VISION 20002/2001
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Wenn Gott verletzte Menschen durch Seine Liebe heilt

Artikel drucken 20 Jahre Erfahrung mit der “Agapetherapie"

Belastet von einem hektischen Lebensstil, verletzt durch erlittene Lieblosigkeit halten viele nach Heilung Ausschau - eine Herausforderung für die Kirche, ihrem Heilungsauftrag gerecht zu werden. Gespräch über ein Angebot: die Agapetherapie.

Agapetherapie - was für eine merkwürdige Bezeichnung!

Sr. Yolande Bouchard:Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet “durch Liebe heilen". Es geht da um einen geistigen Weg mit einem psychologischen Hintergrund. Während einer fünftägigen Einkehr machen sich die Teilnehmer auf den Weg in ihre Geschichte. Der Herr kommt und nimmt alles, was im Leben geschah, an und schenkt die Gnade, all das mit Ihm neu zu erleben, so wie Er gewollt hätte, daß es geschehen wäre. Er kommt, alles mit Liebe zu erfüllen, wo diese gefehlt hat. Er kann so unsere “alte Geschichte" in eine neue Schöpfung verwandeln!

P. Emile Lebel:Verletzt ist, wer nicht richtig geliebt wurde; geheilt sind jene Leidtragenden, die sich geliebt wissen. Die Störung des Gefühlslebens hat das Menschsein erstickt. Und das erstickte Menschsein sucht nach einem Ausgleich im Gefühlsleben durch künstlichen Ersatz: Drogen, Alkohol, unkontrolliertes Sexualverhalten... Aber die “Agape"-Liebe heilt diese Wunden. So erleben wir spektakuläre Heilungen tiefsitzender Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten.

Sie meinen, man könnte schon frühzeitig im Schoß der Mutter Verletzungen davontragen?

Sr. Bouchard:Vielen erscheint das unglaubwürdig, vor allem den Wissenschaftlern, aber von den Zehntausenden von Menschen, die seit 20 Jahren im Zönakel aufgenommen wurden, leidet die Mehrzahl an traumatischen Erfahrungen in den ersten Monaten der Schwangerschaft, ja sogar bei der Zeugung. Die unbewußten Verletzungen sitzen am tiefsten; sie erzeugen die stärksten und irrationalsten Blockaden.

P. Lebel:Als sich das Zönakel Mitte der siebziger Jahre für die Erneuerung geöffnet hat, ist der Zustrom stark gewachsen. Ein Wort Jesu hallte immer wieder in unseren Ohren: “Legt die Hände in meinem Namen auf, und die Kranken werden geheilt werden." Wir haben gehorcht und erkannten tatsächlich die Ergebnisse unseres Gebets: Es gab Heilungen! Wir erlebten jedoch eine Überraschung. Wir mußten wieder von vorne anfangen, dasselbe Gebet für dieselben Personen und dieselben Bedürfnisse sprechen. So lernten wir, daß Symptome oft Ursachen verdecken; gerade an diesen Traumata aber muß man zuerst ansetzen, wie an einen Keim, der das Leben zerstört. Diese Verletzungen sind nämlich wie ein Gift. Sie lösen in der Folge Verhaltensweisen aus, die uns mehr und mehr niederdrücken.

Was sind nun nach 20jähriger Erfahrung Ihre Schlußfolgerungen?

P. Lebel:Es gibt so etwas wie Vererbung, nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Ein weißer Vater und eine weiße Mutter ergeben ein weißes Kind. Warum sollte eine gestreßter Vater und eine verängstigte Mutter ein ruhiges Kind ergeben? Auf der Ebene des Körpers erklärt man die Weitergabe durch Gene. Warum sollte es nicht eine psychische und spirituelle Erbfolge geben? Wir bestehen ja nicht nur aus Materie.

Sr. Bouchard:Wer in einem Gewaltakt empfangen wurde, wird sich nicht so verhalten wie einer, der in Liebe gezeugt wurde. Das Wunschkind wird sich nicht genauso entwickeln wie eines, das man nicht wollte. Hat die Liebe gefehlt oder war sie schwach, war Gewalt im Spiel oder die Mutter aufgrund ihrer eigenen Verletzungen unfähig, ihren Mann anzunehmen, als sie empfing, oder wünschten sich die Eltern, daß die Vereinigung nicht zur Zeugung eines Kindes führen solle - in all diesen Fällen sind die Wurzeln der Existenz verletzt. Und das kann sich auf die Entwicklung des Menschen auswirken. Im Schoß seiner Mutter erlebt das Kind alles, was diese erlebt - mit dem einzigen Unterschied, daß es viel verletzlicher ist. Denn die Mutter verfügt über eine gewisse physische und psychische Widerstandsfähigkeit. Sie kann Gefühle durchleben, ohne gestört zu sein. Das Kind aber ist schutzlos. Die Ereignisse, die Gefühle werden “eingraviert". Einige werden Traumata erzeugen.

