VISION 20002/1990
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New Age

Artikel drucken (Franz Dieter Erlach)

New Age oder Light Age- ein neues Zeitalter soll anbrechen, ein nachchristliches. Viele sind überzeugt, es bahne sich unaufhaltsam den Weg: Frieden werde unter den Menschen herrschen und mit der Natur. Es sind nicht die Schlechtesten, die sich für das vielfältige Angebot an Ideen, Praktiken und Lebensregeln des New Age interessieren. Viele sind Suchende, haben die Oberflächlichkeit und Sinnlosigkeit des modernen Lebens satt. Und es sind wohl auch die Begeisterungsfähigen und jene, die bereit sind, umzudenken. Genau genommen sind wir alle betroffen und wir Christen herausgefordert, Antwort zu geben.

New Age ist der Sammelbegriff für eine seit den siebziger Jahren hervortretende geistige Bewegung, die für einen grundlegenden Wandel in der kulturellen und gesellschaftlich herrschen den Weltanschauung eintritt. Sammelbegriff deshalb, weil es sich - zumindest derzeit noch - um keine zentral gesteuerte Bewegung handelt, sondern um eine Vielzahl von Einzelinitiativen, Gruppen und weltanschaulichen Gemeinschaften, die allerdings durch eine gemeinsame Idee und ein gemeinsames Ziel verbunden sind.

New Age ist eine Gegenbewegung zum zerstörerischen Industrialismus und dem Wahnsinn der nuklearen Hochrüstung, die die Welt an den Rand der Vernichtung treiben. Es ist daher eine Bewegung der Entmodernisierung, die eine “Wende des Denkens” bzw. einen “Bewußtseinswandel” anstrebt. Der Aufbruch in die Zukunft soll von der Selbstbestimmung des Menschen und seiner Aussöhnung mit der Natur geprägt sein.

New Age bedeutet “Neues Zeitalter”, und zwar ist konkret das “Wassermann-Zeitalter” gemeint, das nach den Denkvorstellungen der Astrologie das auslaufende, vom Christentum geprägte “Fische-Zeitalter” ablöst. Die astrologischen Zeitalter sind vom Wandern des Frühlingspunktes der Sonne im Tierkreis bestimmt und dauern jeweils rund 2100 Jahre. Damit kommt bereits zum Ausdruck, daß für die Vertreter dieser neuen Weltanschauung Begriffe und Denkweisen aus Esoterik und Astrologie eine wichtige Rolle spielen.

Die entscheidenden geistigen Wurzeln des "Neuen Zeitalters" sind eigentlich uralt, d.h. teilweise älter als das Christentum. Es sind dies vor allem die Weltanschauungen der Gnosis, der Esoterik sowie fernöstlicher Religionen, wie Buddhismus und Hinduismus. Unter Gnosis versteht man eine in der Antike entstandene und immer wiederkehrende religiöse Denkweise, in der sich der Mensch in seiner letzten Wahrheit, d.h. in seiner göttlichen Natur wieder in den Griff bekommen will (siehe Gnosos und Esoterik).

“Esoterik” ist ein “verborgenes” oder“ geheimes” Wissen, das nur in kleinen Kreisen verbreitet wurde und nur in verschiedenen Stufen der “Einweihung” schritweise äufgenommen werden kann. Esoterisch ist nicht nur das geheime Wissen um die Verflochtenheit des Menschen mit der geistigen, transzendentalen Welt, sondern auch die Anwendung dieses Wissens, also der Umgang mit Astrologie, Magie und allen “okkulten” Phänomenen ...

Ein bedeutsames Neuaufflammen in der abendländischen Welt und gleichzeitig ein erster Schritt zu einer Synthese geschah mit der Gründung der Theosophischen Gesellschaft im Jahr 1875 durch die Russin Helena Petrowna Blavatsky. Die Theosophische Weltanschauung war nicht nur die bedeutendste Vermittlerin zwischen den westlichen okkulten und den östlichen religiösen Überlieferungen, sie nahm auch bereits den Versuch einer Verbindung von moderner Wissenschaft und alten religiösen Traditionen vorweg. Der bei uns bekannteste Vertreter dieser Denkrichtung, Rudolf Steiner, der bis 1913 Generalsekretär der deutschen Sektion der Theosophie war, gründete später auf der Basis seiner eigenen Einsichten die Anthroposophische Gesellschaft.

Das Bedeutsame am theosophischen Gedankengebäude ist, daß in ihm sämtliche Religionsstifter und großen geschichtlichen Persönlichkeiten der Erde in ein gememsames Schema einer göttlich-kosmischen Hierarchie gebracht wurden, in der beispielsweise der “irdische Jesus” als eine “Reinkarnation Krishnas” betrachtet wird.

