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„Ich glaube an dieses Wunder“

Artikel drucken Diagnose nach einem schweren Skiunfall: Querschnittslähmung (Marie de Varax)

2022, Ende der Coronazeit. Endlich wieder frei. Astrid wird zum Skifahren in die Schweiz eingeladen – und tobt sich auf den Pisten dort aus…

 
Astrid: Wieder genesen nach ihrem
schweren Skiunfall
 

Es kommen der letzte Tag und die letzte Stunde dieses Einschubs an Freiheit. Man muss jede einzelne dieser kostbaren Minuten voll auskosten. Die junge Frau fährt zur  Buckelpiste. Beflügelt von den Abfahrten der letzten Tage, startet sie, kräftig, schnell. Zu kräftig, zu schnell. Sie landet mit ihrem ganzen Gewicht auf dem harten Schnee und spürt, wie ihre Wirbelsäule bricht. „Im Moment des Aufpralls,“ erzählt sie bewegt zwei Jahre später, „weiß ich sofort, dass alles unterhalb der gebrochenen Stelle verloren ist – sehr weit oben, in der Mitte des Rückens. In derselben Sekunde, in der ich stürze, schreie ich zu Jesus, dass Er es mir ermöglicht zu gehen, mir gewährt, Kinder zu kriegen.“ Der stumme Schrei fliegt empor. Trifft er den Rettungshubschrauber, der in dem Moment seine Runden dreht?
Die junge Frau wurde sehr schnell versorgt, aber man ließ sie fünf lange Stunden auf dem harten Brett warten, auf das die Helfer sie gelegt hatten, bevor man sie endlich einem CT-Scan unterzog. Die Patientin sah so zuversichtlich aus! Vielleicht hat sie gar nicht viel? Ihre übernatürliche Gelassenheit täuscht sogar die Pfleger. „Ich hatte keine Angst. Ich hatte meine Freundin gebeten, für mich zu beten, und ich wusste, dass sie bereits Leute zum Beten eingeladen hatte. Ich war sehr zuversichtlich,“ erklärt Astrid. Trotzdem: Das CT zeigt, dass ein Brustwirbel gebrochen ist und auf das Rückenmark drückt. Eine Notoperation ist erforderlich, um den Wirbel zu dekomprimieren, damit die Nervenimpulse hoffentlich wieder durchgehen.
Stifte entlang der Wirbelsäule werden angebracht. Ohne ihr etwas über ihren kritischen Zustand zu sagen, um sie nicht in Panik zu versetzen – das Wort Querschnittslähmung wird vor ihr vermieden –, führen die Pfleger viele Reflex- und Belastungstests durch, die auch nach der Operation nichts ergeben. Am nächsten Morgen gesteht ihr der Chirurg schließlich, sie werde ihre Beine nie wieder bewegen können…
Astrid wird mit Morphium vollgepumpt, um ihre starken Schmerzen zu lindern. Sie fällt in einen halbkomatösen Zustand. Ihre Angehörigen mobilisieren sich. Schon am Abend des Unfalls hatte ihre Tante die Idee, eine Novene zur selige Chiara Luce Badano zu beten.
Dieses italienische Mädchen starb 1990 im Alter von 18 Jahren an Knochenkrebs und lebte ihre Krankheit so wie ihr Leben in freudiger Hingabe an den Willen Christi. Sie pflegte zu sagen: „Wenn Du es willst, Jesus, dann will ich es auch.“ Sehr schnell verbreitete sich die Gebetskette wie ein Lauffeuer in Frankreich, aber auch im Ausland – Klöster, Personen aus den USA und Vietnam teilten mit, für Astrid zu fasten, zur Messe zu gehen und Anbetung zu halten. Es ist der Beginn der Fastenzeit. Von überall her belagern Gebete den Himmel.
Um Punkt 18 Uhr spürt Astrid, dass sich an jedem Fuß eine Zehe bewegt. Der Chirurg dämpft jedoch schnell die Hoffnung und ruft ihre Eltern an und teilt ihnen mit, dass die junge Frau zwar sehr optimistisch sei, es aber unmöglich sei, dass sie jemals wieder laufen könne…
„Ich kann mich an die folgenden Tage nicht mehr gut erinnern,“ erzählt sie. Vom Morphium wurde mir übel. Ich fühlte mich schwach und hatte große Schmerzen. Es fiel mir sehr schwer, meinen Unterkörper nicht mehr zu spüren und keine Intimität mehr zu haben. Also zwang ich mich, kleine Fortschritte zu machen, Tag für Tag. Zum Beispiel versuchte ich, mein Essen aufzuessen. Oder mithilfe einer Gehhilfe aufrecht zu stehen.“
Das Wunder ging langsam weiter. Am vierten Tag der Novene steht Astrid. Am fünften Tag macht sie ein paar Schritte mit der Gehhilfe. Am sechsten Sonntag bringt ihr ihre Schwester die Eucharistie. Während sie darauf wartet, dass Freunde für eine kleine gemeinsame Feier kommen, hält sie die Kustode mit der konsekrierten Hostie drei Stunden lang ganz nah bei sich. Ein geheimnisvolles Herz an Herz mit Jesus, der ihr zusätzliche Kraft verleiht und sie endlich von ihrer Übelkeit befreit. Am achten Tag läuft Astrid auf Krücken und verblüfft den Chirurgen, der sogar glaubt, sich im Zimmer geirrt zu haben... Am letzten Tag der Novene geht sie dann ohne Krücken. Aus der Schweiz wird sie in ein Rehabilitationszentrum in Nantes geschickt, wie es das Protokoll vorschreibt, auf der vorgeschriebenen Liege. Doch bei jeder Pause steht die Gelähmte auf und geht, und als sie bei der Ankunft natürlich wieder aufstehen will, ent­lockt sie den Betreuern, die sie in Empfang nehmen, entsetzte Schreie… Angesichts der unzweifelhaften Tatsachen ruft die Oberschwester aus: „Aber Sie sind doch nicht die Querschnittgelähmte aus der Schweiz?“ Diese Worte treffen Astrid wie ein Schlag: „In diesem Moment wurde mir klar, was mir erspart blieb und dass das, was passiert war, wirklich außergewöhnlich war.“
