VISION 20005/2024
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Die Zukunft liegt in Gottes Hand

Artikel drucken Über die Herausforderungen, denen sich Christen heute zu stellen haben – ein Denkanstoß (Von Charles J. Chaput, OFMCap)

In einem Vortrag ging der Autor auf die Frage ein, wie man als Christ in der heute so radikal veränderten Welt (siehe Kasten), die es zu verändern gilt, bestehen könne. „Wir haben dabei allen Grund, auf Gott zu vertrauen und in Ihm Hoffnung zu finden,“ erklärt der Bischof zuversichtlich.

 
Erzbischof Chaput: „Die  Zukunft gehört Leuten
mit Kindern, nicht jenen mit materiellen Dingen.“
 

Was sollen wir also in unserer Situation machen? Wie können wir gewissenhaft nach dem Evangelium leben in so einer völlig neuen Kultur? Es ist Teil unserer amerikanischen DNS, einen ausgeklügelten strategischen Plan haben zu wollen, um der Kirche wieder jenen Einflussbereich zukommen zu lassen, den sie früher hatte. Aber Kulturen sind keine Unternehmen oder mathematische Aufgaben. Sie sind lebende Organismen. Es gibt keine schnelle Lösung der Probleme, die wir selbst verursacht haben. Denn die Kultur, die wir haben, ist eine Kultur, die wir durch unsere Begehrlichkeiten, Zerstreuungen und Kompromisslösungen entstehen ließen.
Der einzige Weg, neues Leben in einer Gesellschaft zu schaffen, wird dadurch erreicht, indem wir unser Leben in Freude leben und fruchtbar sind, als Individuen, die von Überzeugungen geleitet werden, die größer sind als wir und geteilt werden mit Leuten, die wir kennen und lieben. Es ist ein Weg, der sehr einfach und sehr schwierig zugleich ist. Aber es ist der einzige Weg, um eine nachhaltige Änderung herbeizuführen.
Wenn junge Leute mich fragen, wie man die Welt verändern kann, so sage ich ihnen, sie sollen einander lieben, heiraten, einander treu bleiben, viele Kinder haben und diese Kinder im christlichen Glauben zu Männern und zu Frauen erziehen. Der Glaube ist eine Saat. Sie geht nicht über Nacht auf. Es erfordert Zeit und Liebe und Mühe. Geld ist wichtig, aber es ist niemals das Wichtigste im Leben. Die Zukunft gehört den Leuten mit Kindern, nicht jenen mit materiellen Dingen. Dinge rosten und gehen kaputt. Aber jedes Kind ist ein Universum an Möglichkeiten, das bis in die Ewigkeit reicht, und unsere Erinnerung und unsere Hoffnungen auf ein Zeichen der Liebe Gottes über die Generationen hinweg verbindet. Das ist es, was wichtig ist. Darauf kommt es an. Die Seele eines Kindes ist für immer – für die Ewigkeit.
(…) Die Hölle wurde auf viele Arten beschrieben, angefangen von einer seelenlosen Bürokratie, einem feuerlodernden Ofen, bis hin zu einem Eissee. Aber ich glaube, C.S. Lewis hat die Hölle in seinen Romanen am besten beschrieben, wenn er sagt, dass die Hölle der Lärm ist. Wenn das wahr ist, und ich denke, das ist es, dann machen wir viel von unserem modernen Leben, das wir teilen, auch dadurch zur Hölle, indem wir Zwietracht säen, Verwirrung stiften und unser Leben mit Lärm füllen. An jedem Tag ist jede einzelne unserer Entscheidungen ein Ziegelstein im Bau des Himmels oder der Hölle, den wir für uns im nächsten Leben errichten. Und wir werden das niemals verstehen, wenn wir nicht den Lärm abschalten, der uns mit all unseren Konsumängsten und -begierden einhüllt.
Ruhe ist das Wasser in der Wüs­te der modernen Sehnsucht. Gott sprach zu Elijah nicht in der Majestät des Sturmes, sondern mit leiser Stimme, die man nur in der Stille hört. Wenn Kardinal Robert Sarah über „die Kraft der Stille“ schreibt – sein Buch Die Kraft der Stille ist im Übrigen grandios – erinnert er uns daran, dass Gott die Welt erneuert, indem Er zuerst jede einzelne, wertvolle und unsterbliche Person in der Ruhe seiner oder ihrer Seele erneuert. Gott ist nicht außerhalb der Welt. Wir machen es nur unmöglich, Ihn zu hören. Daher ist die wichtigste Aufgabe eines christlichen Lebens heutzutage, den Stecker herauszuziehen, die Stille, die es uns ermöglicht, Gottes Stimme zu hören, herauszufiltern, und damit Raum zu schaffen für das Gespräch, das wir Gebet nennen.
