VISION 20002/1989
« zum Inhalt Kirchenbild

Erlebnis am Petersplatz

Artikel drucken (Jean Claude Darrigaud)

Ich habe den Papst als ... überallhin begleitet: 30 Reisen habe ich mit ihm rund um die Welt unternommen. Und ich kann sagen: Wenn es ein Gefühl gibt, das man dem Papst entgegenbringen sollte, dann ist es das der zärtlichen Zuwendung. Denn unser Heiliger Vater lebt seinen Dienst als eine fortwährende Hingabe seines Lebens an Gott und an die Kirche. Ich habe ihn unendlich lieb, weil ich an ihm all sein Bewußtsein von seiner Aufgabe als Stellvertreter Christi spüre. Er ist der "milde Christus hier auf Erden", wie Katharina von Siena einmal sagte.

Eines Tages hatte ich die Gnade, dies bei einer Begebenheit zu erfahren. Es war im Anschluß an eine öffentliche Audienz auf dem Petersplatz in Rom. Am Ende der Zeremonie sollten, wie üblich, einige Leute dem Papst persönlich vorgestellt werden. An diesem Tag befand sich mitten unter den Botschaftern eine kleine schwarzgekleidete Frau, eine Süditalienerin, die in ihren Armen ein kleines Mädchen von zwei oder drei Jahren trug. Das Gesicht des Kindes war von einem Krebsgeschwür zerfressen. Der Papst kommt also zu der Frau und dem Kind: "Was hat denn dieses Kind?", fragt er. Und die arme Frau antwortet ihm: "Heiliger Vater, man sagt, es sei Krebs." "Aber wie hat sich denn diese schreckliche Wunde gebildet?" (Es war wirklich schrecklich anzuschauen.) "Ja, wissen Sie, zuerst war es ein kleiner Punkt. Und dann ist er gewachsen ..." "Und waren Sie beim Arzt?" "Wir haben kein Geld, wir sind arm." Und der Papst: "Ja, woher kommen Sie?" "Aus Neapel." "Wir haben dort Freunde, Professoren!", sagt der Papst und dreht sich zu seiner Begleitung um, "notieren Sie, Monsignore!"

Dann blickte er das Kind mit leuchtenden Augen an. Und dann geschah etwas, woran ich mich mein Leben lang erinnern werde. Er sah das Kind an, und wir hatten die Gnade, zu verstehen, was in ihm vorging: "Ich muß ihm helfen, behandelt zu werden, ich muß den Eltern mein Interesse zeigen - aber ich muß mehr machen!" Und da hat er einen Schritt nach vorne gemacht, hat das Kind in die Arme genommen und es genau auf seine schreckliche Wunde geküßt. Dann hat er das Kind seiner Mutter zurückgegeben und den Kopf gewendet. Er hatte Tränen in den Augen.

 

 

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11