VISION 20006/2000
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Bricht die Kirche nun den Dialog mit Andersgläubigen ab?

Artikel drucken Die Reaktionen auf die Erklärung “Dominus Jesus" (Christof Gaspari)

Es ist ziemlich genau zwei Monate her, daß die Erklärung “Dominus Jesus" der Glaubenskongregation veröffentlicht wurde. Sie hat eine Welle des Protestes und kritischer Kommentare ausgelöst. Das hat viele verunsichert.

So titelte beispielsweise “Die Presse": “Torpedos Kardinal Ratzingers gegen die christlichen Einheits-Visionen des Papstes?" Im Text hieß es, die katholische Kirche werde zur Trutzburg gegen einen vermeintlichen und tatsächlichen Zeitgeist ausgebaut.

Die “Salzburger Nachrichten" wiederum stellten fest: “Mit der anachronistischen Erklärung von der alleinseligmachenden Kirche haben die Fundis um Kardinal Joseph Ratzinger mächtig hingelangt."

Natürlich kam auch diesmal, wie immer, wenn es darum geht, über Rom herzuziehen, Hans Küng zu Wort. Er warf der Kirche eine Mischung aus mittelalterlicher Rückständigkeit und “vatikanischem Größenwahn" vor. Es sei eine “Heuchelei, wenn man auf Papstbesuchen ständig von Dialog und Verständigung redet", dabei aber “den ungeheuren Absolutsheitsanspruch verschweigt, den man schon immer hatte und jetzt wieder hervorholt".

Mittlerweile sind die Medien wieder zur Tagesordnung übergegangen. Aber bei vielen mag eine Verunsicherung geblieben sein. War es denn wirklich nötig, das gute Gesprächsklima zwischen den christlichen Konfessionen und mit anderen Religionen gerade jetzt im Heiligen Jahr durch solche Äußerungen zu belasten?

Vielen spricht Hans Küng sicher aus der Seele, wenn er einen Widerspruch darin sieht, daß die Kirche einerseits zum Dialog einlädt, andererseits aber auf Positionen beharrt, die sie nicht bereit ist aufzugeben. Wozu dann überhaupt noch miteinander reden?, könnte man fragen. Und viele - selbst solche, die sich der Lehre der Kirche verbunden fühlen - haben tatsächlich so gefragt.

Diese Frage macht deutlich, daß der Begriff Dialog heute in einem ganz anderen Sinn verwendet wird, als das beim 2. Vaticanum der Fall war. Heute versteht man darunter ein Gespräch zwischen Personen mit unterschiedlichen Positionen, von denen jede ihre Berechtigung habe. Unausgesprochen geht man davon aus, daß keiner der Gesprächspartner die volle Wahrheit kennt. Ihr komme man durch geduldiges Herausarbeiten des Gemeinsamen näher. Jeder müsse in diesem Vorgang Abstriche von seinen ursprünglichen Vorstellungen machen.

Nun mag eine solche Vorgangsweise sinnvoll sein, wenn es um Lohnverhandlungen, um Grenzstreitigkeiten oder um Steuergesetze geht. Leider hat diese Suche nach dem gemeinsamen Nenner nun aber teilweise auch im interreligiösen Gespräch Eingang gefunden.

Viele Menschen haben heute jedenfalls den Eindruck, daß alle Religionen mehr oder weniger gleichwertig nebeneinander stehen. Sie seien legitime Wege, auf denen der Mensch nach Gott sucht. Und bei dieser Suche nach dem unergründlichen Gott gäbe es eben unterschiedliche Erfahrungen. Sie auszutauschen und sich durch die Einsichten der anderen bereichern zu lassen - darum gehe es. Wer da einen Absolutheitsanspruch anmelde, verstoße gegen die Grundregeln des Wohlverhaltens im Gespräch der Religionen.

Daß diese Sichtweise weitverbreitet ist, steht außer Zweifel. Aber können Christen da mitmachen? Wir glauben schließlich daran, daß Gott Mensch geworden ist, daß Er uns alles, was menschlichem Verständnis zugänglich ist in und durch Seinen Sohn, Jesus Christus, mitgeteilt hat.

Von diesem Mann, der vor 2000 Jahren gelebt hat, bekennen wir, daß Er Gott ist, “der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht." (Joh 1,18) Wir vertrauen auf Sein Wort: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich." (Joh 13,7) Und da sollten wir tun, als wäre Jesus einer unter anderen Religionsgründern! Es müßte uns drängen, dieses einmalige Geschehen allen Menschen kundzutun.

