“Il Tuo Volto, Signore, io cerco! " (“Dein Antlitz will ich suchen, o Herr.")
So lautet das Motto der Ausstellung (Ostensione) des Grabtuches Christi in Turin anläßlich des großen Jubiläumsjahres 2000. Tausende und Abertausende, Katholiken wie Nichtkatholiken werden auch heuer wieder bis zum 22. Oktober in der Kathedrale San Giovanni erwartet. Ja, auf Wunsch des Heiligen Vaters wurde sogar der Beginn der Ausstellung vom 26. auf den 12. August vorverlegt, damit den jugendlichen Pilgern, die zum großen Weltjugendtreffen nach Rom reisen, die Möglichkeit gegeben wird, das Grabtuch Christi zu verehren.
Aber ist es wirklich das Antlitz Jesu und nicht das irgendeines anonymen Gekreuzigten, das sich dem Betrachter auf dem Leinen zeigt?
Reliquie oder “Icona", kann man diese Jahrhunderte alte Streitfrage überhaupt entscheiden? Gibt es Kriterien, die für die Echtheit des Leinens sprechen und somit das Ergebnis der Radiokarbonuntersuchung ad absurdum führen?
Unter allen Neuerscheinungen, die sich mit dem Thema “Sindone" beschäftigen, sei auf die letzten Bücher des Leiters des “CIS" (Centro Internazionale di Sindonologia), Professor Pierluigi Baima Bollone, hingewiesen, der die vorsichtige, aber wohlwollende Distanziertheit des Wissenschafters aufgibt und nach (fast) erschöpfender Auflistung aller Forschungsergebnisse zum Schluß gelangt, daß alle Resultate so beschaffen sind, “als würde es sich um das wahre Leichentuch Christi handeln."
Erfreulicherweise wird der deutsche Physiker Oswald Scheuermann in Baima Bollones Buch “Sindone e scienza all'inizio del terzo millennio" angeführt. Er hat als erster Wissenschafter 1983 die Umrisse einer Chrysantheme (Chrysantemum coronarium) rechts vom Gesicht auf dem Leinen entdeckt. Seiner Forschung nach konnte die Chrysantheme nur durch Büschelentladung (coronal electrostatic or electron emission discharge) auf dem Tuch abgebildet worden sein. Seine Versuche mit Spitzenentladungen bei Münzen haben seine Recherchen bestätigt.
Somit ist er einer der ersten Wissenschafter, der die “Auferstehung" mit der Entstehung des Bildes auf der Sindone in Verbindung gebracht hat. Seine Pflanzen und Blütenentdeckungen wurden erst kürzlich von israelischen Pollenforschern und Botanikern bestätigt.
So wurden Abdrücke zahlreicher Pflanzenarten auf dem Leinen entdeckt, die in Palästina im März und April blühen. Interessant ist die Tatsache, daß manche Gattungen vorwiegend auf israelischem Boden wachsen.
Ebenfalls rechts vom Gesicht wurde das Bild des Cistus creticus wahrgenommen. Es ist dies ein kleiner Strauch, der an der Mittelmeerküste, und ca. 4-5 Km im Umkreis der Stadt Jerusalem vorkommt.
Auf der linken Schulter des Leichnams hat man Blütenstände der Gundelia tournefortii gefunden, denen eine besondere Bedeutung sowohl hinsichtlich der Jahreszeit als auch der Region zukommt. Während der Ausstellung der “Sindone" 1998 wurden noch zwei andere Arten entdeckt: das Zygophyllum dumosum auf der Brust und die Pistacia lentiscus links vom Haupt. Neben der oberen Thoraxhälfte sind ebenfalls Abbildungen von Zygophyllum dumosum. Es handelt sich dabei um einen besonders wertvollen Fund, denn das Zygophyllum wächst nur in Israel, am Sinai und in einem kleinen Gebiet von Jordanien.
Vor kurzem sind auf der Sindone auch Blüten und Triebe der Capparis aegyptia (Ägyptischer Kapernstrauch) identifiziert worden. Die Blüten dieser Pflanze blühen nur einen Tag. So konnte an Hand der Form der Blüte die Stunde des Pflückens (gegen 16 Uhr) errechnet werden bzw. an Hand des Verwelkungsgrades, daß diese Blüte nur zwei bis drei Tage alt war.
Es gibt nur einen einzigen Flecken auf der Erde, wo das Zygophyllum dumosum, der Cistus creticus, die Gundelia Tournefortii und die Capparis aegyptia gleichzeitig vorkommen, nämlich auf einem schmalen Streifen im Nordwesten Jordaniens, im Bergland und in der Wüste von Judäa, bzw. in der Umgebung von Jerusalem.
