VISION 20006/2024
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Wenn ihr all das seht, dann erhebt euer Haupt!

Artikel drucken Gedanken über die christliche Hoffnung (Ignaz Steinwender)

Wenn ich heute manche Entwicklungen und Reaktionen von Verantwortlichen ansehe, dann kommt mir oft der Spruch in den Sinn „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“

 
Verdrängen, so gut es geht – selbst die Kriegsgefahr
in Europa
 

In diesem Satz steckt etwas drinnen, dass gegenwärtig vorherrschend ist, die Verdrängung! Man sieht heute viele Entwicklungen, es ist klar, es müsste sich etwas ändern, man sollte etwas ändern, aber es geht gleich weiter, man verdrängt es, man verschiebt es.
Obwohl man weiß, dass es so nicht weitergehen kann, verschließt man die Augen und tut so, als ob es immer so weiterginge. Corona wird verdrängt, Politiker verdrängen Wahlergebnisse und Entwicklungen in der Wählerschaft, kirchliche Vertreter verdrängen die Kirchenaustritte und den Vertrauensverlust, Wirtschaftsexperten verdrängen Fehlentwicklungen und reagieren nicht, die Kriegsgefahr wird verdrängt.  
Und oft geht es einem auch im Privaten so, dass man dieses oder jenes nicht wahrhaben will. Man schiebt den Gedanken daran zur Seite, leugnet es, ignoriert oder verharmlost es. Die Verdrängung kostet Kraft, nimmt den Schwung und beraubt einem auch der geistlichen Stärkung durch die Gnade. Sie blockiert den Heiligen Geist. Man möchte eben kein Unheilsprophet sein, kein Schwarzseher, kein Pessimist. Man scheut sich, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.
In dieser Situation könnte es hilfreich, befreiend, ja heilsam sein, über die christliche Hoffnung nachzudenken, über diese göttliche Tugend!
Was ist die christliche Hoffnung, worauf hoffen wir? Wir hoffen als Christen auf das, worum wir im Vaterunser bitten, dass Sein Reich kommt, dass Sein Wille geschieht, dass der Himmel auf die Erde kommt, dass ER uns erlöst vom Bösen.
Als Christen sind wir nach vorne ausgerichtet. Wir wissen, woher wir kommen. Wir sehen uns als von Gott erwählt, berufen zu einem Ziel, das jenseits dieser Welt liegt, das über das Irdische hinausgeht, das alle menschlichen Vorstellungen übersteigt.
Wenn wir dieses Ziel vor Augen haben, dann haben wir einen tieferen Blick für die Welt, dann erleben wir die Zeit als Geschenk, dann wird uns klar, was jetzt in dieser Welt unsere Aufgabe, unsere Berufung ist. Dann können wir jetzt voll Hoffnung und Zuversicht sein.
Wie aber können wir eine christliche Hoffnung als göttliche Tugend in uns wecken, verstärken, zu einer inneren Haltung werden lassen? Vier Dinge scheinen mir sehr hilfreich zu sein: 1. Den Glauben vertiefen und entfalten. 2. Realist sein und weise werden. 3. Gelassen sein und annehmen, was man nicht ändern kann. 4. Jetzt das tun, was man kann.
Den Glauben vertiefen: Jeder Mensch braucht eine Identität. Er muss wissen, woher er kommt und wohin er geht. Je klarer dies ist, desto tiefer ist er verankert und kann auch in menschlichen Bereichen Identität schaffen. Den Glauben vertiefen heißt, sich mit Gott, dem Sinn des Lebens, mit den letzten Dingen beschäftigen. Letztlich geht es dann um eine persönliche, gelebte Gottesbeziehung.
Als Realist weise werden: Die Wirklichkeit realistisch betrachten. Nicht wegschauen, den Dingen auf den Grund gehen, tiefere Ursachen erkennen. Jemand sagte einmal: Der Niedergang ist für den Weisen ein Fortschritt, nur für denjenigen, der ihn verursacht, ist er eine Katastrophe. Der Weise sieht tiefer, er sieht die Ursachen des Niederganges und ist daher von manchem nicht überrascht. Deshalb kann er mitten im Niedergang beginnen, den Grund für später zu legen. Der Weise ist eben Realist.
Annehmen, was man nicht ändern kann: Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann. Diese soll man annehmen. Alles, was man annimmt, wird schon dadurch leichter. Wer Dinge ertragen kann, wird innerlich verwandelt, geformt, belastbarer, freier und innerlich stärker..
Das tun, was man jetzt tun kann! Dazu gehört vor allem auch, die Zeit sinnvoll zu nützten. Was kann man tun? Neben dem Bemühen um einen starken Glauben, neben der Annahme von Dingen, die man nicht ändern kann, möchte ich vier Punkte anschneiden, die mir für die Gegenwart sehr wichtig erscheinen, besonders auch im Blick auf mögliche große Einbrüche oder Veränderungen.
– Die Familienbande, gute Nachbarschaft und gute Freundschaften aufbauen, pflegen und vertiefen.
– Tugenden erwerben oder darin wachsen. Alle Schwierigkeiten und Krisen bieten mehr Möglichkeiten dazu. Wenn man diese Chancen sieht, kann man tatsächlich aus der Not viele Tugenden machen. Geduld üben lernt man, wenn man warten oder verzichten muss, Versöhnungsbereitschaft kann man lernen, wenn es Konflikte gibt, und vieles mehr. in allen Schwierigkeiten kann man auch lernen. Das ist die beste Vorbereitung für alles, was kommen mag!
– Alles fördern, was Autarkie, das heißt Unabhängigkeit bedeutet. Bei Katastrophen, Krieg und wirtschaftlichen Krisen zählt hauptsächlich das, was man selber mit seinem Umfeld hat und kann. Man sollte die Bedeutung handwerklicher Fähigkeiten wiedererkennen, sich in möglichst vielen Dingen unabhängig machen. Dazu gehört auch eine sinnvolle Bevorratung!
Wenn man sich im Glauben vertieft, die Dinge realistisch sieht, das tut, was man kann und das andere annimmt, dann wächst die Tugend der Hoffnung. Der Apostel Paulus sagte einmal: „Geduld aber bewirkt Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen.“ (Röm 5,4). Und er sagt weiter: „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,12)
Ich habe einen Freund, der bescheiden und eher zurückhaltend ist. Wenn aber eine schwierige Situation eintritt, dann kommt er aus der Reserve, je mehr sich Dinge zuspitzen, desto ruhiger wird er, dann ist er plötzlich da und stellt mit innerer Gelassenheit seinen Mann. Was dieser als natürliche Eigenschaft hat, das ist eigentlich die Frucht einer christlichen Hoffnung, die euch allen und mir selbst wünsche und erbitte.
Im Lukasevangelium kündigt Jesus vor dem Kommen des Menschensohnes große kosmische Erschütterungen an und dass die Menschen vor Angst vergehen werden. Er fügt dann aber hinzu:   Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebt Eure Häupter, denn die Erlösung ist nahe (Lk 21,28).

Der Autor ist Pfarer in Zell am Ziller.

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