VISION 20002/1990
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Pressesplitter kommentiert

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Abtreibung in Europa Pflicht

Die Freigabe der Abtreibung in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft hat das Europa-Parlament in Straßburg gefordert. In einer mit 147 Ja-Stimmen gegen 60 Nein-Stimmen bei elf Enthaltungen verabschiedeten Entschließung äußerte das Parlament in Straßburg den “dringenden Wunsch” nach einer Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs und verurteilte Bemühungen in einigen EG-Ländern, Regelungen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch einzuschränken.

Derzeit sind in der Republik Irland und Belgien Abtreibungen grundsätzlich verboten. Die Abgeorndeten äußerten sich “entrüstet” über die Haltung Irlands, wo auch der Verkauf von Verhütungsmitteln verboten ist. Der irische Europa-Parlamentarier Maher drohte für den Fall, daß die EG eine Liberaliserung der Abtreibungsgesetzgebung in seinem Land durchsetzen wolle, den Austritt Irlands aus der EG an.

Kathpress vom 13.3.1990

Das ist die "Liberalität” der Liberalisierer. Wer bei der Abtreibung nicht mitmacht, wird unter Druck gesetzt. In Belgien war das Rezept erfolgreich. Beachtlich, daß in Irland der Mensch noch mehr zählt als die ökonomischen Interessen einer EG-Mitgliedschaft.

 

Singles mit Anschluß

“Living apart together” (zu deutsch: Getrennt zusammenleben) ist ein neues Experiment - der Versuch, Beziehungen lustvoller zu gestalten und Abnützungserscheinungen erfolgreich zu bekämpfen ...

Heinz W. und seine Frau Judith leben seit gut einem Monat in zwei verschiedenen Wohnungen. Beide zwar nach wie vor in Zürich, aber eben unter verschiedenen Dächern. “Die zwei Wohnungen”, meint Heinz W., “sind als aufbauender Schritt gedacht” - als gezielte Aktion gegen den Alltagstrott, die Routine und die Langeweile als “Phantasie- und Sinnlichkeitstöter” ... “Unser getrenntes Zusammenleben”, darauf legt Heinz W. wert, “ist keinesfalls als Mißtrauensvotum gegen die Ehe mit Trauschein zu werten, im Gegenteil, ich halte sie für eine antikonsumistische Erfindung.” Heinz sieht sich deshalb viel eher als “Ehe-Utopist’’ mit hohen Erwartungen an eine Institution, für die er sich etwas einfallen läßt.

Weltwoche 13/1990

Das klingt recht flott und großzügig, ist aber im Gegensatz zur Meinung von Heinz W. nichts anderes als Konsumdenken angewendet auf menschliche Beziehungen, koordinierter Egoismus gewissermaßen. Hier wird das Wesen der Ehe, das Eins-Werden, schon im Ansatz gar nicht mehr anvisiert. Man hält sich einen Partner für stimmungs- und lustvolle Stunden. Daß Kinder in diesem Modell keinen Platz haben, versteht sich von selbst.

 

Der überwachte Bürger

Beachtlich, was der Computer alles möglich macht. Etwa in den USA:

“So verfügen drei große Kreditbüros über 400 Millionen Akte, in denen die finanzielle Situation von 160 Millionen Menschen dargelegt ist. Diese Informationen verkaufen sie zum Beispiel an Unternehmen, die daraus ihre potentiellen Kunden filtern. Journalisten, die einen Pressepaß für das Weiße Haus haben wollen, müssen ihre Privatsphäre aufgeben. Beim Ansuchen um den Ausweis, der den Zutritt zum Pressezentrum im Haus des US-Präsidenten ermöglicht, stimmt man einer Überprüfung zu, die bis zum Öffnen der Post, Abhören der Telefone und Befragung der Nachbarn gehen kann ... Mit Hilfe einer höchst diffizilen Computeranlage wird die über Unterseekabel und Fernmeldesatelliten zwischen den USA und dem Rest der Welt stattfindende Kommunikation penibel überwacht ...”

In der Schweiz hatte die Bundespolizei Akte über 940.000 Bürger angelegt, in Frankreich verfügen die “Renseignements Generaux” über Dateien von 600.000 Personen und Vereinigungen, und in Österreich gibt es bei der Staatspolizei Akte über 59.000 Personen.