Das ist das eigentliche Anliegen jeden Dialogs aus christlicher Sicht. Dabei geht es nicht um hochmütige Besserwisserei, um herablassende Belehrung jener, die noch nicht so erleuchtet sind wie wir, sondern um das Zeugnis davon, daß wir dem einzigen Retter begegnet sind, der uns die unergründliche Liebe des Vaters zu uns Menschen bezeugt und dessen Geist uns neues Leben schenkt, das den Tod besiegt. Wäre es nicht ein unverzeihliches Versäumnis, wenn Christen diese lebenserfüllende Wahrheit verschwiegen aus Sorge, man könnte dabei die Regeln eines falsch verstandenen Dialogs verletzen?

Genau daran erinnert “Dominus Jesus" - zugegeben in einer nüchternen Sprache, die aber weniger kantig ist als die der Dokumente des 2. Vaticanums.

Und ähnliches ist über jene Passagen des Dokuments zu sagen, die klarstellen, wie sich die katholische Kirche im Umfeld der vielen christlichen Gemeinschaften einordnet.

Auch da wird nur wiederholt, was das letzte Konzil von der Kirche gesagt hat: “Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche..." (LG 8, siehe auch der Text im Kasten.)

Ehrlich gesagt ist auch mir beim Lesen des Dokuments manchmal der Gedanke gekommen: Ja, darf man die Dinge so deutlich sagen? Wie werden da die anderen Christen reagieren? Solche Gedanken haben mir aber auch bewußt gemacht, wie einseitig das ökumenische Gespräch zuletzt nur das betont hat, was uns Christen verbindet. Das hervorzuheben, ist und bleibt wichtig. Gott sei Dank, daß so viele Ärgernis erregende Gräben zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen zugeschüttet werden konnten.

Aber das darf uns nicht blind dafür machen, daß wir Katholiken unseren Schwestern und Brüdern, die anderen Konfessionen angehören, einen wichtigen Dienst zu erfüllen haben: Ihnen jene Schätze anzubieten, die ihnen zur Fülle, die erst die Einheit ermöglicht, noch fehlen. “Maria und Petrus sind nach den Texten der Bibel wichtig für das Heilshandeln Gottes. Wir müssen endlich in der Ökumene darüber reden, was das für die Kirche bedeutet," stellte Erzbischof Karl Braun in einem Interview (Tagespost v. 14.9.00) fest.

Was mir beim Lesen von “Dominus Jesus" bewußt geworden ist: Als Katholiken sind wir in Gefahr, unseren Glauben zu oberflächlich zu leben, die Schätze, die uns die Kirche schenkt nicht zu erkennen und auszuschöpfen.

Ein typisches Beispiel dafür ist das, was vor kurzem in der Erzdiözese Salzburg geschah. Erzbischof Georg Eder mußte einen Priester suspendieren, der mit einem Methodisten-Pastor konzelebriert hatte. Wird da nicht offenkundig, daß alle Beteiligten an einer solchen Feier das Wesen der Heiligen Messe zutiefst mißverstehen?

Wir kennen unseren eigenen Glauben zu wenig. Daher brauchen wir Dokumente wie “Dominus Jesus", die in der Verwirrung unserer Tage Klarheit schaffen und uns die Augen öffnen für den Schatz unseres katholischen Glaubens. Ihn sollen wir dann in Gesprächen mit unseren Mitmenschen weitergeben, gut begründet, das auch, vor allem aber durch das Zeugnis der eigenen beglückenden Erfahrung.

Der wirklich fruchtbringende Dialog liegt vielfach erst noch vor uns.

Christof Gaspari


„Dominus Jesus“ über die Kirche

Die Gläubigen sind angehalten zu bekennen, daß es eine geschichtliche, in der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt: “Dies ist die einzige Kirche Christi... Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (vgl. Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18ff.), für immer hat er sie als "die Säule und das Fundament der Wahrheit" (1 Tim 3,15) errichtet.

Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht (subsistit in) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird".

Mit dem Ausdruck “subsistit in" wollte das Zweite Vatikanische Konzil zwei Lehrsätze miteinander in Einklang bringen: auf der einen Seite, daß die Kirche Christi trotz der Spaltungen der Christen voll nur in der katholischen Kirche weiterbesteht, und auf der anderen Seite, “dass außerhalb ihres sichtbaren Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind«, nämlich in den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen.

Auszug aus Kapitel IV: Einzigkeit und Einheit der Kirche", Abschnitt 16.

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