VISION 20006/2024
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„Ich habe euch alles vorausgesagt“

Artikel drucken Gedanken über die von antichristlichen Einflüssen geprägte heutige geistige Situation (Urs Keusch)

Rot beleuchtete Kirchen am 20. November haben in Erinnerung gerufen, dass Christenverfolgung heute ein weltweites Phänomen ist. Laut Kirche in Not sind rund 200 Millionen betroffen. Auch in Europa weht der Wind rauer. Dieser Realität gilt es, ins Auge zu schauen und sich als Christ entsprechend zu wappnen, worauf der folgende Beitrag hinweist.

Als ich mich vor 50 Jahren mit dem Gedanken beschäftigte, den erlernten Beruf aufzugeben und Theologie zu studieren, besuchte ich regelmäßig einen alten Priester und Professor, der im Rufe stand, ein sehr gelehrter und heiligmäßiger Mann zu sein. Er war auch publizistisch tätig und hatte mehrere Bücher zum Glauben geschrieben. Ich erinnere mich noch heute, wie er mir mehr als einmal sagte: „Ich bete jeden Tag zum Herrn, dass ich den Glauben nicht verliere.“ Ich konnte, offen gestanden, mit dieser Aussage so gut wie nichts anfangen.
Wie kann ein so gelehrter und heiligmäßiger Priester so etwas sagen? Ich verstand es wirklich nicht oder hielt es insgeheim für eine fromme Übertreibung.
Nun sind 50 Jahre ins Land gegangen. Nun weiß ich, was er meinte. Wir erlebten in diesen vergangenen 50 Jahren einen Glaubensabsturz und eine solche Verfinsterung der Wahrheit, wie es sich das niemand hätte vorstellen können. Es war nicht nur ein Abfall vom Glauben, sondern in weiten Teilen eine offene Kampfansage gegen den Glauben der Kirche selbst, eine Kampfansage gegen Christus, gegen die Wahrheit und alles, was von Gott kommt und dem Leben Würde und Daseinsgüte verleiht: das Heilige, das Wahre, Schöne, Reine und Gute. Und so oft kamen die Protagonisten dieser breit angelegten Destruktion aus der eigenen Mitte.
Diese Entwicklung hat nicht nur der oben erwähnte Priester so vorausempfunden, es waren viele, die diese apokalyptischen Bedrohungen gewittert und davor auch gewarnt haben, aber von den meisten als Pessimisten und Unheilspropheten belächelt wurden. Heute wird einem bewusst, wie der Geist der Prophetie in so vielen Menschen war. Heute belächeln wir sie nicht mehr, sondern bitten sie im Stillen um Vergebung.
In der christlichen Tradition und im Geschichtsdenken der Kirche trägt der Endzustand der Geschichte den Namen: Herrschaft des Antichristen. Bevor unser Herr „wiederkommt in Herrlichkeit“, werden die dämonisch-satanischen Mächte entbunden, damit sie sich erheben und zur Zerstörung und, wenn möglich, zur völligen Ausrottung des Erlösungswerkes Christi anheben. Es ist Christus, der Sohn Gottes, der endgültig aus dem geschichtlichen Bewusstsein und als der „ultimative Störfaktor“ einer satanischen Weltherrschaft beseitigt werden soll! Das erleben wir heute „scheibchenweise“ jeden Tag in Politik, Bildung und Gesellschaft. Das Perverse wird immer mehr zur bestimmenden Macht.
Es handelt sich beim Anti­chris­ten und seiner Herrschaft um ein mit ungeheurer satanischer Macht ausgestattetes Herrschaftsgebilde. Josef Pieper meint dazu in Über das Ende der Zeit: „Der Antichrist ist ferner zu denken als eine Figur der über die ganze Menschheit sich erstreckenden politischen Macht­ausübung; er ist der Weltherrscher. Im gleichen Augenblick, in welchem Weltherrschaft im vollen Sinn möglich geworden ist, ist auch der Antichrist real möglich geworden.“  
An diesem geschichtlichen Punkt sind wir angelangt. Mit Hilfe des Instruments der neues­ten digitalen und globalen Kommunikationstechnik und künstlicher Intelligenz und der gesteuerten Massenpropaganda  ist die schrankenlose Täuschung und die Herrschaft des Antichrists jederzeit möglich geworden.
Der Katechismus fasst diese Zeit wie folgt zusammen: „Vor dem Kommen Christi muss die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen, die den Glauben vieler erschüttern wird. Die Verfolgung, die ihre Pilgerschaft auf Erden begleitet, wird das ‚Mys­terium der Bosheit‘ enthüllen: Ein religiöser Lügenwahn bringt den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung ihrer Probleme. Der schlimmste religiöse Betrug ist der des Antichrists, das heißt eines falschen Messianismus, worin der Mensch sich selbst verherrlicht, statt Gott und seinen im Fleisch gekommenen Messias.“ (675)
Von dieser letzten Zeit sagt der Herr: „Denn jene Tage werden eine Not bringen, wie es noch nie eine gegeben hat, seit Gott die Welt erschuf, und wie es auch keine mehr geben wird. Und wenn der Herr diese Zeit nicht verkürzen würde, dann würde kein Mensch gerettet; aber um seiner Auserwählten willen hat er diese Zeit verkürzt.“ (Mk 13,19-20).
