiekranken Jungen. Er arbeitete selbständig und individuell und ging mit seiner Zeit, seiner Energie und seinen unzähligen Ideen vollkommen in seinem Dienst an kranken und behinderten Menschen auf.

Die Kraft für diese Aufgaben schöpfte er aus dem Glauben: mit der Gemeinschaft "Glaube und Licht", die sich um geistig behinderte Menschen sowie deren Familien und Freunde kümmert, war er seit zehn Jahren auf dem Weg - zum Beispiel in diesem Sommer in Richtung Santiago de Compostella. Die gemeinsamen Wallfahrten, Exerzitien, Sommer- und Winterlager waren für ihn eine wesentliche Hilfe, seine Berufung immer mehr und mehr zu erkennen und ins Leben umzusetzen.

Schließlich absolvierte er auch das Theologiestudium und begann, an einer Pfarre Kinder in die Grundbegriffe des Glaubens einzuführen. Im September dieses Jahres nahm er eine Stelle in einer Warschauer Sonderschule an, wo er behinderte Kinder in Handarbeiten unterrichtete. Gemeinsam mit der Pfadfinderjugend wurde im September ein Lager in Szklarska Poreba im Gebirge organisiert. Pavel übernahm dort die Betreuung von Stefan, einem 15jährigen, geistig behinderten Burschen.

Am Abend des 18. September brach in der Holzhütte, in der die Kinder untergebracht waren, ein Brand aus. Stefan war bereits eingeschlafen und bemerkte nichts davon. Als Pavel das Feuer entdeckte, lief er sofort, um seinen schlafenden Schützling zu retten.

Von dort ist er nicht mehr zurückgekommen. Man hat die beiden zusammen gefunden. Pavel hatte Stefan umarmt, um ihn mit seinem eigenen Leib gegen die Flammen und den Rauch zu schützen. Die Zeit hatte nicht mehr ausgereicht, um das rettende Fenster zu erreichen.

Als Pavels Freunde von seinem Tod erfuhren, empfanden sie bei aller Trauer um den Verlust auch ein Gefühl der Ergriffenheit angesichts der Größe, mit der Pavel seinen Weg bis zu Ende gegangen war. "Es gibt keine größere Liebe", so formuliert es einer von ihnen, "als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde."

Aus einem Brief aus Polen

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