Die Presse vom 17./18.3.1990

 

Fernsehen zerstört Konzentrationsfähigkeit

Mit Zahlen und Graphiken weist der Professor nach, daß Schulversagen, Unruhe und Konzentrationsmangel bei Kindern sowie Probleme bei der Merkfähigkeit direkt mit der vor dem Fernseher verbrachten Zeit zusammenhängen. Auch der mit viel Fernsehen einhergehende Schlafmangel und seine Folgen sind von Bedeutung. Schüler, die im Tag durchschnittlich 130 Minuten vor dem Bildschirm verbringen, können beim Rey-Test nicht mehr als 5 bekannte Symbole aus einer Menge von 20 erkennen. Wer weniger als eine halbe Stunde fernsieht, identifiziert sie alle.

"Présent" vom 24.1.1990

Fernsehen - das unbewältigte Medium, das aber keineswegs harmlos ist. Wie wäre es mit gezielter gemeinsamer Medienaskese in der Familie? Es ist eine Chance zu erkennen, daß man auch ohne TV meist nichts Wesentliches versäumt.

 

Langlebige Fliegen konstruiert

Einem Team von Zellbiologen am Biozentrum der Basler Universität ist es gelungen, den Alterungsprozeß bei Taufliegen hinauszuschieben, indem sie die genetische Information des Organismus veränderten. “Erstmals konnten wir die natürliche, genetisch festgelegte Lebensspanne eines Lebenwesens verlängern”, bestätigte der für das Experiment verantwortliche Zellbiologe Walter Gehring ...”Ich glaube nicht, daß man eine ewig lebende Fliege machen kann”, sagt Gehring. “Das Schöne am Fliegenversuch ist, daß wir die Gesundphase des Lebewesens verlängert haben ... Jedermann möchte möglichst lange gesund und aktiv bleiben, das ist ein legitimer Wunsch.” Die Erfüllung dieses Wunsches könne durchaus auch volkswirtschaftlich wichtig sein.

NZZ vom 3.2.1990

Es ist schon beachtlich, was die Forschung heute alles erreicht hat: Da ist zunächst das unfaßbare Maß an neuer Einsicht und an damit gewonnener Macht. Und die Stoßrichtung der Forschung: Leben soll verlängert werden, jedenfalls das aktive - und zwar nicht bei Fliegen, sondern selbstverständlich beim Menschen. Vielleicht gelingt es sogar‚ ewiges Leben zu machen (man beachte die Wortwahl). Der Forscher schließt es ja nicht aus, daß man es einmal erreichen wird. Jedenfalls wird aber der ökonomische Wert der Entdeckung hervorgehoben.

 

Perfektes Glück

“Perfektes Glück - oder Geld zurück!” lautet der Werbeslogan in einem Inserat des Citroen-Händlers “Schindler”. Angeboten wird der Citroen XM mit einem Rückgaberecht nach einem Monat. “Und Sie brauchen uns nicht einmal einen Grund zu nennen."

Kurier vom 19.3.1990

Da schaust Du aber! Es erinnert an Herrn Kirschners Botschaft von der Plakatwand: “Geld macht glücklich!”

 

Prawda gegen Abtreibung

In ungewohnter Form und unter der Schlagzeile “Muttergottes in Jeans” warnte das sowjetische Parteizentralorgan “Prawda” Samstag die Frauen des Landes vor der “Sünde" der Abtreibung. Das Blatt veröffentlichte auf der Titelseite einen Brief der Leserin Natalia Mischina, in dem schwangere junge Frauen aufgefordert werden, sich ein Beispiel an der Muttergottes zu nehmen. Die Autorin, nach deren Angaben die Mutterschaft “der Hauptzweck im Leben einer Frau” ist, zitierte aus sowjetischen Statistiken, wonach ... jedes Jahr in der UdSSR 5,6 Millionen Kinder geboren und 6,5 Millionen abgetrieben würden. Viele erklärten ihren Abtreibungsbeschluß mit den schwierigen Lebensumständen, schrieb Frau Mischina. “Aber wir sollten an wichtigere Dinge denken, die über unser Haushaltsbudget hinausgehen und nicht gemessen werden können an der Größe unserer Wohnungen, wir sollten an die Sünde denken.”

Salzburger Nachrichten vom 12.3.1990

So etwas auf der Titelseite von “Krone” oder “Kurier” - unvorstellbar!

