Grüne Akzente...
Der zunehmende Widerstand gegen die Unterwerfung Europas unter das Joch der wirtschaftlichen Rationalität wird nur dann wirklichen Erfolg haben, wenn ein anderes menschen- und umweltfreundliches Europakonzept entworfen, allgemein diskutiert und populär gemacht wird. Der Europakongreß der grünen Parteien in Europa, der kürzlich bei Innsbruck stattfand, hat erste Schritte in Richtung auf ein ökologisches und demokratisches Europa vorgeschlagen. Schon jetzt scheint es sicher, daß die bevorstehende Wahl zum Straßburger Europaparlament im Zeichen der Auseinandersetzung um eine Zukunft stehen wird, die dem "alten Kontinent" eine beispielhafte Rolle verschaffen sollte: Vorreiter einer menschlichen und angstfreien Welt zu werden, in der es sich wieder zu leben lohnt.
Robert Jungk (Natur 4/1989)
Die Zukunft Europas steht tatsächlich zur Debatte. Daher auch die Aktualität des Aufrufs zur Neuevangelisierung Europas des Papstes. Zwar haben die "Grünen" einige wichtige Akzente der Neuorientierung (vor allem in Sachen Umweltschutz) einzubringen. Aber welch gottloses Menschenbild steht hinter so manchen "grünen" Aussagen und Forderungen!
Widersprüchlich
Die meisten Menschen arbeiten fremdbestimmt, an miesen Arbeitsplätzen, in schlechten Wohnungen, in gestörten sozialen Beziehungen. Verhütungsmittel sind fehlerhaft oder schädlich wie die Pille, auch daran liegt’s, daß sie nicht genommen oder mal vergessen wird. Kondome reißen aus technischen Gründen. Streß und Sorgen können den Eisprung verschieben oder verfrüht auslösen. Menschliche Sexualität ist menschlich und hat mit Lust, Geilheit und Zärtlichkeitsbedürfnis zu tun... Abtreibungen wird es immer geben, und Schuldgefühle entspringen oft den gesellschaftlichen Bedingungen von Abtreibung und Sexualität.
(Natur 4/1989)
Jutta Dithfurth, Sprecherin der "Grünen" im Deutschen Bundestag, entwickelt hier eine zynische Sicht des Menschen: Sein sexueller Umgang sei nun einmal so, wie er ist. Schluß basta. Bei anderer Gelegenheit hat Dithfurth gesagt: "Ich bin 36. Da finde ich zwei Abtreibungen auf ein lustvolles, knapp 20jähriges Geschlechtsieben relativ wenig." Welch Widerspruch: In Fragen von Wirtschaft und Umwelt treten die "Grünen" für das Leben ein - und wenn es um den Menschen geht, drücken viele ein Auge zu!
Kopf über Fuß
Weltweit zählt die Biotechnologie zu den expansivsten und technisch anspruchsvollsten Wirtschaftszweigen. Gentechnologie, biotechnische Materialforschung oder in den Biotechnologie-Sektor fallende Pharma-Bereiche werden weltweit als Schlüsselindustrien für hochindustrialisierte Staaten angesehen. Aus diesem Grund wird in Österreich auf diesem Gebiet auch seit einigen Jahren ein gewisser Schwerpunkt staatlicher Forschungs- und Technologieförderung gesetzt. Dennoch sind die Erfolge österreichischer Unternehmen bei echter Spitzentechnologie - von Ausnahmen abgesehen - eher bescheiden.
(Die Presse v. 5.4.1989)
Welche Ansammlung positiv beladener Worten zur Beschreibung dieses Wirtschaftssektors. Es entsteht der Eindruck, daß ein Staat, der etwas auf sich hält, ohne massive Anstrengung in diesem Bereich nicht auskommen kann. Kein Wort von den enormen Gefahren, die von den Bio-Techniken (die vielfach mit Manipulation von Lebewesen arbeiten) ausgehen.
Jugend
Dem nun veröffentlichten Jugendbericht des Meinungsforschungsinstituts Inter/View zufolge stellt sich das Bild der holländischen Jugend folgendermaßen dar: Sie ist angepaßt, materialistisch, sorglos, ichbezogen, hedonistisch, hegt keine revolutionären Ideen und hat vor allem "keine Lust" auf "safe Sex"... 60 Prozent von ihnen wollen heiraten, 78 Prozent möchten eine Familie gründen und Kinder haben...