Wer ist der Antichrist? Wer und was der Antichrist exakt sein wird, wissen wir nicht. Ist es eine Einzelpersönlichkeit, vielleicht eine KI-gestützte Persönlichkeit mit ungeheuren, übermenschlichen und faszinierenden Fähigkeiten, ist es ein politisches Macht­zentrum, ist es beides zusammen? Wahrscheinlich wird es beides zusammen sein. Pieper ist der Ansicht, „eine Weltorganisation könnte die tödlichste und unüberwindlichste aller Tyranneien, die endgültige Errichtung der Herrschaft des Anti­chris­ten bringen.“
Wir stehen beim Antichristen auch einer Gestalt, einem Regiment gegenüber, die gewissermaßen „urplötzlich“ in Erscheinung treten kann. Wir haben es in den letzten 4 Jahren erlebt, wie quasi über Nacht mittels Propaganda und Angstmacherei sich weltweit das finstere Haupt des Totalitarismus erheben kann. Lügenhaftigkeit, Täuschung, Scheinheiligkeit und Manipulation sind das Gewand des Antichristen, und er wird mit ungeheurer suggestiver Macht die Vielen zum Abfall bringen. „Nach der einhelligen Auskunft der Überlieferung wird der äußere ,Erfolg’ dieses Regiments ungeheuerlich sein; der Erfolg wird eine große Apostasie (Abfall vom Glauben) sein.“ (Pieper)
Seid wachsam!
Zu diesem Thema ist schon unendlich viel geschrieben worden. Ich möchte nicht ausführlicher werden, weil es letztendlich nicht darum geht, möglichst genaue Auskunft über diese Dinge zu erhalten – denn solche Auskunft gibt es vorderhand nicht. Es geht vielmehr darum, die gläubigen Christen dringend aufzurufen, mit den Worten unseres Herrn ernst zu machen: „Seht euch vor! Ich habe euch alles vorausgesagt.“ (Mk 13,23). Seht euch vor! Ich habe euch alles vorausgesagt. Seid darum wachsam. Betet. Haltet die Augen offen. Gott schenkt uns auch heute Seine Propheten.
Er schenkt uns Sein Licht. Er gibt uns heute Sein tägliches Brot der Weisung, wenn wir an Ihm bleiben. Er schenkt uns auch den Geist der Unterscheidung, wenn wir Ihn darum bitten. Denn viele falsche Propheten und „Offenbarungen“ sind heute unterwegs, um die Menschen zu verwirren, zu entmutigen, der Lächerlichkeit preiszugeben und die Wahrheit zu verdunkeln.
Gegen alle die versucherischen Einflüsterungen und das Blendwerk des Bösen heute, gegen alle Verführung und Entmutigung hat sich durch alle Zeiten der Christenheit dieses eine Bollwerk bewährt: Es ist die aufrichtige Reue über die eigenen Sünden.
Es ist die Beichte, die Buße, das tägliche Gebet und die regelmäßige Teilhabe an den Geheimnissen der Kirche. Und es ist die Betrachtung des Lebens der Heiligen und ihrer Schriften. Ohne ernstes und ganz entschiedenes Glaubensleben wird niemand die kommenden Herausforderungen bestehen. „Wer sich heiligt, heilige sich noch mehr.“ (Off 22,11)
Wir dürfen heute von keiner kirchenamtlichen Seite mehr Unterstützung erwarten. Wir müssen selbst Ausschau halten nach den Propheten und den Zeichen unserer Zeit, uns sehr in Acht nehmen vor den falschen Propheten und uns mit „Furcht und Zittern“ darum bemühen, dass wir in der Liebe bleiben.
Nur das beharrliche tägliche Gebet in der Stille und die tägliche Schriftlesung können uns in naher Zukunft vor Verzweiflung und der lähmenden Angst bewahren. Denn „das Gebet ist ein mächtiges Werkzeug, ein Schlüssel, der das Herz Gottes öffnet.“ (heiliger Pater Pio)
Lassen Sie mich schließen mit einem ermutigenden Wort des rumänischen Bischofs Sebastian von Slatinei und Romanantilor:
„Meint ihr nicht auch, dass es an der Zeit ist, sich die Worte, die wir in jeder Liturgie singen, noch bewusster zu machen: ,Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch jegliches böse Wort gegen euch reden um meinetwillen! Freut euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel’ (Mt 5,11-12)? Lasst uns also frohlocken, nicht trauern!
Freuen wir uns über das, was von Gott in Seiner Welt geblieben ist! In dem, was uns immer noch mit Ihm identifiziert und verbindet, in der Tatsache, dass wir Ihm immer noch dienen können, dass wir immer noch in den Kirchen beten können, dass wir immer noch diese Zeilen in Freiheit schreiben können, dass Er immer noch jeden Dezember auf der Erde ,geboren’ wird. Und wenn das alles vorbei ist, können wir uns freuen, dass ,unsere Namen im Himmel geschrieben sind’ (Lk 10,20)!
Dort ist unser wahres Vaterland, für das es sich lohnt, hart zu kämpfen, für das wir uns bemühen müssen, es nicht zu verlieren, sondern es mit uns allen für die Ewigkeit zu erwerben! Amen.“ (Aus: CRISIS, Journal für christliche Kultur, Ausgabe
2/2022)



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