 

RU 486

Diese brutale Prozedur blieb bisher 35.000 Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollten, erspart. In Frankreich als bisher einzigem Land haben sie die Freiheit, sich gegen den chirurgischen Eingriff und für die “Abtreibungspille” RU 486 zu entscheiden. Dr. Etienne Baulieu, Biochemiker und Entdecker des Medikaments, protestiert freilich entschieden gegen das Wort “Abtreibungspille”: “RU 486 ist ein Medikament zur Verhinderung der Abtreibung, weil es schon in einem extrem frühen Stadium wirkt” ... Das Anti-Schwangerschafts-Hormon RU 486 verhindert das Einnisten oder bewirkt die Abstoßung der befruchteten Eizelle im Uterus.

Wienerin 3/1990

Die Werbung für die chemische Abtreibung läuft an. Diesmal wird sie sogar - was besonders pervers ist - als Heilmittel gegen die Abtreibung verkauft. Wieder einmal wird einfach gelogen. RU 486 ist kein Medikament, also kein Heilmittel, sondern schlicht und einfach ein Tötungsmittel, ein “Menschen-Pestizid”, wie Prof. Jerome Lejeune gesagt hat. Es verhindert auch nicht die Einnistung der befruchteten Eizelle (sie nistet sich nicht ein), sondern bewirkt die Abstoßung des Kindes aus dem einzigen für sein Überleben notwendigen Lebensraum, der Gebärmutter. Und damit wird das Kind zum Tod verurteilt. Unverständlich bleibt daher, was “Gesundheits”-Minister Ettl gesagt hat: “Die Ressentiments der Konservativen gegen RU 486 teile ich nicht. Wenn der Antrag reinkommt, werden wir uns sicher nicht gegen eine Zulassung sträuben.” Es geht darum, die Einführung dieses Tötungsmittels zu verhindern.

 

Was Herr Österreicher liest

Einsame Spitze ist weiterhin die Krone. Sie baut ihren Vorsprung aus: 1987 - 41% Reichweite, 1989 - 42,2%. Im Vergleich dazu Kurier: 15% (1989 fallende Tendenz) und Kleine Zeitung (10,5%, gleichbleibende Tendenz).

Ernstzunehmende Blätter fallen noch weiter ab: Presse 3,2%, Standard 2,9%, SN 3,3%.

Gleiches Bild bei den Wochenzeitungen: Die ganze Woche 37%. Bei den monatlich erscheinenden Medien ist Autotouring der Hit: 27%. Dann kommen aber schon die Zeitgeist-Journale Basta 7,6% und Wiener 7,4%.

zusammengefaßt aus “Der Österr. Journalist” 119/90

 

Marsch, an die Arbeit!

Der Ruf nach Facharbeitern, nach gut ausgebildeten Fachkräften im mittleren Management, ausgelöst nicht zuletzt durch sinkende Geburtenziffern einerseits und Wirtschafts wachstum andererseits, wird es in Zukunft einfach notwendig machen, daß Frauen einen Beruf ausüben, im Arbeitsprozeß eingebunden bleiben, selbst wenn sie Kinder haben, eine Familie betreuen.

Wir können es uns wirtschaftlich nicht leisten, daß Mädchen wohl eine höhere Schulbildung und gediegenere Berufsausbildung erhalten, diese aber nicht nutzbringend für die Wirtschaft anwenden...

Der Öffentliche Dienst 1/1990

Wir waren noch nie so reich und sollten es uns nicht leisten können - bei entsprechender Förderung -, daß Frauen sich der Kinderbetreuung widmen? Und das in einer Zeit, in der die Geburtenzahlen so niedrig sind wie noch nie.

 

Niemals den Mut verlieren

"Man darf sich niemals der Entmutigung hingeben in der Überzeugung, daß durch die Ereignisse der Geschichte hindurch sich das Werk der Vorsehung verwirklicht."

Papst Johannes Paul zitiert in La Croix vom 21.4.1990

Diese Worte hat der Papst vor fünf Jahren mit Blick auf die damalige Situation der Tschechoslowakei gesprochen. Heute können wir sie besser verstehen.

 

Kapitalismus als Religionsersatz

Die eigentliche Leistung des Kapitalismus ist die Etablierung einer neuen, quasi-religiösen Ordnung der ökonomischen Rationalität als Ersatz für Politik, Philosophie, Ästhetik, Moral und Religion. Das Berechnen, das Quantifizieren garantiert den Sinn jeder Tätigkeit.

"Impuls grün" 8/1989

Ist diese Feststellung der "Grünen" so falsch?

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