Diese Verletzung, ist das nicht eine Folge der Erbsünde?

P. Lebel:Selbstverständlich. Die Erbsünde hat uns von Gott getrennt und von seinem Plan der Liebe für die Schöpfung. Wir haben die “Gebrauchsanweisung" verloren: Wir können nicht mehr lieben, nicht mehr lieben, ohne zu verletzen und verletzt zu werden. Und wir geben diese Verletzungen - Früchte der Sünde - von Generation zu Generation weiter. Der Herr aber will diesen Teufelskreis durchbrechen! Gäbe es die Sünde in der Welt nicht, es gäbe auch kein Leiden. Je mehr wir uns bekehren, in Einklang mit Gottes Willen stehen, umso mehr wird das von der Sünde ausgehende Leid verringert. Daher ist das Wichtigste am Heilungsdienst die Umkehr zu Jesus.

Ist Empfängnisverhütung nicht ein geeignetes Mittel, sich eher ein Kind zu “wünschen" und es daher besser anzunehmen?

P. Lebel:Die Empfängnisverhütung hat vor allem die Fruchtbarkeit und das Vergnügen auseinander dividiert, was den Männer ermöglicht, in aller Gemütsruhe von ihren Frauen zu “profitieren". Man kann nach Belieben über den Körper verfügen, die Ehefrau ist dauernd verfügbar. Es ist erschütternd festzustellen, wie sehr die Zahl der Vergewaltigungen in der Ehe zugenommen hat! Unter “Vergewaltigung" verstehe ich die Vereinigung ohne Liebe, ohne wahrhaftige Zustimmung oder Bereitwilligkeit der Frau. Viele Frauen, die auf sexueller Ebene sehr verletzt, ja manchmal frigid sind, haben die sexuelle Vereinigung wie eine Aggression, wie einen Frondienst erlebt - und das wegen der Verhütung, die sie doch “befreien" hätte sollen. Hier haben wir es sogar mit einem Faktor zu tun, der zum Anstieg der Homosexualität beigetragen hat: Unbewußt lehnt der Knabe das Mannsein ab, um nicht dem Vater zu ähneln, der seiner Mutter Gewalt antat. Diese Ablehnung ist seit der Zeugung, die das winzige Wesen als lieblos empfunden hatte, festgeschrieben.

Alle Eltern machen doch irgendwelche Fehler. Sind wir also alle verletzt?

P. Lebel:Ja. In unserem Unterbewußtsein schlummert ein verletztes Kind, das von Jesus geheilt werden muß. Und der Herr will uns alle heilen. Eltern zu sein, bedeutet zu wissen, daß man sein Kind verletzen wird - so wenig wie möglich, selbstverständlich. Das gilt es anzunehmen und es in der Hoffnung zu leben, wohl wissend, daß Jesus unsere Bruchstellen nützt, um einzudringen und die Gnaden Seiner Barmherzigkeit auszugießen. Diese Gnaden, die aus Seinem offenen Herzen strömen...

Können Eltern da nicht schmerzliche Schuldgefühle entwickeln?

Sr. Bouchard:Es sollte nicht so sein, denn der Böse nützt das, um die Menschen in die Verzweiflung zu treiben. Dabei will doch der Herr diese Verletzungen nutzen, um im Übermaß zu geben. Daher sollten die Eltern diese Gnade des Glaubens und der Umkehr für sich selbst erbitten. Und sie dürfen nicht darauf vergessen, daß ihr Gebet für die Kinder sehr mächtig ist. Besonders wirksam ist das Auflegen der Hände. Es ist das Gebet im Namen Jesu, des “Namens über alle Namen": ein Gebet voller Kraft, Vollmacht, Glauben und Stellvertretung. Möge der Mann für seine Frau während der Schwangerschaft beten; mögen sie gemeinsam für dieses Kleine im Bauch seiner Mutter beten; mögen sie liebevolle Worte sagen, die ihre Annahmebereitschaft bekunden, besonders wenn es sich bei dem Kind um eine “Überraschung" handelt: “Herr, wir haben uns dieses Kind nicht gewünscht, aber Du, Du hast es herbeigesehnt. Laß es erfahren - wir bitten Dich darum -, daß Du es ersehnst."

Mögen sie untereinander ein Verhalten an den Tag legen, das so aufnahmebereit wie möglich ist. Und vor allem sollen sie nicht aufhören, über ihre Kinder zu beten, sobald sie auf der Welt sind! Selbst wenn die Kinder schlafen, können sie für sie beten und ihnen die Hände auflegen. Während des Schlafes nimmt das Herz ohne Abwehrhandlung auf. Betet für sie - aber auch für euren Ehepartner!

Nähere Informationen: Le Cénacle, 700 Ouest, rue Principale, Cacouna (Rivière du Loup), Québéc. Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 2.2.01

 

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