Eine der Zentralfiguren der New-Age-Philosophie war Alice Bailey. Der Begriff "Wassermann-Zeitalter” als einem Wendepunkt in der Evolution des menschlichen Bewußtseins vom Materialismus zur Geistigkeit geht in dieser Ausprägung auf Bailey zurück; sie legte diese Lehre in ihrer Schrift “Die Wiederkunft Christi” (1948) dar (zutiefst christliche Vorstellungen werden ins Gegenteil verkehrt: Christus als Lehrer der Selbsterlösung!). Von dort fanden diese Ideen Eingang in die Jugendkultur Amerikas, die sich über Film und Platte über die ganze Welt verbreitete; der Begriff des Wassermann-(Aquarius-)Zeitalters wurde durch das Musical “Hair” weltbekannt.

Die von Kalifornien ausgehende Hippie- und Drogenbewegung mit ihrem Bild vom neuen, schöpferischen Menschen war der entscheidende Wegbereiter der sich heute vollziehenden "Trendwende”. Von den offenbar doch zerstörerischen Folgen des Drogenkonsums kam man dabei bald zu gefahrloseren Mitteln der Bewußtseinserweiterung, vor allem in den Formen fernöstlicher Meditation. Die Gurus aus dem Osten traten auf, um dem neuen Bedürfnis nachzukommen, damit verbunden eine Reihe neuer Sekten. Parallel zum neuen Interesse der Jugend an Mystik und Okkultismus war aber auch in der übrigen Gesellschaft ein richtiger Esoterik- und Okkult-Boom ausgebrochen. Themen, die man noch vor wenigen Jahren nicht ernst genommen hätte, wie Magie, Ufologie, Astrologie, Tarrot, Alchemie, Hexen- und Mutter-Erde-Kulte, Schamanismus und "Psi” erfreuen sich steigenden Interesses in der Bevölkerung. Die in den sechziger Jahren einsetzende Ökologie-Bewegung mit ihrer Infragestellung der technisch-materiellen Kultur und dem Hinweis auf die Verflochtenheit aller Vorgänge auf der Erde ist als eine Tendenz anzusehen, die der profan/wissenschaftlichen Seite des New Age-Bewußtseines vorausging. Die entscheidende Entwicklung verlief allerdings in den Erkenntnissen der Wissenschaft selbst. Die Atomphysiker hatten die Bausteine der Materie mit ungeheurem Energieaufwand in immer kleinere Teilchen zerlegt, und plötzlich standen sie vor dem Nichts, das heißt vor der Erkenntnis, daß Materie eigentlich nichts anderes als in Struktur gepreßte Energie ist.

Nachdem er von seinem Elternhaus her mit der Anthroposophie und damit dem esoterischen Weltbild bereits vertraut war, stellte Fritjof Capra im Hinblick jof Capra auf die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse eine Übereinstimmung zwischen dem sich damit auftuenden wissenschaftlichen Weltbild und den Traditionen vor allem östlicher und archaischer Religionen fest.

Mit Capras Büchern war die Verschmelzung von Wissenschaft und Esoterik “wissenschaftlich” vollzogen und wie nach der Vereinigung von Ei- und Samenzelle begann nun ein neuer, höherer Organismus sprunghaft zu wachsen. Es war die Stunde Null für die heutige New-Age-Bewegung. Plötzlich waren alle esoterischen Richtungen und Gruppen salonfähig geworden. Aus vielfach gemiedenen Außenseitern wurden Apostel des Bewußtseins des neuen Zeitalters. Auf heutigen New-Age-Kongressen bewegen sich Schamanen, Lamas und Gurus ganz selbstverständlich neben hohen UNO-Diplomaten. Es ist vielleicht übertrieben, Fritjof Capra als “Vater” der heutigen New-Age-Bewegung zu bezeichnen, waren die geistigen Grundlagen ja schon vorhanden. Tut man es aber im Hinblick auf seine Vereinigungsfunktion, dann muß man wohl die Wissenschaftsjournalistin Marilyn Ferguson als die “Mutter” der Bewegung ansehen.

In ihrem Buch “Die sanfte Verschwörung”, das neben Capras “Wendezeit” als das Handbuch des New Age bezeichnet wird, legt sie die Strategie der schrittweisen "Transformation” des menschlichen Bewußtseins in weltweitem Maßstab vor.

Der “Einweihungsweg” in das neue Bewußtsein geht für den einzelnen vom “Einstieg” über “Erforschung” und “Integration” bis zur Stufe der “Verschwörung”, in der der Mensch sein eigenes Selbst übersteigende geistige Kraftquellen für den Dienst an der Sache nutzbar macht. Die Verwirklichung ihres Programms hat die Human-Potential-Bewegung übernommen, die auf der Basis verschiedener Formen von “Psychotechniken” auch bereits bei uns wirksam ist.

Franz Dieter Erlach, Auszug aus Omega 1/1987

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