Mit der heutigen Katechese möchte ich daran erinnern, dass die Kirche bereits eine Symphonie von Gebeten besitzt, deren Komponist der Heilige Geist ist, und zwar das Buch der Psalmen.
Wie bei jeder Symphonie gibt es darin verschiedene „Sätze“, also verschiedene Arten von Gebet: Lobpreis, Dank, Bitte, Klage, Erzählung, weisheitliche Reflexion und andere, sowohl in der persönlichen als auch in der gemeinschaftlichen Form des ganzen Volkes. Es sind die Gesänge, die der Geist selbst der Braut, der Kirche, in den Mund gelegt hat. Alle Bücher der Bibel sind, wie ich beim letzten Mal in Erinnerung gerufen habe, vom Heiligen Geist inspiriert, aber das Buch der Psalmen ist es auch in dem Sinne, dass es voll poetischer Eingebung ist.
Die Psalmen hatten einen besonderen Platz im Neuen Testament. Es gab und gibt deshalb noch immer Ausgaben, die das Neue Testament zusammen mit den Psalmen enthalten. Auf meinem Schreibtisch liegt eine Ausgabe des Neuen Testaments mit den Psalmen auf Ukrainisch, von einem Soldaten, der im Krieg gestorben ist. Sie wurde mir zugesandt; er betete an der Front mit diesem Buch. (…) Was uns am meisten ans Herz legt, die Psalmen wertzuschätzen, ist die Tatsache, dass sie das Gebet Jesu, Marias, der Apostel und aller christlichen Generationen vor uns waren. Wenn wir sie beten, hört Gott sie in jener großartigen „Orchestrierung“ an, die die Gemeinschaft der Heiligen ist. Dem Brief an die Hebräer zufolge tritt Jesus mit einem Psalmvers im Herzen in die Welt ein: „Siehe, ich komme (…), um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7; vgl. Ps 40,9); und Er verlässt die Welt, dem Evangelium nach Lukas zufolge, mit einem weiteren Vers auf den Lippen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46; vgl. Ps 31,6).
Auf den Gebrauch der Psalmen im Neuen Testament folgt der Gebrauch durch die Kirchenväter und die ganze Kirche, die sie zum festen Bestandteil der Feier der Messe und im Stundengebet macht. Der heilige Ambrosius sagt: “Die ganze Heilige Schrift atmet die Güte Gottes, besonders aber das liebliche Buch der Psalmen“.
Ich frage mich: Betet ihr manchmal die Psalmen? Nehmt die Bibel und betet einen Psalm. Wenn ihr zum Beispiel etwas traurig seid, weil ihr gesündigt habt, betet ihr dann den Psalm 51? Es gibt viele Psalmen, die uns helfen voranzugehen. Macht es euch zur Gewohnheit, die Psalmen zu beten; ich versichere euch, dass ihr am Ende glücklich sein werdet.
Aber wir können nicht nur vom Erbe der Vergangenheit leben: Wir müssen die Psalmen zu unserem eigenen Gebet machen. Jemand hat geschrieben, dass wir gewissermaßen selbst zu „Autoren“ der Psalmen werden müssen, indem wir sie uns zu eigen machen und sie beten. Wenn es Psalmen oder auch nur Verse gibt, die zu unserem Herzen sprechen, dann ist es schön, sie im Laufe des Tages zu wiederholen und zu beten. Die Psalmen sind Gebete „für alle Jahreszeiten“: Es gibt keinen Gemütszustand und keine Not, die nicht in ihnen die besten Worte finden, um sie in Gebet zu verwandeln. Im Unterschied zu allen anderen Gebeten verlieren die Psalmen nicht an Wirkkraft, wenn sie ständig wiederholt werden. Im Gegenteil: Es verstärkt sie. Warum? Weil sie von Gott inspiriert sind und Gott „atmen“, jedes Mal, wenn man sie mit Glauben liest.
Auszug aus der Ansprache bei der
Generalaudienz am 19. 6.24