(Die Presse v. 23.3.1989)
Wir wollen auch diese Umfrage mit Vorsicht betrachten und bedenken, daß Durchschnittsergebnisse nicht das Verhalten von jedermann kennzeichnen. Umso mehr sind jene Jungen gefordert, die nicht angepaßt, materialistisch, usw... sind! Eines ist aber sicher: Mit der dargestellten Grundhaltung werden die 60 Prozent (übrigens eher wenig) Heiratswilligen wohl kaum in Ehe und Familie zurecht kommen.
Nützlichkeit
"Eine Chance, in der Industrie mehr Leute zu beschäftigen, liegt darin, daß man das Wochenende miteinbezieht". Dies erklärte der Bundeskammer-Syndikus für die Industrie, Friedrich Placek, im Gespräch mit der "Presse".
(Die Presse v. 12.4.1989)
Gleichmäßige Ausnutzung des teuren Maschinenparks mag wohl vom Standpunkt der Kostenrechnung ein interessantes Anliegen sein. Es ist aber ein Konzept, das unser Leben noch weiter unter das Kalkül der Nützlichkeit und der Wirtschaftlichkeit stellt und damit unmenschlich macht. Den Tag des Herrn heiligen bleibt eine zeitlos gültige Überlebensregel.
Medienmacht
In Italien zeichnet sich eine Fusion im Verlagswesen ab, aus der, falls sie zustande kommen sollte, der größte italienische Verlagskonzern entstehen wird. Der Plan, Mondadori (Mailand) mit Editoriale Espresso (Rom) zu verschmelzen, geht von dem italienischen Unternehmer Carlo De Benedetti aus... Die Verlage Mondadori und Editoriale Espresso setzten im Vorjahr zusammen umgerechnet rund 21 Milliarden Schilling um.
(Die Presse v. 13.4.1989)
Weltweit kommt es zu enormen Konzentrationen im Medienbereich. Erst kürzlich haben sich die US-Mediengiganten "Time Inc." und "Warner Communications" zum größten Medienkonzern der Welt mit einem Jahresumsatz von 115 Milliarden Schilling zusammengeschlossen. Welche Machtzusammenballungen entstehen da! Welche Gefahr für die Meinungsvielfalt!
Kriminalisierung
Obwohl ich erklärter Atheist bin, meine ich, daß die katholische Kirche sehr wohl zu umstrittenen moralischen Fragen öffentlich Stellung beziehen soll. Als im Dezember 1987 der Vatikan seiner negativen Haltung gegenüber allen Techniken der künstlichen Befruchtung Ausdruck verliehen hat (eine Position, die ich ganz und gar ablehne), habe ich in "Humanite" (dem Organ der französischen Kommunisten) erklärt, man dürfe deswegen nicht in den alten Antiklerikalismus zurückverfallen.
Im Gegensatz dazu - gestatten Sie mir diese ehrliche Feststellung - war ich schockert, daß dasselbe Dokument zur Reform von moralisch unannehmbaren Gesetzen über die künstliche Befruchtung aufruft. Daß die katholische Kirche der künstlichen Befruchtung gegenüber feindlich eingestellt ist und ihrer Meinung Ausdruck verleiht, ist normal. Daß sie einer pluralistischen Gesellschaft wieder die Kriminalisierung verordnen will, finde ich unannehmbar. Das kann nur zu einem neuen Antiklerikalismus führen.
(Lucien Sève, Mitglied der französischen Ethik-Kommission und des Zentralkomitees der KPF in La Croix vom 20.4.1989)
Ihm antwortet in derselben Nummer von La Croix Jacques Jullien, Bischof von Rennes:
Soweit ich informiert bin, gibt es keinerlei kirchliche Polizei, keine christliche Lobby und keine katholische Partei, die eine einzige Vision vom sozialen und politischen Leben aufzwingt. Die Christen wirken in der Gesellschaft entsprechend ihrer Vorstellungen und ihres Engagements, das sehr verschiedenartig ist.
Die Kirche appelliert an die Freiheit der Menschen und an ihr Gewissen. Die Augen der Menschen über die Gefahren der Abtreibungspille etwa zu öffnen, heißt nicht die Gewissen zu knebeln. Den Menschen bleibt ja die Entscheidung.
