VISION 20002/2001
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Das war Manipulation

Artikel drucken Ãœber eine Meinungsumfrage zum Thema Euthanasie (Enrique H. Prat)

Das IMAS-Institut hatte die Österreicher zum Thema Euthanasie befragt. In den Medien las man dann: “Mehrheit ist für Sterbehilfe" (Krone) oder “Die Hälfte der Österreicher tritt für aktive Sterbehilfe ein" (Die Presse). Ein erstaunliches Ergebnis, dem der Autor nachgegangen ist.

Ein als wissenschaftlich seriös anerkannte Meinungsforschungsinstitut hat Umfrageergebnisse vorgelegt. Die Zeitungsredaktionen haben keinen Anlaß gesehen, diese Nachricht anzuzweifeln. Die Überschrift des Berichtes “Mehrheit bejaht Sterbehilfe nach holländischem Beispiel" dürfte manchem wohl etwas überraschend vorgekommen sein, aber die Seriosität des Institutes zerstreute letztlich mögliche Zweifel.

Bei dieser Überschrift drängt sich zunächst die Frage auf, was überhaupt die österreichische Bevölkerung vom holländischen Beispiel weiß. Die telephonische Befragung hätte es klären sollen: “In Holland wurde kürzlich ein Gesetz erlassen, wonach Ärzte in ganz bestimmten Fällen schwerstkranken Menschen, die keine Chance mehr zum Überleben haben und große Schmerzen erdulden müssen, eine sogenannte “Sterbehilfe" leisten dürfen. Das heißt, daß das Leben solcher Menschen auf deren eigenen Wunsch verkürzt werden darf. Haben Sie davon gehört/gelesen oder hören Sie das zum ersten Mal?"

Man braucht kein diplomierter Sozialforscher zu sein, um zu bemängeln, daß für eine telephonische Befragung diese Frage viel zu lang ist. Man bracht auch kein diplomierter Psychologe zu sein, um vorauszusagen, daß solche Fragen ganz bequem mit einem Ja beantwortet werden können. Niemand will gerne als ignorant dastehen, und schließlich hat jeder schon einmal irgend etwas davon gehört. Die logische Antwort: Ja. Tatsächlich: 70 % antworten mit Ja.

Nicht schlüssig ist dagegen die Interpretation des seriösen Instituts: “Eine erste Erkenntnis ist, daß das Thema bei der Bevölkerung eine offenkundig sehr große Aufmerksamkeit gefunden hat". Die Tatsache, daß die Mitarbeiter von IMAS ganz sicher nicht naiv sein dürften, läßt den Verdacht aufkommen, daß wir es hier mit einer ideologisch präjudizierten Befragung zu tun haben.

Diesen Verdacht bekräftigt die zweite Frage und die Interpretation deren Antworten: “Sind sie persönlich dafür oder dagegen, daß unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zu sterben erfüllt wird?" 49 % der Befragten antworten darauf mit Ja.

Die Frage hat es in sich. Dazu drei Anmerkungen:

* Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil sie eine Voraussetzung für Sterbehilfe unterschlägt, die laut der ersten Frage im holländischen Modell enthalten ist, nämlich, daß der schwer leidende, unheilbar Kranke keine “Chance mehr zu überleben" hat. Diese Voraussetzung dürfte nur vergessen worden sein. Dies zeigt die Überschrift des IMAS-Berichtes, der die Antworten ja als Befürwortung des holländischen Beispiels deutet. Man konnte also davon ausgehen, daß es in dieser Frage um Sterbehilfe unter drei Bedingungen geht: große Schmerzen, unheilbare Krankheit und keine Chance zum Überleben.

* Die zweite Frage ist auch deswegen zweideutig, weil sie weder von Sterbehilfe spricht, noch irgendwie die ethisch relevante Unterscheidung zwischen Töten und Sterbenlassen (also den Sterbeprozeß nicht unnötig künstlich verlängern) macht. Diese Unterscheidung wäre wichtig gewesen, weil der angesprochene Sterbewunsch nämlich in den meisten Fällen rein technisch mit dem Sterbenlassen erfüllt werden kann.

* Der Begriff Euthanasie, der in der Bevölkerung eher bekannt und klarer als Sterbehilfe ist, wird von IMAS gemieden.

Daraus ziehe ich folgende Schlüsse: Erstens ist es seltsam, daß die zweite Frage nur von 49 % bejaht wird. Es wäre nämlich verwunderlich, daß 51 % der Österreicher moralisch strenger als die katholische Kirche sind. Unter den erwähnten Bedingungen spricht sich die Kirche prinzipiell für Sterbenlassen und gegen therapeutischen Übereifer aus.

Allerdings lehnt sie eine Verkürzung des Sterbeprozesses durch eine direkte Tötungsmaßnahme, d.h. die Euthanasie im engeren Sinn, kategorisch ab. Aber Euthanasie wurde in der Frage nicht angesprochen bzw. in einer mehrdeutigen Formulierung verpackt.

Zweitens hätte ich aus Überzeugung mit Ja geantwortet, ebenso wie jeder andere Katholik im Einklang mit dem Lehramt der Kirche dies hätte tun können. Allerdings kommt für mich nur ein Sterbenlassen in Frage. Das Widersinnige ist, daß meine Aussage von dem seriösen Institut trotzdem als Euthanasiebefürwortung bewertet worden wäre! Dies dank eines Tricks in der Fragestellung.

Vielleicht war IMAS all das nicht bewußt, und es ist ihm ein großer Fehler unterlaufen. Dann wäre es seinem seriösen Ruf diesmal nicht gerecht geworden. Der Schaden ist jedenfalls angerichtet. Mich hat jedenfalls das aufmerksame Studium der Aussendung beruhigt: Der breite Konsens gegen eine Tötung auf Verlangen dürfte vorerst noch vorhanden sein. Aber solche Methoden (Manipulationen) können mithelfen, den Konsens langsam zu untergraben. Fazit: Traut auch den seriösen Meinungsforschern nicht ganz!

Der Autor ist Ethiker und Geschäftsführer des Imabe-Institut in Wien.

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