VISION 20001/1988
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Gerufen als Mann und Frau

Artikel drucken (Jörg Splett)

Die Rede von der Schöpfung - im strengen Sinne genommen - besagt, daß die Welt ihre Existenz der Freiheit und Freigiebigkeit eines persönlichen Gottes verdankt. Gerufen ist der Mensch als "Mann und Frau". In welchem Sinn? Es gibt eine Vielzahl von Unterschieden zwischen den Menschen. Aber nach dem Genesis-Wort (1,27) wie auch nach meinem eigenen Verständis ist keiner so fundamental und ursprünglich wie der zwischen den Geschlechtern.

Der Mensch haust ja nicht etwa als neutraler Geist in einem (unter anderem geschlechtsbestimmten) Körper, sondern er lebt jeweils als ein bestimmtes, berufenes Ich. Und dieses Ich lebt "leibhaftig". Das heißt, dieses Ich hat (besitzt) nicht bloß einen Leib. Dieser Leib ist vielmehr die Weise, wie ein jeder "leibt und lebt".

Es kann daher nicht nebensächlich sein, sondern muß das Selbst- und Weltverhältnis des Menschen sowie sein Verhältnis zum anderen wesentlich prägen, ob er von seiner Leiblichkeit her darauf angelegt ist, einen anderen Menschen in sich aufzunehmen oder in ihn einzudringen; angelegt darauf, ein Kind neun Monate in sich zu tragen oder nicht.

Mag, was man im einzelnen als männlich und weiblich bezeichnet, in erstaunlicher Variationsbreite kulturell bestimmt sein: Dies fundamentale leibliche Anderssein liegt dem vorauf und zugrunde. Und es weist auf eine Differenz im Personalen zurück.

Mann und Frau bilden somit nicht zwei eigene Arten, sondern Ausgestaltungen ein und derselben Art - eben des Menschen.

Wobei diese Ausprägung andererseits nichts Beiläufig-Nebensächliches ("Akzidentelles") betrifft, sondern ungleich tiefer greift als etwa Klassen- und auch Rassenzugehörigkeit.

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