VISION 20002/1990
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Zur Heilung berufen

Artikel drucken Briege McKenna: Eine Lehrerin für Priester (Luc Adrian)

"In einer Zeit, in der manche Frauen für sich die Priesterweihe verlangen, hat sie ein besonderes Apostolat unter sehr vielen Priestern ausgeübt. Ich wage die Behauptung aufzu­stellen, daß bisher wohl keine Frau das Leben so vieler Priester verändert hat wie Schwester Briege", stellt Pater Sullivan, ein US-amerikanischer Jesuit, fest. Er hat zahlreiche Einkehrtage und Exerzitien mit ihr gestaltet. Seiner Meinung nach gab es bis­her in der Kirche noch keine Frau, die zu jenem Dienst beru­fen war, den Schwester McKen­na nun seit 10 Jahren ausübt.

Sie ist in Irland zu Pfingsten 1943 geboren. Nach dem Tod ihrer Mutter beschließt sie mit 13 Jahren, ins Kloster zu gehen ... Damals ist sie von einer Stimme getröstet worden: "Fürchte dich nicht, ich sorge für dich."

Mit 14 klopft sie an die Pforte des Clarissen-Klosters in Newry, ihrem Geburtsort. "Komm etwas später wieder", gibt ihr Mutter Agnes zur Antwort. Mit 15 ist Briege aber dann Novizin. Sie sieht ihren Vater, einen gestan­denen Bauern, zum ersten Mal weinen, als man ihr die Locken abschneidet.

Sechs Jahre später - sie ist mitt­lerweile Lehrerin in Tampa, Flo­rida - fesselt sie eine zu spät er­kannte, fortschreitende Polyarth­ritis an den Rollstuhl. Sie leidet unter starken Schmerzen. Ihr geistliches Leben gerät in Krise: Lauheit und Zweifel. "Eines Tages aber, vor dem Allerheilig­sten, habe ich gesagt: Herr Jesus, um jeden Preis will ich Dir be­gegnen. Erst an diesem Tag hat meine geistliche Suche wirklich begonnen."

Am 9. Dezember 1970 wird sie während einer Einkehr geheilt. Sie hatte nicht danach verlangt.

"Ich kann mich genau erinnern. Ich schaute die Pendeluhr an, schloß die Augen und betete: "Jesus, hilf mir, ich bitte Dich". Im selben Moment merkte ich, wie sich eine Hand auf meinen Kopf gelegt hat. Ich dachte, der Priester sei hinter mich getreten und öffnete die Augen. Es war niemand da. Aber ich spürte eine Kraft meinen Körper durchdrin­gen. Ich schaute mich an: Meine starren Finger waren beweglich geworden. Die Füße in meinen Sandalen waren nicht mehr ver­formt. Ich habe einen Satz ge­macht und geschrien: "Jesus, du bist da, mitten unter uns!"

Von diesem Tag an habe ich nie mehr unter der Polyarthritis ge­litten. Ich war wunderbar geheilt worden. Aber in meinem Inneren hatte sich noch weit mehr als in meinem Körper geändert." Noch am selben Tag wird ihre Sicht von der Kirche von Grund auf verändert: "Es war als sähe ich die Eucharistie und das Sa­krament der Versöhnung mit neuen Augen. Viel klarer er­kannte ich die unendliche Liebe, die uns Gott entgegenbringt."

Aber eine Angst macht sich breit: Diese Heilung ist belastend. Briege spürt, daß ihr mehr als nur ihre Heilung geschenkt worden ist: nämlich die Gabe zu heilen. Diese Gabe droht, ihr Leben durcheinander zu bringen, ihren Ruf zu gefährden.

"Ich werde niemandem etwas sagen", denkt sie, "jeder meint, sonst ich sei überdreht. Herr, ich mache ohnedies schon so viel: Ich unterrichte in der Volksschu­le, leite eine Jugendgruppe und kümmere mich um Strafgefange­ne. Du kannst doch nicht mehr von mir verlangen."

