VISION 20002/1990
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... und wir Christen?

Artikel drucken (Christof Gaspari)

Wenn weltweit so viele Menschen sich einer neuen Heilslehre zu­wenden, so sollte dies für uns Christen Alarm­stufe 1 sein. Die Attraktivität der neuen Religiosität sollte daher Anlaß für eine Gewissens­erforschung sein.

New Age spricht viel von Ganzheit, von ganzheit­licher Erfahrung, weist darauf hin, daß der Mensch nicht nur von Verstand geleitet ist, öffnet für die Gefühlsdimension. Kommt das bei uns Christen nicht zu kurz? Wird Freude in unseren oft allzu nüch­ternen Gottesdiensten, in denen das Wort dominiert, spürbar? Wird Glauben nicht allzu sehr mit theologischem Wissen ver­wechselt? Ist unsere Theologie nicht allzu verkopft?

Dann die Sehnsucht nach Medi­tation: als ganzer Mensch mit Leib, Seele und Geist vor Gott still zu werden, ist das nicht urei­genes Anliegen der Botschaft Christi? Sollten wir nicht die vergrabenen Schätze christlicher Mystik, Meditation als Gespräch mit Gott, wiederentdecken - und daraus leben?

"Lebt eure Überzeugungen, und ihr könnt die ganze Welt aus den Angeln heben", sagt Marilyn Ferguson den Anhängern der "sanften Verschwörung". Hier hat sie recht! Aber ist das so neu? "Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzu­gegeben", hat uns Jesus verhei­ßen. Nur: Vertrauen wir Christen dieser Zusage wirklich? Sind wir von der weltverändernden Macht des Gebets überzeugt oder nicht viel eher geneigt, das einfache Beten "alter Weiblein" zu belä­cheln?

Und zuletzt: Wie steht es um die Verantwortung der Christen für die Schöpfung? Heute entsteht vielfach der Eindruck, nur die "Grünen" setzten sich diesbezüglich ein. Haben nicht allzu viele Christen schon seit langem darauf verzichtet, ihre Anliegen ansprechend in der Öffentlich­keit zu vertreten, in der Wissen­schaft, der Politik, am Arbeits­platz? Ist Glauben nicht immer noch in der Überzeugung vieler eine reine Privatsache?

Schon diese bruchstückhafteAufzählung von New-Age-An­liegen macht deutlich, daß hier eine Lücke gefüllt wird, die nicht zuletzt durch unser Versagen, durch die Schuld der Christen gerissen worden ist.

Damit ist aber das ganze Phäno­men auch wieder nicht ausrei­chend beschrieben. Gewissens­erforschung ist angebracht, ebenso aber auch nüchterne Deutung der Zeichen der Zeit: New Age gibt falsche Antworten auf berechtigte Fragen. Es lebt vom sich abzeichnenden Schei­tern des rein materialistischen Fortschrittskonzepts: von den Grenzen der naturwissenschaft­lichen Einsicht, von den Grenzen des industriellen Wachstums, von der überzogenen Rationali­sierung und Vermännlichung unserer Gesellschaft, von der sich breit machenden "no futu­re"-Gesinnung. Dem um sich greifenden Pessimismus wird ein unumstößlicher, weil kosmischen Gesetzmäßigkeitenfol­gender Optimismus entgegenge­setzt. Und das soll die Menschen nicht anziehen?

Inwiefern sind die New-Age­ Antworten aber falsch? Weil sie im Grunde genommen denselben Grundansatz haben wie das gott­lose Industriezeitalter, das sie zurecht kritisieren. Sie treiben im wahrsten Sinne des Wortes Teu­fel mit Beelzebul aus: New Age ist Selbsterlösung mit neuen Re­zepten. Es kritisiert Mißbräuche der modernen seelenlosen appa­rativen Medizin, verkündet als Allheilmittel: Bachblüten, Mas­sagen, Geistheilungen ... - und er­zeugt damit neue Unfreiheit. Es kritisiert die mangelnde Berück­sichtigung der psychischen Di­mension des Menschen durch eine seelenlose Wissenschaft und bietet als Alternative Koch­rezepte für Innenweltsanierung (Yoga, Zen-Meditation, Ent­spannungstechniken ...) - und wirft den Menschen damit auf sich selbst zurück, statt ihn für andere zu öffnen. Es kritisiert den Transzendenzverlust unse­rer Zeit und bietet Mechanismen der "Beherrschung" des eigenen Schicksals durch Zugriff auf die geistige Welt (Kartenlegen, Pen­deln, Orakel, Tischerücken,...) - und versucht, nach dem Diesseits auch noch die Transzendenz zu vereinnahmen. Es erfüllt ein Transzendenzbedürfnis - ohne persönliche Umkehr.

Und damit wird die Sache dramatisch und gefährlich. Denn der Mensch hat allen Grund, sich vor dem Eindringen in die Welt der Geister zu hüten. In grenzenloser Naivität dringen viele heutein den übersinnlichen Bereich vor und rechnen damit, daß sie dort nur dem Göttlichen begegnen können. Eine Theologie, die längst den Teufel abgeschafft hat, bestärkt den modernenMenschen noch in diesem Irr­glauben. Und so wird New Age auf kürzeren oder längeren Umwegen zum Einstieg für eine geistige Bindung an den Wider­sacher.

New Age ist also eine Gefahr, damit aber auch eine Herausfor­derung. Nützen wir die Chance, die die Abkehr vom Materialis­mus bietet, nützen wir die neue Sehnsucht nach Gott, die Suche nach neuer Orientierung in einer Welt, die zunehmend trostlos wird. Bringen wir ihr die Bot­schaft von Jesus Christus, dem einzigen, bei dem wirklich Trost zu finden ist. Seiner Faszination werden die wirklich Suchenden nicht widerstehen können.

Christof Gaspari

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