Somit scheint nach der Meinung der israelischen Forscher bewiesen zu sein, daß neben dem Leichnam Blumen und Blätter hingelegt wurden, die alle zusammen nur in Israel und in den ersten Monaten des Jahres gepflückt werden konnten. Anläßlich des Begräbnisses Jesu (am 7. April 30) wären sie auf das Leinen gelegt worden und hätten sich spätestens in den Morgenstunden des 9. April 30 in das Tuch eingeprägt. ... Ein sehr berührendes Detail, ein Ausdruck der Liebe, der ganz in den antik-jüdischen Rahmen paßt.
Oswald Scheuermann hat übrigens in der deutschen Zeitschrift “Pur"-Magazin für Politik und Religion ( Nr.7-8 2000) eine sensationelle Entdeckung veröffentlicht: Der evangelische Theologe und Aramäist Günther Schwarz hat auf der Rückenansicht des Grabtuches in Lendenhöhe des Abbildes blutige Stichwunden mit Serumhöfen ausgemacht, die von einem typischen römischen Fesselgürtel stammen dürften.
Dieses Folterinstrument war zur Zeit des Pontius Pilatus durchaus gebräuchlich und wurde augenscheinlich bei der Gefangennahme Jesu und seiner Überführung in das Haus des Hohenpriesters Kaiaphas, bzw. zu Pilatus und Herodes und auf dem Kreuzweg nach Golgotha von den Schergen verwendet Ein grausames Marterwerkzeug, das tiefe Löcher in das Fleisch des Gefangenen gerissen hat.
Anfang Juli 2000 wurde bei der Weltausstellung in Hannover von der Schweizer protestantischen Textilforscherin Mechthild Flury-Lemberg die Meinung vertreten, daß die Sindone sehr wohl aus dem antik-jüdischen Bereich stammen könnte, denn sie habe eine charakteristischen Saumnaht (eine fast unsichtbare “Blindstichnaht"), die man auch auf Geweben aus dem ersten Jahrhundert im Gebiet des Roten Meeres und im israelischen Masada gefunden hat.
Das Grabtuch wurde übrigens vor und nicht nach dem Weben höchstwahrscheinlich mit Seifenkraut (saponaria) gebleicht. Diese bis dahin im Orient gebräuchliche Technik wurde im 8. Jahrhundert aufgegeben.
Das erst vor kurzem enträtselte “Schweißtuch des Herrn" (Sudarium Domini, bzw. Sudario von Oviedo) weist dieselbe Blutgruppe (AB) wie die Sindone auf und die Flecken darauf sind im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Antlitz auf dem Grabtuch. Auch scheinen darauf die gleichen Pflanzenpollen wie auf der Sindone auf. So liefert es erschütternde Details über das qualvolle Sterben, die Kreuzabnahme und die Grablegung Jesu und ist somit ein wichtiges Beweisstück für die Echtheit der Sindone und die Entschlüsselung der Evangelienstelle von Joh. 20, 1-10.6)
Aber alle Recherchen werden gekrönt von der Argumentation Arnaud-Aaron Upinskys, der den Abbruch der Fibrinolyse (Erweichung der Blutkrusten bei einem Leichnam) durch ein nicht nachahmbares Ereignis (eine blitzartige Entmaterialisierung des Leichnams = Auferstehung) als das Kennzeichen des Messias (das Zeichen des Jonas, Mt 12, 38-40) ansieht.
In der Tat wird dieses Ereignis durch die IRSC (impression-retrait-sans contact) bestätigt und ist somit der Schlüssel für das Verständnis der Sindone. Das heißt: Der Leichnam ist aus dem Tuch - noch vor dem Beginn der Verwesung - “verschwunden", ohne eine Blutkruste bzw. ein Flachsfäserchen des Leinens zu verletzen.
Das ist einfach nicht nachahmbar - denn niemand kann einen blutigen Leichnam aus einem (an ihm haftenden) Tuch auf diese Art herauslösen, bzw. “verschwinden" lassen.
Warum dürfen gerade wir und nicht bereits frühere Generationen das alles erst jetzt erkennen? Das liegt offensichtlich im Plane Gottes, denn die Sindone ist ein Geschenk Gottes an unsere Zeit, die die Gefahr eines Religionssynkretismus auf Kosten der Gottheit Christi nicht wahrzunehmen scheint.
Uns ist es gegeben, den Schatz des Grabtuches zu heben und damit zu wuchern, damit sich endlich erfüllen kann, was uns die letzte Ausstellung 1998 in Erinnerung rufen wollte: “Tutti gli uomini vedranno la tua salvezza" - “ Alle Menschen werden Dein Heil schauen."