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Die Lukas-Ikone: das erste Marienbild

Artikel drucken (Christian Dick)
 
   

In seinem jüngsten Buch hat Paul Badde ein höchst spannendes Werk über Maria vorgelegt, wie es noch nie geschrieben wurde. Außerdem  ist es ein komplexes Werk aus vielen Büchern, in dem uns der ehemalige Jerusalem- und Rom-Korrespondent der  Welt mitnimmt auf die längste Recherche seines Lebens durch eine bewegende Bildergalerie, wo uns Badde am Ende zu der kostbarsten Ikone der Welt hinführt, die der heilige Evangelist Lukas auf dem Zionsberg Jerusalems „geschrieben“ hat, wie es in der orthodoxen und orientalischen Christenheit heißt. Dass diese Behauptung in der Fachwelt der Kunsthistoriker als absurd gilt, ficht den Autor nicht an.
Dass sie unglaublich ist, weiß er selbst, doch sie ist auch nicht unglaublicher als unser Credo, wie er sagt, in dem wir bekennen, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde in Maria einen Leib annahm, um der Menschheit für immer das „menschliche Angesicht Got­tes“ zu zeigen, wie es Papst Benedikt XVI.  immer wieder sagte.
In diesem Bordbuch seiner Reisen nimmt er uns nicht  nur zu aufregenden Streifzügen durch Roms Katakomben mit und zum Pantheon, dem Petersdom oder der Basilika Santa Maria Maggiore sowie zu den großen Museen der Weltkultur von Wien bis New York, sondern  auch in die Tiefen der Weltgeschichte, wo er darlegt, wie sie von der Geschichte Israels und der Christenheit unvergleichlich befruchtet wurde.
Dabei macht er auch deutlich, welch ungeheurer Tabubruch die erste Ikone der Got­tesmutter aus der Hand des Evangelisten Lukas war. Denn Lukas war zwar ein geborener Nichtjude aus Antiochia, der die zehn Gebote nicht wie Paulus und die Apostel mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Da hieß es nämlich im 2. Gebot kategorisch: „Du sollst dir kein Got­tesbild machen, keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“
Das aber war bei Maria ganz anders, der Mutter Jesu, die eine gottesfürchtige Jüdin und Tochter Israels war, die sich wie ihr Sohn an das Gesetz vom Sinai gebunden fühlte. Auch sie wusste natürlich, dass es im Judentum sogar an der Bundeslade bildliche Darstellungen gab. Doch eines war vollkommen unmöglich:  Abbildungen von Menschen. Denn Menschen galten als Abbilder Gottes. Die durften deshalb keinesfalls dargestellt werden!
Bis heute finden sich deshalb in Jerusalem – etwa im Gegensatz zu Rom – keine antiken Darstellungen von Menschen! Es wären allesamt Gotteslästerungen gewesen.
Umso umstürzender müssen wir uns deshalb die Entscheidung vorstellen, dass ausgerechnet Maria selbst dem Evangelisten Lukas die Erlaubnis gegeben haben muss, sie in einem Porträt in hellenistisch-nahöstlicher Wachs­technik (Enkaustik) zu malen. Gefallen war damit für immer im erweiterten jüdischen Raum der Christenheit das Bilderverbot. Es war der Ursprung der Welt unserer Bilder, im Grunde das erste Evangelium des Lukas und das Fundament aller Marienverehrung in der gesamten Christenheit. Und weil dieser Akt der Malerei ein intimer und zeitraubender Prozess war, bei dem Maria und Lukas sicher viel miteinander gesprochen haben, darf es uns nach den Worten Paul Baddes nicht wundern, dass Lukas in seinem Evangelium mehr als andere Evangelisten von der Kindheit Jesu erzählt, in Details, die er nur von der Mutter erfahren haben konnte.
Danach legt Badde in überzeugend faszinierenden Analogie­schlüssen dar, dass wir uns diesen revolutionären Akt nur an einem Ort und zu einer Zeit vorstellen dürfen: dem Apostelkonzil auf dem Zionsberg in Jerusalem im Jahr 48, 15 Jahre nach der Himmelfahrt Jesu, als Paulus und Lukas, die aus Antiochia hier hinaufgezogen kamen, erstmals  auf Maria trafen. Das letzte Abendmahl hatte hier stattgefunden und 50 Tage später das erste Pfingstfest. Jetzt schuf Lukas hier oben – mit Zustimmung der Gottesmutter! – in der Ikone Marias das ers­te Portrait eines Ebenbildes Got­tes. Und diesen Akt müssen wir uns wohl als Auftakt des Apostelkonzils vorstellen, wo es nach den Worten des Evangelisten hieß: „Es hat dem heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzulegen“. Das war die bahnbrechende Formel, mit der die Apostel die junge Kirche Christi allen Nichtjuden auf der universalen Welt geöffnet haben.
Noch bewegender aber als die Entdeckung dieser sagenhaften Ikone hinter dem Gitter eines verborgenen Klosters der Dominikanerinnen schildert Badde am Ende eine Erfahrung, die er hier immer wieder vor ihr macht: das „Glück des Gebets“.
Christian Dick
Die Lukas-Ikone. Von Paul Badde. Christiana, 272 Seiten, 20,40 €


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