In der Kapelle von Tampa am Vorabend von Pfingsten 1971 wird sie aber an ihre Gabe erin­nert. Eine Stimme sagt ihr klar und deutlich: "Ich habe dir die Gabe der Heilung gegeben. Geh und mache davon Gebrauch." "Jesus, ich will diese Gabe nicht", gibt Briege zur Antwort. Zeichen der Vorsehung, verblüf­fende Begegnungen, der Rat ei­nes Priesters erschüttern aber ihre Entscheidung. "Menschen wurden gesund, wenn ich für sie gebetet habe. Ich konnte aber trotzdem nicht daran glauben, daß sich Jesus meiner Person bediente. Ich dachte, zuerst müs­se ich mich vollständig wandeln und vollkommen werden. Also mußte ich zuerst begreifen, was Er als die schwerste Krankheit ansah: die Sünde."

Die Heilung einer mit Gott hadernden, blinden und gelähmten Frau bringt Schwester McKenna zu der Einsicht, daß die "innere Heilung die wichtigste ist. Wo der Geist nicht geheilt ist, der Mensch sich Jesus nicht nähert, wozu soll da die physische Hei­lung gut sein?" Jenen, die sie nur um körperliche Heilung bitten, antwortet Briege heute schlag­fertig: "Ihre Augen und ihre Bei­ne werden sie nicht brauchen, um in den Himmel zu kommen, wohl aber eine gesunde Seele."

Sommer 1972 und Ferien in Ir­land: Beim Beten in der Kathe­drale hat sie die Vision eines rie­sigen Telephons über dem Ta­bernakel. "Erst dachte ich an eine Ablenkung, wollte das Bild aus meinem Geist verjagen. Aber da waren diese Worte unter dem Telefon: “Es ist ein Mittel der Kommunikation. Auch ich kann es benützen. Die Menschen werden dich hören, aber erfahren werden sie meine Gegenwart.” Der Versuch überzeugt sie. Briege betet am Telefon und mehrere Personen werden auf Distanz geheilt.

Während einer Einkehr in Birmingham faßt Briege den Vorsatz, täglich drei Stunden zu beten: “Ich brauche Jesus dringender als mich die Leute brauchen. Wenn ich nicht bete, habe ich nichts anzubieten. Es mag schon sein, daß man beim Beten nichts spürt, aber die Macht des Gebetes offenbart sich dann später - in der Arbeit, beim Apostolat.”

Einzige Forderung bei ihren Aufenthalten in der ganzen Welt: ein Tabernakel in Rufweite und einen Tagesablauf, der ihr Besuche beim Tabernakel ermöglicht. Sie nennt das ihren “Strand zum Bräunen”, seitdem sie die Vision eines Menschen am Strand hatte, der langsam Farbe bekam. “Und ich hörte, wie mir der Herr sagte: Dasselbe geschieht, wenn du mich besuchen kommst. Du wirst die Wirkung der mit mir verbrachten Zeit spüren und die Menschen werden sie an deinem Tun erkennen."

Diese Zeit des Gebets macht ihr auf neue Art bewußt, wie schrecklich die Sünde ist und wie wenig sie dem eigentlich Beach­tung schenkt. Sie beschließt, alle 14 Tage zu beichten. Wer sie fragt, was sie denn da schon dem Priester sagen kann, bekommt zur Antwort: "Fragen Sie ihre Mitmenschen. Sie werden Ihnen Ihre Sünden schon sagen!"

Als sie Maria, ein an Leukämie erkranktes Mädchen, am Rand des Todes antrifft, begreift Brie­ge ganz tief, daß allein Gott heilt, auf Seine Weise, nach Seinen Maßstäben. Die Eltern flehen sie an, sie möge etwas tun. "Ich hätte sagen wollen: "Sie wird gesund, wie Sie es sich wünschen". Aber dann hätte ich die Stelle Gottes eingenommen. Meine Sympa­thie hätte den Lauf der Dinge bestimmt. Sympathie ist gut, aber man darf sie nicht an die Stelle von Gottes Wirken setzen. Also habe ich den Eltern gesagt: "Gott wird euch die nötige Kraft geben, und Er wird Maria heilen - Er liebt Euch ja mehr als irgend­jemand sonst auf der Welt - aber Er heilt auf Seine Weise, die nur Er allein kennt." Sie konnten das, was ich ihnen da sagte, nicht annehmen. Drei Tage nach mei­nem Besuch riefen sie mich an, um mir Marias Tod mitzuteilen. Ich fuhr sofort zu ihnen und dachte, sie seien am Boden zer­stört. An Marias kleinem Sarg nimmt mich der Vater in die Arme und sagt: "Danke, Schwester. Eine Stunde vor ihrem Tod waren wir noch zutiefst im Un­frieden. Dann aber haben wir begriffen, daß Maria nicht unser Besitz ist, daß sie uns nur anver­traut war."