Wenn wir nicht beten, können wir Gott weder verstehen noch lieben. (…)
Aus diesem Grund müssen wir Ruhe schaffen. Wir müssen beten. Und wir müssen lesen – vor allem das Wort Gottes, aber auch unsere Geschichte, Biographien und gute Literatur in Form großartiger Romane. Wenn wir nicht lesen, verdammen wir uns selbst zu einer chronischen Torheit und fallen einer Konditionierung durch die Massenmedien, die kein Verständnis für unseren Glauben haben, leichter zum Opfer. (…) Der Punkt ist der: Wenn wir unsere Köpfe mit Gift und Schrott zumüllen, schaden wir uns selbst, indem wir uns dumm und sprachlos, und somit letztlich wütend machen.
Zu guter Letzt sollten wir kritisch gegenüber der Welt sein, mit einem offenen Auge durch die Welt gehen, und sie gleichzeitig mit unserem Glauben befüllen. Das bedeutet, dass wir unsere christliche Mission, die ein wichtiges Zeichen der christlichen Nächstenliebe ist, energisch und mit voller Kraft vorantreiben müssen. Das bedeutet aber auch, dass wir beginnen müssen, uns politisch zu engagieren und damit nicht aufhören dürfen, politisch aktiv zu bleiben. Wir können nicht den Himmel auf Erden herab holen. Aber wir können diese Welt zumindest ein bisschen liebevoller, freier, barmherziger und gerechter machen, einfach und allein schon durch unser missionarisches Auftreten in der Öffentlichkeit.
(…) Die Worte des Evangeliums erinnern uns daran, dass die Zukunft Gott gehört. Und wir sollten dem Heiligen Geist vertrauen, der uns zum Geist der Wahrheit führt. Wir brauchen keine Angst vor der Zukunft zu haben. Wir müssen die Zukunft nicht kennen, bevor sie da ist. Was wir jedoch brauchen, ist das Vertrauen in den Herrn, und wir sollten unsere Herzen öffnen für den Vater, der uns liebt. Die Zukunft liegt in Seiner Hand.
Ich werde meinen Vortrag mit einer Geschichte abschließen: Eine Freundin von mir war Studentin in Frankreich 1967/68 an der Katholischen Universität des Westens[7]. Eines Tages besichtigte ihre Klasse ein Schloss im Loire-Tal. Die Dozentin führte sie in einen Saal mit einem riesigen Stück Stoff, der viele Meter von einer Wand zur anderen hing. Und auf diesem Stoff waren Hunderte hässliche Knoten und ein richtiges Gewirr an einzelnen Fäden, die gleichzeitig ein Chaos verschiedener Formen miteinander bildeten, die aber alle zusammen keinen Sinn ergaben. Und die Dozentin sagte, „Das ist genau das, was auch der Künstler gesehen hat, als er an diesem Kunstwerk gearbeitet hat.“
Dann führte sie meine Freundin und ihre Klasse zur Vorderseite des Stoffes. Und was sie sahen, ist der wunderbare Wandteppich der Apokalypse des Johannes, der Geschichte der Offenbarung des Johannes in 90 gewaltigen Tafeln. Geschaffen wurde dieses Kunstwerk zwischen 1377 und 1382. Es ist eines der atemberaubendsten und schönsten Kunstwerke des Mittelalters und gehört zu den größten künstlerischen Errungenschaften des europäischen Erbes.
Was die Dozentin damit sagen wollte: Wir sehen nicht alle Folgen unserer guten Taten in unserem Leben. So vieles, was wir machen, scheint ein Wirrwarr an Frustrationen und Misserfolgen zu sein. Wir sehen auf dieser Seite des Gobelins nicht das Muster bzw. die Bedeutung, die unser Glaube webt. Aber eines Tages werden wir auf der anderen Seite stehen. Und an diesem Tag werden wir die Schönheit erkennen, die Gott uns zu seiner großen Schöpfungsgeschichte hinzufügen ließ, die Offenbarung seiner Liebe, über alle Zeiten hinweg, egal ob es gute oder schlechte Zeiten sind. Und deshalb ist unser Leben bedeutsam.
Daher sage ich euch: Bewahrt euch den Glauben. Vertraut dem Herrn. Und glaubt an seine Liebe.

Charles J. Chaput, OFMCap

Ansprache im Rahmen der Konferenz des Napa Instituts – Was kommt als Nächstes: Katholiken, Amerika und eine neue Welt  am 27.7.2017 zitiert in www.ief.at
https://www.ief.at/erzbischof-cha
puts-ansprache-im-rahmen-der-konferenz-des-napa-instituts-was-kommt-als-naechstes-katholiken-amerika-und-eine-neue-welt/



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