Viele von uns haben wahrscheinlich schon das Sterben naher Angehöriger oder von Freunden miterlebt. Da entwickelt man eine neue Sensibilität für das Leben und auch dafür, daß Sterben in Würde möglich sei.
Das Thema der Organentnahme bei Sterbenden ist ein besonders krasses Gegenbeispiel dazu. Daß diese “Kultur des Todes" in Österreich noch immer legal möglich ist, erfüllt mich persönlich mit großer Sorge.
Seit 1982 gibt es in Österreich das Bundesgesetz über Organentnahme bei “Verstorbenen", das die operative Entnahme von Organen wie Lunge, Herz und Nieren erlaubt, sobald der “Spender" verstorben ist. Voraussetzung ist weiters, daß der “Spender" sich zu Lebzeiten nicht in ein Widerspruchregister eingetragen hat, im Gegensatz zur bewußten “Zustimmungslösung", die in vielen anderen europäischen Ländern gilt. Die Problematik liegt darin, daß kaum jemand in Östereich dieses Gesetz kennt, daher die meisten der rund 200 Personen pro Jahr unfreiwillige “Spender" sind, und daß der sogenannte Hirntod, eine zunehmend umstrittene Definition, als Todeskriterium genommen wird.
Mir ist bewußt, daß dieses Thema hoch explosiv ist, geht es doch dabei um Leben und Tod von Menschen (bei Spendern und Empfängern). Und daß das menschliche Leben am Beginn und am Ende besonders gefährdet ist, wissen wir aus der aktuellen Diskussion um therapeutisches Klonen und um die Euthanasie.
Folgende Tatsachen und Begriffsklärungen erscheinen mir wichtig:
* Das Sterben ist ein längerer Prozeß und die Grenze zwischen Leben und Tod entzieht sich wissenschaftlicher Kenntnis und präziser Definition. Mit Einsetzen des “Herz-Kreislauf-Todes" (diesen Tod kennen und meinen Menschen üblicherweise) kommt es zum Aussetzen des Herzschlages, zu einer Verfärbung des Körpers und zur Totenstarre. Da dabei Leichengifte auftreten und die Organe “unbrauchbar" werden, haben 1968 unter dem Eindruck der ersten Herztransplantation in Südafrika Experten in den USA den “Hirntod" erfunden (von dem es mittlerweile fast 30 Definitionen gibt, die alle das gleiche Ziel haben, den Todeszeitpunkt möglichst weit vorzuverlegen), um rechtzeitig die noch “brauchbaren" Organe und andere Teile des Körpers explantieren zu können.
Für hirntote Patienten wird daher in der Öffentlichkeit und im Gesetz der Begriff Leiche verwendet, um diesen Unterschied zu kaschieren genauso wie die Tatsache, daß diese atmen und fiebern, während der Explantation Narkotika sowie Schmerz- und Beruhigungsmittel erhalten und sogar festgebunden (!) werden müssen. Ich empfehle dazu das Buch “Herzloser Tod" von Baureithel u. Bergmann.
* Mit der Transplantation wird die Pietät verletzt, ein jahrtausende altes Tabu gebrochen. Von einem Moment auf den anderen (oft schon im Rettungsauto) wird ein sterbender Patient zum Objekt der (Organ-) Begierde, zum Ersatzteillager für Organe. Der unauflösbare Konflikt besteht darin, daß alle Untersuchungen ab diesem Zeitpunkt - auch die Hirntod-Diagnose - nicht mehr auf sein Wohl, sondern auf die schnelle Explantation gerichtet sind.
Die Hirntod-Diagnose ist wie ein Todesurteil, das weder Irrtum noch Fehleranfälligkeit von Geräten berücksichtigt (sind nicht auch komatöse Patienten nach 15 Jahren noch aus Ihrem Koma erwacht ?). Wenn er dann im Zuge der Operation in der Nacht im OP endgültig stirbt und “sein Leben aushaucht", sind weder seine Angehörigen noch ein Priester mehr dabei. Ist das ein menschenwürdiges Sterben, ist das ein guter Tod?
* Ähnlich falsch wird mit dem Begriff des “Organspenders" umgegangen: Als Katholik habe ich persönlich klare Vorstellungen von einer Spende - ich gebe wissend und freiwillig von meinem Besitz. Auch der Papst hat in seiner Ansprache im August letzten Jahres vor dem “18th International Congress of the Transplants Society" die Wichtigkeit betont, daß der Organspender frei entscheiden und eine informierte Zustimmung geben kann.
Mit der in Österreich praktizierten Widerspruchlösung ist das unvereinbar. Fast alle Menschen, die ich in den letzten Jahren darauf angesprochen habe, glaubten zu Unrecht, daß es in Österreich zumindest die vom Papst geforderte Zustimmungslösung gäbe.
Den sterbenden Organ“spender" umhüllt ein bleierner Mantel aus falschen Begriffen, Nützlichkeitsaspekten und Heimlichtuerei.
Die wesentlichste Frage ist jedoch sicherlich die nach dem Zeitpunkt des Todes. Handelt es sich nämlich wirklich um Sterbende, wovon ich mittlerweile überzeugt bin, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Eine derart schwerwiegende Problematik wie der Zeitpunkt des Todes, die jeden Menschen und das 5. Gebot Gottes “Du sollst nicht töten" betrifft, muß dringend in einem breiten Forum von Ärzten, Theologen, Philosophen, Juristen etc. geklärt werden. Auch unser Papst fordert in diesem Punkt “moralische Gewißheit".
Und noch etwas: der Lebensbeginn ist mit dem Zeitpunkt der Empfängnis seitens der katholischen Kirche eindeutig definiert, beim Lebensende gibt es aber seit der Hirntod-Definition mehrere Varianten (!).
Abschließend eine persönliche Bemerkung als Unternehmensberater: Ein Blick auf das österreichische Gesetz zeigt, daß hier niemand eine persönliche Verantwortung trägt: Die Juristen verlassen sich auf die Mediziner, der Neurochirurg stellt nur den Hirntod fest, der Transplanteur operiert nur die Organe heraus, ein anderer Arzt reist mit dem Flugzeug an und nimmt die Organe entgegen. Mein Eindruck nach vielen Diskussionen mit Beteiligten: die meisten haben ein schlechtes Gewissen ...
Der Zweck heiligt nicht die Mittel! Wir müssen daher eindringlich einen Nachdenk- und Diskussionsprozeß sowohl in der Kirche als auch in der Politik in Österreich einmahnen.
Der Autor ist Präsident des Vereins “Werk für menschenwürdige Therapieformen", ein Patientenverein in der Steiermark. Sein Ziel ist es, medizinische Behandlungsmethoden, die den Menschen als Ganzheit sehen und seine Würde wahren, zu fördern.
Eintragung ins Widerspruchsregister
Wer in Österreich verhindern will, ungewollt zum Organspender zu werden, erreicht dies durch Eintragung ins Widerspruchsregister. Auskünfte und Formulare zum Widerspruch gegen Organentnahme erhält man unter der Tel.Nr.: 01 515 61 171 und als Download unter https://transplant.goeg.at/node/106
Senden Sie das ausgefüllte Formular mit Originalunterschrift und Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises bitte an die GÖG/ÖBIG-Transplant, Widerspruchsregister, Stubenring 6, 1010 Wien.