VISION 20005/2011
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Das Briefbomben-Attentat

Artikel drucken „Die Kirche sagt ja zur Lust mit Qualität“ (Maria Loley)

Etwa ein halbes Jahr vor dem Briefbombenattentat im Jahr 1995 habe ich eines Tages wie üblich morgens in der Hl. Schrift gelesen – im 13. Kapitel des Hebräerbriefes: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht“ und: „Der Herr ist mein Helfer, ich fürchte mich nicht. Was können Menschen mir antun?“ (Hebr 13,5f) Als ich diese Worte lese, bin ich zutiefst betroffen. Gott berührt mich, in diesem Moment richtet Er diese Worte direkt an mich!
In den Wochen danach musste ich diese Stelle lesen und lesen. Tag für Tag schlage ich diesen Abschnitt auf – immer wieder. Mit der Zeit gehen mir diese Worte in Fleisch und Blut über. Es hat mich mit der Festigkeit einer Säule – übrigens ein schwacher Vergleich – gestützt und getragen, in mir das Gefühl der Unbesiegbarkeit wachsen lassen.
Das geschah, wie gesagt, in den Monaten vor dem Briefbombenattentat, eine Zeit voll Anspannung. Mehrmals waren schon Briefbomben ausgeschickt worden. Von der Polizei wurde ich öfter gewarnt, auch ich könnte Adressat einer Briefbombe sein. So lebte ich zwar in einer gewissen Anspannung, ging aber meiner Arbeit normal nach. Ich kann mich nicht erinnern, wirklich Angst gehabt zu haben.
Am 16. Oktober war ich auf der Post, um mein Postfach zu leeren. Ich folgte dann einer eindringlichen inneren Aufforderung – als wäre jemand hinter mir gestanden –, die Post gleich an Ort und Stelle zu öffnen. (Im nachhinein war ich sicher: Diese Aufforderung war von meinem Schutzengel ausgegangen.) Normalerweise bin ich mit den Schriftstücken nach Hause gegangen, um mir daheim alles in Ruhe anzusehen.
So habe ich mir die Absender der Briefe angesehen. Auf einem war zu lesen: Liga der Menschenrechte. Da ich knapp davor den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis bekommen hatte, dachte ich, der Brief müsse etwas mit der Preisverleihung zu tun haben…
Am Kundentisch sitzend beginne ich also den Brief zu öffnen– und löse damit die Explosion aus. Wäre ich wie üblich gestanden, über die Briefe gebeugt, hätte mich die Explosion voll im Gesicht getroffen. So habe ich nur oberflächliche Verletzungen im Gesicht, die eingezogene Decke im Postamt aber wird an zwölf Stellen durchgeschlagen. Ein Querschläger verursacht eine größere Wunde am Kopf.
Allgemeiner Schock. Totale Verwirrung rund um mich. Eine Frau legt mir einen wirklich fachgerechten Verband an. Ein anderer Postkunde hält meinen verletzten Arm in die Höhe und hält auf diese Weise den Blutverlust gering. Zwei Ärzte eilen zu Hilfe. Ich werde ins Krankenhaus gebracht. Schon bei der Fahrt ins Krankenhaus trägt mich eine erstaunlich große innere Ruhe, auch während des Wartens vor dem Operationssaal. Mein letzter Gedanke bevor die Narkose voll zu wirken beginnt, eine Stelle aus dem Psalm 91: „Ich bin bei ihm in seiner Bedrängnis…“
Innere Ruhe auch beim Aufwachen nach der Operation. Diese innere Sicherheit, die mich da trägt, hatte sich im Laufe der Monate nach dem Lesen im Hebräerbrief aufgebaut. „Ich lasse dich nicht im Stich!“

Maria Loley

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