VISION 20006/2024
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Gott existiert, ich bin Ihm begegnet

Artikel drucken (André Frossard)

Das Wirken Gottes in der Geschichte hat André Frossard, ein französischer Journalist, in überwältigender Weise erfahren. Diese Begegnung hat sein Leben total verändert.

Gelassener Atheist, der ich bin, ahne ich wahrhaftig nichts davon, als ich des Wartens müde, kopfschüttelnd über die nicht endenwollenden, unverständlichen. Andachtsübungen meines Kameraden, nun meinerseits die kleine Eisentüre aufstoße, um als Neugieriger oder als Zeichner das Gebäude näher in Augenschein zu nehmen, in dem er sich, wie mir vorkommt, schon eine Ewigkeit aufhält. (Tatsächlich waren es höchstens drei oder vier Minuten.) ... Neben der Tür stehend, spähe ich nach meinem Freund und es gelingt mir nicht, ihn unter den knienden Gestalten vor mir zu erkennen. Mein Blick wandert vom Dunkel zum Licht, kehrt zu den anwesenden Menschen zurück, ohne irgendeinen Gedanken mitzubringen, gleitet von den Gläubigen zu den unbeweglich verharrenden Ordensfrauen und bleibt dann, ich weiß nicht warum, an der zweiten Kerze haften, die links vom Kreuz brennt, nicht an der ersten, nicht an der dritten, sondern an der zweiten.
In diesem Augenblick bricht jäh eine Welle von Wundern los, deren unerbittliche Gewalt in einem Nu von dem absurden Wesen, das ich bin, die Hülle reißen und das Kind, das ich nie gewesen bin, geblendet von dem Glanz, ans Tageslicht bringen wird.
Zuallererst werden mir die Worte „geistliches Leben“ eingegeben. (…) Kaum hat die letzte Silbe dieses leisen Vorspiels die Schwelle meines Bewusstseins erreicht, da bricht von neuem die Lawine los. Ich sage nicht: der Himmel öffnet sich; er öffnet sich nicht, er stürzt auf mich zu, schießt plötzlich wie ein stummes Wetterleuchten aus der Kapelle empor, wo er – wie hätte ich es ahnen können? – auf geheimnisvolle Weise eingeschlossen war...
Es ist die Wirklichkeit, es ist die Wahrheit, ich sehe sie vom dunklen Strand aus, wo ich noch festgehalten bin. Es ist eine Ordnung im Universum, und an ihrer Spitze, jenseits dieses funkelnden Nebelschleiers, ist die Evidenz Gottes, die Evidenz, die Gegenwart ist, die Evidenz, die Person ist, die Person dessen, den ich vor einer Sekunde noch geleugnet habe, den die Christen unseren Vater nennen und dessen milde Güte ich an mir erfahre, eine Milde, die keiner anderen gleicht, die nicht die manchmal mit diesem Namen bezeichnete passive Eigenschaft ist, sondern eine aktive, durchdringende, eine Milde, die alle Gewalt übertrifft, die fähig ist, den härtesten Stein zu zerbrechen und was härter ist als der Stein – das menschliche Herz.
Ihr überwältigender Einbruch ist begleitet von einer Freude, die nichts anderes ist als der Jubel des vom Tod. Erretteten, des gerade noch zur rechten Zeit aufgefischten Schiffbrüchigen, mit dem Unterschied allerdings, dass mir erst in dem Augenblick, da ich dem Heil entgegen emporgerissen werde, zum Bewusstsein kommt, in welchem Schlamm ich, ohne es zu wissen, versunken war – und ich frage mich, der ich noch mit halbem Leib darin gefangen bin, wie ich darin leben, darin atmen konnte.

Auszug aus : Gott existiert, ich bin ihm begegnet, Von André Frossard, Sarto-Verlag,  176 Seiten, 9,20€.

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