Die Frage der Abtreibung bewegt wieder einmal die Gemüter: In Österreich ging es um die Zulassung der Abtreibungspille, in Deutschland um die Abtreibungsgesetzgebung für das gesamte Bundesgebiet. Das Thema läßt uns nicht zur Ruhe kommen.
Verständlicherweise geht es doch um Leben und Tod. Aber wie sollen wir angemessen über Abtreibung schreiben? Wir sind zwar alle betroffen -
aber in so unterschiedlicher Weise. Läßt sich Bedeutsames sowohl für engagierte Abtreibungsgegner, für Gleichgültige und solche, die selbst in den Strudel einer Abtreibung geraten sind, aussagen? Wir wollen es jedenfalls versuchen.
In einem Gespräch hörte ich kürzlich den Vorwurf, die Gegner der Abtreibung neigten dazu, das Thema zu emotionalisieren. Man müsse vernünftig über die Dinge sprechen, nur so komme man aus der Sackgasse heraus. Das hat etwas für sich - vor allem schon deswegen, weil alle vernünftigen Argumente ohnedies gegen die Abtreibung sprechen. Also haben wir einige dieser Argumente aufgegriffen (siehe Seite 6 ff, "Argumente für Diskussionen"). Es ist zweifellos gut, eine Debatte mit Vernunftargumenten zu beginnen.
Wer so vorgeht, wird aber merken, daß die meisten Gespräche dennoch rasch emotional werden. Kein Wunder, geht es doch nicht um Nebensächliches: ob
man zum Frühstück Müsli statt Buttersemmeln essen oder statt mit dem Auto mit der Straßenbahn fahren sollte. Es wird über das Leben von Menschen, von ungeborenen Kindern entschieden - und nicht irgendein interessantes Thema besprochen. Kann
man denn bei der Frage der Abtreibung leidenschaftslos bleiben? Worum geht es denn eigentlich? Um eine gezielt auf Tötung ausgerichtete Handlung, die den
Tod eines Menschen zur Folge hat. Sie wird im Strafgesetz Mord genannt. Mord zuzulassen oder nicht, ist aber eine fundamentale Entscheidung. "Du sollst nicht morden" (Ex 20,13 Einheitsübersetzung) ist eine klare, unumstößliche Anweisung Gottes seit Jahrtausenden.
Das Wort ist gefallen: Mord. Wie kann ich dieses Wort in einer Zeit gebrauchen, da Millionen Menschen, Väter (vielleicht oft sogar besonders leichtfertig) und
Mütter, Ärzte und Schwestern, Freunde und Verwandte am Zustandekommen von Abtreibungen mitbeteiligt waren und sind? Darf man überhaupt noch
von dieser Schuld sprechen, da so viele Menschen davon betroffen sind? In Gesprächen hört man dann den Vorwurf, man sei anmaßend und selbstgerecht.
Das muß ich ernstnehmen und immer wieder meine Motive prüfen: Geht es dir wirklich um die Rettung der Kinder und um das Heil der betroffenen Menschen? Oder verkündest du nur selbstgerecht eine zwar wahre, aber kalte Ideologie? Du magst zwar im Recht sein, aber bist du auch in der Liebe? Diese Frage kann sich kein Kämpfer für die Ungeborenen oft genug stellen.
Heißt das aber, daß man die Dinge nicht mehr beim Namen nennen darf? Ich denke, Klarheit ist heute notwendiger denn je. Denn wir leben in einer Zeit, in der wir in der unüberblickbaren Fülle von Behauptungen die Sicht auf die Wahrheit verlieren. Wenn jemand sich zu einer Abtreibung entscheidet, zu ihr rät, an ihr mitwirkt, jemanden anderen dazu drängt, muß er wissen, was er tut. Man muß es ihm klar sagen.
Wir sind es unserer Welt also schuldig, die Wahrheit über das Geschehen zu sagen. Aber wie sagt man die Wahrheit in angemessener Form? Jesus spricht im
Johannes-Evangelium den Satz: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Wer es wirklich emst mit der Wahrheit nehmen will, kann dies also
nicht ohne Bezug zu Jesus Christus tun. Er muß von ihm geleitet sein.