Junge Leute sind heute sehr an den Umgang mit elektronischen Medien gewöhnt und durchaus imstande, sich an einer Diskussion am Bildschirm zu beteiligen, während sie ihre Aufgaben erledigen. Das Problem dabei: Unter dem Einfluss dieser Medien sind sie dauernd der Gefahr ausgesetzt, zerstreut zu sein. Schuld daran ist nicht nur das Handy im Auto. Man kann auch dem unkontrollierten Zappen zum Opfer fallen. Der ununterbrochene Austausch von Infos erzeugt Stress. Unbewusst hat man Angst, nicht am Ball zu sein, wenn man eine Nachricht verpasst. Man beteiligt sich gleichzeitig an zwei „Konversationen“ – und das führt zu erhöhtem Pulsschlag– und schließlich stellt sich große Müdigkeit ein.
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Man spricht heute von „Teleneurose“, einer Störung, die von zu viel in der virtuellen Welt verbrachter Zeit hervorgerufen wird: Wir verbringen unsere Zeit vor dem Bildschirm, wechseln von einem Gedanken zum nächsten, von einem Gesprächspartner zum nächsten, von einem Thema zum nächsten. Mangels Zeit, etwas zu vertiefen, suchen viele zu rasch nach Lösungen – umso mehr, als mehr Infos auf uns eindringen, als wir zu verarbeiten vermögen. Das verrückte Surfen und Zappen ruiniert unser Denkvermögen, verhindert eine bedachte Analyse, fundiertes Wissen.
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Vor einigen Wochen war ich betroffen, als ich beobachtete, wie junge Leute einem Vortrag zuhörten: Sie haben ihre Mails am Computer angeschaut und mit dem Handy SMS geschickt. Die meisten von ihnen haben nichts mitbekommen.
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Man muss lernen, diese Kommunikationsmittel zu beherrschen und sich vor ihnen zu schützen. Man muss nicht immer sofort reagieren: Nicht jedes Mail muss gleich beantwortet werden. Etwas wäre ganz wichtig: Nicht immer ansprechbar zu sein, um sich konzentrieren zu können, ohne gestört zu werden. Sonst machen sich Ineffizienz und Aggressivität breit. Es ist auch gut, seinen Arbeitstag einzuteilen: Zeit für sich vorzusehen, um nachzudenken: die „virtuelle“ Tür zu schließen, etwa am Morgen. Am Nachmittag dann eine Zeit für Begegnungen einplanen – wobei der Computer das Zuhören und die Begegnung von Angesicht zu Angesicht keineswegs ersetzt.
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Wenn Sie ein Rendez-vous haben und es läutet das Handy, nehmen Sie – wenn Sie gut erzogen sind – den Anruf nicht entgegen, weil Sie nicht gestört werden wollen. Übrigens: Während ich hier mit Ihnen rede, habe ich vier Nachrichten bekommen. Aber ich werde sie mir erst zu einem späteren Zeitpunkt anschauen, sonst könnte ich nie eine Aufgabe durchgehend zu Ende führen.
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Die Jungen und die weniger Jungen dürfen sich nicht von der Technik beherrschen lassen. Diese muss ihnen dienen. (…) Die Lösung besteht darin, die Netze zu entflechten: das Handy für dringende Angelegenheiten, die Internet-Foren für den Ideenaustausch, Mails für den raschen Info-Austausch, das Abschalten des Telefons bis zum Mittagessen, um es wie eine Anzeigetafel zu benützen.
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Man kann täglich Stunden damit verbringen, seinen Nachrichten-Verkehr zu managen, immer mit dem Dilemma: Wegwerfen oder nicht? Viele sind nicht diszipliniert genug, um der Informationsflut standzuhalten. Man wird lernen müssen, richtig mit der Information umzugehen, sie zu ordnen und zu bewerten.
Denis Ettighoffer
Auszug aus einem Interview in „Famille Chrétienne“ v. 11.6.11. Ettighoffer ist Präsident von Eurotechnopolis, einem Institut, das seit fast 20 Jahren die sozialen Auswirkungen der Informationstechnologien untersucht.