VISION 20005/2000
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Ãœber den Antichrist

Artikel drucken Das prophetische Buch von Wladimir Solowjew neu aufgelegt (Wladimir Solowjew)

Im Jahr 1900, kurz vor dem Tod des Autors, erschien das Werk “Drei Gespräche über Krieg, Fortschritt und das Ende der Weltgeschichte mit Einschluß einer kurzen Erzählung vom Antichrist" des russisch-orthodoxen Christen, Dichters und Philosophen Wladimir Solowjew. Davon hat der letzte Teil, die Erzählung vom Antichrist, weite Verbreitung und große Aufmerksamkeit gefunden.

Zum Inhalt: Sie ist eine prophetisch-literarische Schilderung der Endzeit. Diese wird charakterisiert als Zeit der religiösen Mischformen und eines vagen Spiritualismus, des Niederganges des theoretischen Materialismus wie auch des Offenbarungsglaubens. Die politischen Weltmächte schließen sich unter dem Einfluß von Geheimgesellschaften immer stärker zusammen.

In dieser Situation tritt ein genialer Mensch auf, hochbegabt, sozial engagiert und von beeindruckender Gestalt, der “Übermensch". Sein wesentlicher Charakterzug ist seine maßlose Eigenliebe. Er betrachtet sich als den wahren Sohn Gottes und weigert sich in der Folge, Jesus als den Christus, als Auferstandenen und Wiederkommenden, anzuerkennen.

In kürzester Zeit verfaßt er ein Buch, “Der offene Weg zu Frieden und Wohlfahrt der Welt", in dem er eine Lösung aller Probleme anbietet (ohne daß sich jemand wirklich anstrengen müßte).

Auf dem Hintergrund der Einrichtung einer Weltregierung wird er zum lebenslänglichen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa gewählt und bald danach von der begeisterten Versammlung zum Römischen und zum Weltkaiser ausgerufen.

Schließlich will er die religiöse Frage lösen und beruft im “Tempel der Einheit aller Kulte" in Jerusalem ein Konzil ein, an dem die Vertreter der drei großen christlichen Konfessionen teilnehmen. Als herausragende Vertreter treten Papst Petrus II. als Haupt der katholischen Christenheit, der Starez Johannes als geistliche Autorität der Orthodoxie und Professor Ernst Pauli als Sprecher der protestantischen Christen auf.

In einer dramatischen Zuspitzung des Gesprächs mit dem Starez ist es die Weigerung des Kaisers, Jesus ausdrücklich als den Christus zu bekennen, durch die er von jenem als Antichrist entlarvt wird. Nach der Trennung eines größeren Teils der Christen von ihren jeweiligen Kirchen vollziehen diese in Nacht und Einsamkeit ihre Wiedervereinigung. Die Handlung schließt mit der Wiederkunft des Herrn und Seiner Anerkennung durch die Juden.

Das Buch hat für uns heute eine höchst aktuelle Kernaussage. Sie lautet: In einer Zeit, in der der Glaube an die objektiv geschehene Offenbarung Gottes verdunstet und ein spiritueller Mischmasch Platz greift (alltäglich in vielen katholischen Bildungseinrichtungen), ist das ausdrückliche Bekenntnis zu Jesus Christus der einzig verbleibende Maßstab, um Gut und Böse noch voneinander unterscheiden zu können. Denn die Versuchung zum Bösen unter dem Schein des Guten ist gewaltig.

Der Zusammenschluß der politischen Mächte und die versuchte Vereinigung der Religionen unter seiner Oberhoheit ist das Täuschungsmanöver, mit der Solowjews Antichrist der Welt und einem großen Teil der Christen Sand in die Augen streuen kann. Viele erkennen undeutlich, daß mit diesem neuen Herrscher etwas nicht in Ordnung sein kann, aber nur der Starez sieht plötzlich klar und spricht es auch aus.

Ähnlich ist es heute: Viele einflußreiche Christen vertreten Verworrenes und Falsches - gegen den überlieferten Glauben und gegen die redliche Vernunft gleichermaßen - und schwächen so den Widerstand der Gläubigen gegen die angemaßte, antichristliche Macht.

Es bedarf daher einer energische Kehrtwendung zum objektiven Glauben, den - abgesehen von wenigen kontroversiellen Fragen - alle christlichen Konfessionen miteinander teilen. Solowjew leistet mit seinem Werk einen Beitrag zu einer Ökumene, die diesen Namen verdient - abseits aller unredlichen Tricks und moderner Billigangebote. Er macht durch sein Eintreten in Buchstaben und Geist des Neuen Testaments sein Werk zur einfühlsamen Konkretisierung und Interpretation neutestamentlicher Aussagen über den Gegenchristus und zu einem tröstlichen Bekenntnis zum wahren Christus, zum Herrn der Geschichte, der am Ende der Zeit tatsächlich wiederkommen wird.

Wolfram Schrems

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