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Klarheit durch Wahrheit

Artikel drucken Gedanken zur Kirchenerneuerung (Christof Gaspari)

Wer sich in einer Debatte auf eine feststehende Wahrheit beruft, dem wird gern herablassend entgegen gehalten: „Wieder einer, der meint, die Wahrheit zu besitzen…“ Viele Christen tun sich dann mit einer Antwort schwer. Der Theologe Ralph Weimann, Autor von Klarheit durch die Wahrheit, hilft da durch eine Bemerkung, die ich im Buch angestrichen habe: … „niemand besitzt die Wahrheit, bestenfalls kann der Mensch daran Anteil erhalten.“ Denn die Wahrheit gehe uns voraus. Es gilt, sie zu entdecken, sich von ihr erfassen und verändern zu lassen.

 
   

Genau damit aber tut sich der Mensch in unseren Tagen schwer. Denn man hat ihm beigebracht, dass alles relativ sei und dass jeder eben seine eigene Wahrheit habe. Wie es zu diesem Trugschluss kam, beleuchtet der Autor ausführlich in verständlicher  Sprache und bezieht sich dabei an vielen Stellen auf Aussagen von Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI.. Dieser habe insbesondere zwei Phasen auf dem Weg der Abkehr von der offenbarten Wahrheit herausgearbeitet: Zunächst sei dank der Errungenschaften von Naturwissenschaft und Technik, „die Wirklichkeit auf das positivistisch Fassbare reduziert“ und damit quasi das Ende der Metaphysik eingeläutet worden. „Es folgt die Abwendung vom Dogma“, der Glaube wurde in die Privatsphäre verdrängt.
Eine zweite Zäsur, eine „Wende zum technischen Denken“, sei gefolgt: „Der neue Maßstab ist nicht mehr die Wirklichkeit oder das Gemachte, sondern das Machbare.“ Damit werde alles, was Tradition betrifft, „als Rückwärtsgewandtheit und Gestrigkeit abgestempelt“. An dieser Front bewegten sich auch die Auseinandersetzungen in der Kirche.
Aber warum ist die Frage nach der Wahrheit so entscheidend? Weil Wahrheit und  Glaube untrennbar zusammengehören, wie der Autor klarstellt. Denn Gott selbst ist die Wahrheit, die sich in Jesus Christus offenbart hat. Gott hat sich in Seinem Sohn enthüllt. Dieser ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“. „Diese Wahrheit ist weit mehr als eine Theorie, sie ist die alles entscheidende Wirklichkeit,“ hält Weimann fest.  Und: „Die Frage nach Gott und die Frage nach der Wahrheit gehören zusammen.“ In diesem Zusammenhang zitiert der Autor Kardinal Ratzinger: „Die Wahrheit dessen, was der Mensch ist, was die Welt ist, was Gott ist, d.h. die Wahrheit überhaupt ist real in der Person Jesu Christi.“
Es ist so wichtig, sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen, gerade in unserer Zeit, in der zu Glaubensfragen an so vielen Nebenfronten debattiert wird. Weimanns Buch führt den Leser zum Zentrum unseres Glaubens zurück. Es geht eben um Jesus Christus, in dem sich Gott uns gezeigt hat und zeigt. Denn, indem wir uns für Ihn öffnen, werden wir auch in die Wahrheit, die Er ist, eingeführt. Es sei notwendig, „die tiefe Überzeugung wiederzuentdecken, in Christus alles in allem gefunden zu haben. Es muss wieder deutlich werden, dass Christsein auf einer Überzeugung basiert, nicht einer Gewohnheit,“ so Weimann.
Diese Hinwendung, so entscheidend sie auch ist, könne jedoch in Subjektivismus ausarten, wenn sie nicht eine zweite Komponente des Glaubens einbezieht, „durch die der Glaube seine Richtung erhält: die geoffenbarte Wahrheit. Sie hat in den Dogmen der Kirche ihren definitiven Ausdruck gefunden und wird konkret in der Einhaltung der Gebote,“ hält Weimann fest und fasst zusammen; „dass der Christ dadurch zum Christen wird, dass er Christus im Leben annimmt und sein Leben nach jener Wahrheit ausrichtet, die Christus ist.“
Wahrheit ist somit eine Person, die auf uns zukommt und der wir uns zuwenden können. „Am Anfang des Glaubens steht nämlich nicht die eigene Meinung, eine Theorie oder eine Vorstellung, sondern die Annahme Jesu Chris­ti,“ erklärt der Autor. Und: „Jeder Christ (müsse sich) zunächst von all dem freimachen, was ihn daran hindert, diesen Schritt zu tun.“ Im Evangelium heißt das: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15)
Auf diesem Weg mache der Glaube sehend. „Der Glaube ist ein Licht, das den Gläubigen innerlich erleuchtet und ihn die Wahrheit Gottes erkennen lässt,“ erklärt Weimann. Und: „So ist die Hinkehr zur Wahrheit die Grundbedingung des Christseins. Durch sie wird der Weg erkennbar, der zu Gott führt.“
Ich habe dieses Buch mit großem Gewinn zweimal gelesen und empfehle es gerne allen weiter, die im Dickicht der widersprüchlichen Äußerungen unserer Tage nach einem Halt ausschauen  und „sich auf den Weg machen, um die befreiende Kraft der göttlichen Wahrheit zu suchen.“
Christof Gaspari
Klarheit durch die Wahrheit – Beiträge zur Erneuerung des Glaubens und der Kirche. Von Ralph Weimann. media maria, 160 Seiten, 18,50€.

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