Nach 24 Stunden und einer Reihe von Untersuchungen mussten die französischen Ärzte feststellen, dass die Rückenmarksverletzungen zwar sichtbar waren, die junge Frau sich aber unerklärlicherweise vollständig erholt hatte. Astrid steht wieder auf eigenen Füßen mit ... einem Rezept für Doliprane und Physiotherapieübungen, die sie „wann immer (sie will, sie braucht) …“ machen soll!
Wie geht man mit einem so überwältigenden Zeichen des Himmels um? Die Ärzte sind sich einig: Vielleicht hätte das Mädchen eines Tages wieder mobil sein können – aber nur mit viel Reha und sicher nicht in neun Tagen. Die junge Frau gibt offen zu: „Ich habe lange gebraucht, um das Wort ‚Wunder‘ für das, was mir passiert ist, zu verwenden, daran zu glauben und das Geheimnisvolle an diesem Geschehen zu akzeptieren. Wenn der Herr uns besucht, tut Er das mit so viel Feingefühl! Er zwingt uns nie etwas auf. Nach allem, was passiert war, hatte ich immer noch die Freiheit – und ich habe sie sogar immer noch – zu glauben, dass es die hervorragende Arbeit meines Chirurgen, die Tatsache, dass der Hubschrauber so schnell kam, oder mein natürlicher Kampfgeist es waren, die mir aus der Patsche geholfen hatten. Ich habe meine medizinischen Unterlagen an den Postulator des Heiligsprechungsprozesses von Chiara Luce Badano geschickt (damit ein Seliger heilig gesprochen werden kann, muss nach der Seligsprechung ein Wunder geschehen, Anm.), und seitdem habe ich nichts mehr gehört. Ich glaube in meinem Herzen an dieses Wunder.“
Die Monate nach ihrer Genesung waren trotz allem schwierig. Astrid denkt zunächst, dass der Herr sie für eine besondere Mission geheilt hat: „Es beruhigte mich, dass diese Heilung für andere war – dass ich ein lebendiges Zeugnis für das Wirken des Herrn geworden war. Aber bald wurde es zu einer zu schweren Last: Ich fühlte mich Gott gegenüber sehr verpflichtet.“ Auch hier brauchte sie Zeit und Momente großer Trockenheit in ihrem Glauben, bis sie endlich begriff, dass der vollkommen selbstlose Gott, ihr die Heilung ohne jede Gegenleistung zum Geschenk gemacht hatte.
Das befreite sie von einem Teil ihrer Last, aber nicht von der ganzen. Diese unerklärliche Heilung hat nicht alles, was geschehen war, einfach weggewischt. Posttraumatischer Stress, Ängste, Schuldgefühle, weil sie auf der berühmten Buckelpiste zu schnell gefahren war, weil sie den Herrn angefleht hatte, sie von ihrer Tortur zu befreien ... Zwei Jahre später leidet die junge Frau immer noch unter dumpfen und anhaltenden Ängsten, die sie einen unerwarteten Weg der Bekehrung einschlagen lassen: „Ich habe die Erfahrung der Schwäche und der großen Zärtlichkeit Gottes für die Armen und Schwachen gemacht und mache sie immer noch. Ich habe gelernt, dass unsere Zerbrechlichkeit unsere größte Stärke ist. Ich weiß, dass Er uns sehr nahe ist, unsere Gebete hört, auch wenn Er sie nicht so beantwortet, wie wir es wünschen, dass Er alles versteht und sich um uns kümmert.
Im Dezember heiratete sie den Mann, der sie schon vor dem Unfall geliebt hatte und der sich nicht scheute, im Krankenhaus um ihre Hand anzuhalten, als die Diagnose Querschnittslähmung gestellt wurde. Sie, die so gerne tanzt und diese Leidenschaft hätte opfern müssen, wenn sie im Rollstuhl geblieben wäre, konnte mit ihrem Geliebten im Kreise ihrer Angehörigen herumwirbeln. „Es war ein großes Zeichen der Auferstehung für uns beide, ein Moment intensiver Freude,“ erinnert sich die junge Frau noch immer gerührt. „Die Heilung war für mich wie eine neue Taufe, denn der Herr hat mir meinen Körper zurückgegeben, Er hat mir mein Leben zurückgegeben… Jetzt fühle ich, dass ich wirklich den Herrn trage, ich fühle mich gezeichnet. Diese Stifte, die ich am Rücken habe und die wahrscheinlich immer dort bleiben werden, sind ein starkes Symbol dafür, dass Gott durch mein Leben gegangen ist.“
Marie de Varax
Aus Famille Chrétienne
v. 31.8-6.9.24

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