VISION 20005/2000
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Hatte Jesus Geschwister?

Artikel drucken Antwort auf eine oft geäußerte Behauptung (Alain Bandelier)

Immer wieder liest man, Jesus habe Geschwister gehabt. Daher könne auch keine Rede von der Jungfräulichkeit der Gottesmutter sein. Im folgenden eine Widerlegung dieser Behauptung.

Es ist schwer verständlich, daß Bücher und Artikel weiterhin diese unhaltbaren Thesen verbreiten - und vor allem, daß Christen sie nachplappern. ... Ohne den ganzen Fragenkomplex aufzurollen, wiederhole ich drei Punkte, die jeder wissen sollte:

* Es genügt, das Mittelmeer zu überqueren, um zu begreifen, daß in vielen Sprachen und Ländern das Wort Bruder eine viel umfassendere Bezeichnung ist als bei uns.

Für den Seminaristen aus Togo, der in meiner Pfarre ein Praktikum absolviert, gibt es diesbezüglich nicht den geringsten Zweifel. Um Bruder im engeren Sinn in seiner Sprache auszudrücken, muß man selber Vater, selbe Mutter hinzufügen.

Es gibt Leute, die behaupten, die Bibel studiert zu haben und die sie außerdem noch anderen erklären wollen, die jedoch noch nicht begriffen haben, daß die Bibel aus einem Semitischen und dem Mittelmeerraum kommt. Dieses Umfeld unterscheidet sich von unserem ebenso wie sein Wortschatz.

* Man kennt die Namen dieser “Brüder" Jesu. Da sind Simon und Judas: In seinem Brief gibt sich Judas nicht als Bruder Jesu zu erkennen, sondern als dessen “Diener". Da sind auch Jakobus und Joses. Ihre Mutter heißt ... Maria. Ja, aber nicht die des Joseph, sondern die des Kleophas! Wer sich auf den Text des Evangeliums beruft, ihn dabei aber nicht zu Ende gelesen hat, kann wirklich nicht ernstgenommen werden.

* Am Fuß des Kreuzes, gibt Jesus Seiner Mutter einen neuen “Sohn": den einzig treuen Jünger. Wahrscheinlich ist es der Ihm am nächsten stehende Bruder, sowohl rechtlich wie sozial (Jakobus und Johannes könnten Söhne der Schwester Seiner Mutter sein, der Frau des Zebedäus) als auch spirituell (der Jünger, den Jesus liebte).

Diese Episode hat einen tiefen theologischen Sinn: Durch diese Gabe wird Maria unsere Mutter. Zunächst aber hat der Akt eine sehr präzise historische und familiäre Bedeutung: Damals konnte eine Frau nicht alleine leben. Hätte Jesus einen jüngeren Bruder gehabt, so hätte Er Maria diesem anvertraut und nicht einem Cousin. Diese offenkundige Tatsache zu übersehen, ist nicht seriös.

Und noch eine Klarstellung. Im Weihnachtsbericht, hält Lukas fest, daß Maria ihren Erstgeborenen zur Welt bringt. Im Gegensatz zu dem, was diesbezüglich gesagt wird, unterstellt das keineswegs, daß es einen zweiten oder dritten gegeben habe. Dieser Hinweis bereitet die Darstellung Jesu im Tempel vor mit dem von Mose vorgeschriebenen Opfer. ....

Daß es einen so hartnäckigen Widerstand gegen so offenkundige Fakten gibt, ist kein Zufall. Man erkennt hinter der Infragestellung der Jungfräulichkeit Marias (von der man übrigens sagt, es handle sich um etwas Nebensächliches) die mehr oder weniger eingestandene Ablehnung der Transzendenz Jesu und Seiner Göttlichkeit.

Mariens Sohn ist die zweite göttliche Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, aus dem Vater geboren vor aller Zeit - oder Er ist es nicht. Das ist der Angelpunkt des christlichen Glaubens. Diesen Punkt hat der Arianismus in den ersten Jahrhunderten bekämpft, ihn hat der Islam abgelehnt, ihn bestreitet der Rationalismus. Es ist der Test, der den Antichristen entlarvt: Dieser anerkennt nicht, daß Jesus im Fleisch gekommen, also von der Jungfrau geboren ist.

Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 30.1.97

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