Die Christen sollen sich da nicht zu viele Komplexe einjagen lassen. Ich frage mich nämlich, wer eher die Freiheit respektiert: Wer eindeutig an das Gewissen der Menschen appelliert oder wer auf subtile Art für die Konsumgesellschaft um jeden Preis wirbt. Oder sind es vielleicht gar jene, die die gängigen Verhaltensmodelle diktieren?
Wiedergeburt
Wer hätte das gedacht? Etwa jeder zehnte Deutsche glaubt, daß er vor seiner Geburt schon auf dem Erdenrund gewandelt ist. Das renomierte Institut für Demoskopie Allensbach hat 2264 Personen befragt und einen überraschend starken Glauben an Wiedergeburt und Seelenwanderung festgestellt: Zwölf Prozent sind überzeugt, früher schon einmal gelebt zu haben, 74 Prozent schließen das aus und 14 Prozent sind sich unsicher. Frauen glauben besonders häufig an eine "bewegte" Vergangenheit.
(Kurier v. 12.3.1989)
Die Schar der "Wiedergeburtsgläubigen" ist damit wohl zur drittstärksten Glaubensgemeinschaft in Deutschland avanciert. New-Age-Apostel verschiedenster Schattierungen sorgen für eine weitere Verbreitung dieser Irrlehre.
Scheidung erwünscht
Derzeit haben in Österreich nur unverheiratete Mütter - auch wenn sie mit dem Vater des Kindes zusammenleben - ein Anrecht auf Sondernotstandshilfe. Verheiratete Mütter hingegen erhalten bei gleicher finanzieller Not diese Unterstützung nicht.
Aufmerksam wurden verschiedene katholischen Organisationen durch einen konkreten Fall in St. Pölten: Eine junge Lehrerin wollte nach Ende des Karenzjahres weiterhin bei ihrem Kind bleiben und beantragte die Sondernotstandshilfe. Beim zuständigen Arbeitsamt wurde ihr jedoch erklärt, daß sie keinen Anspruch auf diese Unterstützung habe, weil sie mit dem Vater des Kindes - einem Studenten - verheiratet ist. Berichten zufolge wurde der Frau eine Scheidung nahegelegt, weil zur Gewährung |der Sondernotstandshilfe der Vater zwar im gleichen Haushalt wohnen, aber nicht mit der Mutter verheiratet sein darf.
(Kathpress, 26. April 1989)
Ein typisches Beispiel, was einseitig forcierte Sozialgesetzgebung an negativen Folgen produzieren kann: Der eigentlich anzustrebende Zustand, die intakte Ehe, wird finanziell weniger gut gestellt als andere Formen der Lebensgestaltung. Diese Benachteiligung sollte endlich abgestellt werden. Oder ist Familie etwa nicht mehr das gemeinsame Leitbild?
Im besten Interesse
Die höchste juristische Instanz Großbritanniens, das Oberhaus, hat am Donnerstag in einer Entscheidung mit Präzedenzcharakter die Sterilisation einer geistig Behinderten angeordnet, obwohl diese nicht in der Lage ist, ihre Zustimmung zu geben. Das Oberhaus folgte dem Berufungsgericht, die Sterilisation sei "im besten Interesse" der Kranken.
(Die Presse v. 6./7.5.1989)
Laufend gibt es Jahrestage der Nazi-Greuel. Voll Verachtung wird da auf die Unmenschlichkeit des Hitler-Regimes zurückgeblickt - aber unverständlicherweise übersehen, daß wir mitten auf dem Weg in dieselbe Unmenschlichkeit unterwegs sind. Solche und ähnliche Entscheidungen sind Wegbereiter ähnlicher Verhältnisse - nur ohne Zwangsregime, sondern ganz demokratisch.
Ozonschicht
Enttäuschend endete am Freitag in Helsinki die Konferenz zum Schutz der Ozonschicht. Die abschließende Deklaration enthält nur politische Willenserklärungen, die in keiner Weise völkerrechtlich verbindlich sind. Die Hoffnung auf konkretere Beschlüsse kann erst bei einer Nachfolgekonferenz erfüllt werden, zu der man spätestens in einem Jahr zusammentreffen will.
(Die Presse vom 6./7.5.1989)
Dabei ist längst erwiesen, daß die für alle Wesen lebenswichtige Schicht der Atmosphäre stark bedroht ist und daß Fluorkohlenwasserstoffe die Hauptverursacher des Ozonabbaus sind. Lernen wir Menschen wirklich erst, wenn die Katastrophen mit voller Wucht über uns hereinbrechen?
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