VISION 20005/2024
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Frieden zu stiften, betrifft alle

Artikel drucken Appell in einer Zeit zunehmender Aggressivität (P. Alain Bandelier)

Jemand hatte dem Autor gesagt, dass es offenbar weltlich gesehen keine Instanz gibt, die Frieden stiften könne. Offenbar sei nur Gott dazu imstande. Im Folgenden eine Antwort darauf:

Ich verspüre hinter dieser Frage eine Verzagtheit, die ich zugegebenermaßen teile. Haben die Menschen, seit sie kämpfen, nicht begriffen, dass Krieg keine Lösung ist? Die letzten Päpste haben es in allen Tonlagen gesagt. Wir haben das „Nie wieder Krieg“ von Paul VI. von der UNO nicht vergessen: Nie wieder gegeneinander, nicht ohneeinander, sondern miteinander und füreinander, das war seine Botschaft. In diesem Sinne machte er den 1. Jänner, das Fest der heiligen Mutter Gottes, zu einem Tag des Gebets für den Frieden, begleitet von einer päpstlichen Botschaft, aus der Johannes Paul II. eine jährliche Meditation über die verschiedenen Facetten des Friedens und seiner Voraussetzungen gemacht hat.
Im modernen Krieg sind wir alle potenzielle Geiseln: Heutige Kriege haben die Schwelle des Unerträglichen überschritten. Wir leben nicht mehr in der Zeit, in der sich Armeen in einer Reihe gegenüberstanden und in der Regel ein Angreifer auf der einen Seite und ein Volk in Notwehr auf der anderen Seite stand. Natürlich waren Gewalt, Zerstörung, Verletzungen und Tote immer der zu hohe Preis dieser Zusammenstöße. Aber zumindest (…) blieb die Zivilbevölkerung vor dieser Gewalt (relativ) geschützt.
Die moderne Kriegsführung ist von anderer Art. Als Weltkrieg und totaler Krieg ist er, wie die schrecklichen Konflikte des 20. Jahrhunderts gezeigt haben, eine Dampfwalze, die nichts und niemanden respektiert. Atomwaffen würden eine apokalyptische Dimension hinzufügen, der Europa bisher entgangen ist. Das Bombardement von Dresden (heute als taktisch und strategisch nutzlos anerkannt) zeigt jedenfalls, was der Massenvernichtungskrieg sein kann, eine schreckliche Negierung des heiligen Charakters der menschlichen Person und damit des Schöpfers.
In ihrer revolutionären und inzwischen terroristischen Form, mit ihrem Gegenstück, dem Einsatz zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Terrorbekämpfung, wirken sich aktuelle regionale, ethnische und religiöse Konflikte auf das gesamte gesellschaftliche Gefüge aus. Wir sind alle potenzielle Geiseln ideologischer, mafiöser und sektiererischer Netzwerke aller Art und Couleur. Und das bewahrt uns nicht vor nicht immer maßvollen und zielgerichteten Gegenmaßnahmen jener, die eigentlich Recht und Ordnung schützen sollen.
Verstehen sie mich nicht falsch: Ich plädiere nicht für einseitige, engelhafte und verantwortungslose Abrüstung. Der Pazifismus hat totalitären Bedrohungen Tür und Tor geöffnet, statt sie zu verhindern. Aber wie mein Korrespondent andeutet, ist es dringend notwendig, den Weg zum wahren Frieden zu finden. Er hat nicht Unrecht, wenn er sagt, dass wir Gott bitten müssen, uns Frieden zu schenken, da die Menschen nicht in der Lage sind, ihn selbst zu stiften und zu sichern.
Stellen wir jedoch sicher, dass dieser fromme Gedanke auch ein rechter Gedanke sei. Ich bin überzeugt, dass Gott in der Geschichte handelt. Die Geschichten der Bibel und die Erfahrungen der Kirche zeugen davon. Aber es wäre illusorisch, die Angelegenheiten dieser Welt auf Gott abzuwälzen. Er wirkt nicht von außen, mit immer neuen Wundern, wie ein Deus ex machina.
Er handelt von innen heraus und dort, wo wir ihn wirken lassen. Für den Frieden zu beten, bedeutet zunächst, sich selbst befrieden zu lassen. Es ist zu einfach, sich über den Zustand der Welt zu beschweren und im eigenen Herzen ein ständiges Schlachtfeld zu haben. Nur wer zur Ruhe gekommen ist, kann Friedensstifter sein. Der heilige Jakobus sagt es in seinem Brief mit großer psychologischer Wahrheit und großer spiritueller Genauigkeit: „Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten? Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern. Ihr begehrt und erhaltet doch nichts. Ihr mordet und seid eifersüchtig und könnt dennoch nichts erreichen.“ (4,1f)
Für den Frieden zu beten bedeutet also nicht, demütig darauf zu warten, dass er kommt. Es geht um einen konkreten, geduldigen und energischen Kampf ohne Waffen. Handeln Sie so gut Sie können und auf allen denkbaren Ebenen, angefangene bei der Nachbarschaft bis zur nationalen und internationalen Ebene, um die Strukturen der Sünde zu verändern, die Quellen von Ungerechtigkeit und damit Konflikten sind, um Herzen zu entwaffnen, Geister zusammenzubringen.

P. Alain Bandelier
Famille Chrétienne v. 3.1.04
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