"Was dieser Vater gesagt hat", setzt Schwester Briege fort, "macht deutlich, was Heilung in Wahrheit ist: Ja sagen zu Gott. Ich habe damals begriffen, daß es meine Aufgabe sei, den Men­schen zu diesem Ja zu Gott zu verhelfen."

Während einer Messe in Latein­amerika ist Schwester McKenna überwältigt von der verändern­den Kraft Gottes in der Euchari­stie. Eine Frau trägt ein von schrecklichen Brandwunden gezeichnetes Kind im Arm. Der Priester legt es auf den Altar. Nach der Feier entdeckt Briege, daß das Kind vollkommen ge­heilt ist.

"Wie bei jeder Messe hatte der Priester auch diesmal den Heili­gen Geist angerufen, er möge Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi wandeln. Sein Wirken hat sich jedoch nicht auf das beschränkt, was der Priester erbeten hatte. Er hat seine Macht auch am Kind geoffenbart und hat es gewandelt. Ich habe den Ort mit einem von Grund auf ver­änderten Verständnis der Eucha­ristie verlassen. Wichtig ist nicht, was ich mache, sondern was Je­sus tut und was ich Ihn in mir wirken lasse. Ich muß Jesus, der heilen will, durch Seinen Leib und Sein Blut zunächst mich verwandeln lassen."

Alarmiert durch die große Krise unter den Geweihten beginnt Schwester Briege mit ihren Volksschülern für die Priester zu beten. "Durch diese Kleinen war ich Zeugin einer ersten großen Heilung eines Priesters", betont sie. Sie begegnet einem Priester, der beschlossen hatte, sich laisie­ren zu lassen und vertraut ihn dem Gebet ihrer Kinder an, sagt ihnen aber nur, daß er sehr krank sei.

Darauf schreiben ihm die Klei­nen, schicken ihm Zeichnungen. Einige Monate später kommt dieser Priester eigens aus Flori­da, um sich zu bedanken. Es gehe ihm besser, sagt er. Schwester Briege vertraut er an, daß das Wort eines Mädchens ihn beson­ders getroffen hatte: "Ich weiß, daß Sie jetzt nicht tun können, was Jesus von Ihnen will, aber ich habe Jesus um Hilfe gebeten. Wir wissen, daß Jesus Ihnen hel­fen wird. Wir brauchen Sie und haben Sie lieb."

Auf Anfrage eines Priesters in New Orleans und ermuntert von ihrer Oberin nimmt Schwe­ster Briege an der Gestaltung einer Einkehr für Priester teil. Am zweiten Tag fällt der Haupt­referent krankheitshalber aus und überträgt ihr die Leitung. Mit panischer Angst versucht es Briege dennoch. Und seit 10 Jahren wirkt sie nun mit ihrer geistlichen Mütterlichkeit unter den Priestern. Sie leitet weltweit Einkehrtage für Priester, Tage der Erneuerung, an denen die Teilnehmer den Wert des Gebe­tes füreinander und die Macht des Priesterdienstes neu entdec­ken.

"Würde man mich fragen, was Priester heute am dringendsten brauchen, so gäbe ich ohne Zö­gern zur Antwort: einen tieferen und lebendigeren Glauben. Der Priester ist nicht berufen, Anwalt Jesu zu sein oder zu beschwichti­gen. Er soll Ihn verkünden. Der Herr hat die Priester berufen, daran zu glauben, daß für Ihn nichts unmöglich ist. Ich bringe den Priestern die Botschaft, daß Jesus auf dem Altar gegenwärtig zu machen, das Schönste ist, was sie tun können."

Weltweit nennen tausende Prie­ster Schwester Briege ihren Wegweiser. Damit konfrontiert, runzelt sie die Stirne und sagt mit strenger Miene: "Achtung, ein Wegweiser zeigt die zu befol­gende Richtung an, man landet dabei aber nicht immer dort, wo man hinwollte." Und dann lacht sie schallend. Sie ist nämlich jemand, der nicht lange ernst bleiben kann.

Luc Adrian, Auszug aus Famille Chrétienne vom 26.10.1989

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