Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen..." (Apg 15,28) Jedesmal, wenn ich diesen Satz höre oder lese, bin ich betroffen. Entweder waren diese Männer, die Apostel und Ältesten, ausgesprochene Hochstapler, die sich göttliche Autorität anmaßten, oder sie lebten in einer Nähe mit Gott, die den meisten von uns heute abzugehen scheint.
Zugegeben: Wir haben es hier in Europa, das durch die Stürme der Aufklärung gegangen ist, schwer. Religion tritt uns vor allem als Lehrgebäude entgegen. Im deutschsprachigen Raum wird es sogar in der Schule als Unterrichtsfach wie Mathematik oder Geographie präsentiert. Namen, Daten, Geschichten werden vorgetragen, Gebote auswendig gelernt. In meiner Schulzeit hat mich das alles sogar interessiert. Aber Gott hat es mir nicht näher gebracht. Der “liebe Gott" blieb damals ein “Lerngegenstand".
Die Sakramentenspendung trägt oft auch nicht dazu bei, daß Nähe und Wirken Gottes erfahren werden. Erst unlängst fiel mir das bei einer vom Priester sehr schön gestalteten Taufe auf. Die Feier fand in einem Ambiente statt, in dem man spürte: Die meisten Beteiligten agierten in der Kirche in einem fremden Milieu. Sie kennen die Lieder nicht, wissen nicht, wann man steht oder kniet... Ein schöner Rahmen zwar, aber scheinbar blieb Gott fern.
Die in den Medien abgeführten Diskussionen über die Kirche (etwa über Verhütung, Homosexualität oder Frauenpriestertum) erwecken wiederum den Eindruck, im Glauben gehe es vorrangig um strenge Regeln. Soweit sich Christen (auch Bischöfe und Priester) zu Wort melden, argumentieren sie rein weltlich. Sie kehren die Nützlichkeit der christlichen Lebensregeln hervor, ihre Lebensträchtigkeit - und das ist gut so, verkünden sie damit doch die Wahrheit. Aber kaum jemals wird man bei solchen Gelegenheiten mit dem Zeugnis vom Wirken des Heiligen Geistes, von der Nachfolge Jesu konfrontiert. Solche Zeugnisse liest man in frommen Büchern, in Heiligengeschichten. Oft handelt es sich um Menschen aus längst vergangenen Tagen, um Geistliche oder Ordensleute. Auch da kommt leicht der Verdacht hoch, es handle sich um Personen, die in vorwissenschaftlicher Zeit gelebt oder in weltfremdem Rahmen agiert haben.
Mag sein, daß ich etwas überzeichnet habe. Aber ist damit nicht im Großen und Ganzen das Bild, das wir Christen der Welt bieten ganz gut getroffen? Wir erscheinen als Anhänger einer veralteten, eher weltfremden Lehre, die ihre Frömmigkeit vor allem im geschützten Rahmen der Kirche zum Ausdruck bringen bei zwar würdigen, dem Gros der Menschen aber in ihrem eigentlichen Wesen unzugänglichen Feierlichkeiten.
Ja, und dann gibt es noch die Caritas. Sie findet Anerkennung. Da werde wirklich etwas für die Menschen getan, hört man anerkennend. Die Kirche habe wenigstens noch ein Herz für die Randerscheinungen der Gesellschaft. Aber auch hier dasselbe Dilemma: Das viele Gute wird zu wenig auf den gütigen Gott hin gedeutet. Vielfach wird Caritas zur reinen Sozialhilfe - die natürlich auch wichtig ist! Aber auch in dieser Situation bleibt Gott scheinbar fern.
Hier stehen wir an einem entscheidenden Punkt: Es geht um die Verkündigung des nahen Gottes. Das war doch die Revolution, die Christus ausgelöst hat: Gott ist Mensch geworden und in Seinem Heiligen Geist unter uns gegenwärtig geblieben! Kommt her, Ihr werdet es erfahren!
Heute herrscht großer Hunger nach dieser Botschaft, dieser Erfahrung: Gott ist nah. Er ist Dir und mir nah. Gerade in unserer Zeit, die sich so radikal von Gott emanzipiert hat und in der die Menschen nun einsam und allein dastehen, eröffnet sich eine ungeheure Chance für diese Botschaft: Gott ist uns nah!
Alllerdings muß diese Botschaft zuerst in unsere eigenen Herzen dringen. Verhärtet durch die Auseinandersetzungen mit einem unchristlichen Milieu, gehetzt von einem Lebensstil, der nur wenig Zeit zum Verschnaufen läßt, verunsichert und verhärtet durch die Spaltungen innerhalb der Kirche verliere ich nur allzu leicht diese Erfahrung aus den Augen. Dann ist die Versuchung groß, sich an Äußerlichkeiten und Regeln anzuhalten, weil sie scheinbar Sicherheit geben: Man gehört zu jenen, die nur mit dem Mund kommunizieren, oder zu jenen, die beim Beten die Hände heben, die regelmäßig die Katechesen des Erzbischofs besuchen, die nur lateinische Messen gelten lassen, die regelmäßig zum Rosenkranz kommen... All das ist wertvoll, aber es kann zum kleinen Götzen werden.
So wichtig es ist, die Lehre der Kirche ernstzunehmen und sich nach den Geboten auszurichten, so bleibt es dennoch für ein erfülltes christliches Leben zu wenig.
Der folgende Satz aus dem Johannes-Evangelium hat mir diesbezüglich weitergeholfen: “Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird." (Joh 14,15-17)
Zuerst geht es also um die Liebe zu Jesus Christus. Die Gebote - sie zu erfüllen ist Ausdruck der Liebe zum Herrn - werden wir nur halten können, weil uns der Beistand, der Heilige Geist, geschenkt wird. Nicht mehr wir müssen uns dann um unsere Perfektionierung bemühen. Es ist der Heilige Geist, der all das in uns bewirkt. Wer könnte auch sonst seine Feinde lieben? Die zweite Wange hinhalten, wenn er auf die erste geschlagen worden ist? Immer wieder verzeihen? Oder einfach nur auf einen sommerlichen Badestrand gehen, die vielen entkleideten Frauen sehen, ohne im Herzen Ehebruch zu begehen?
Wer glaubt, die Gebote - gewissermaßen als mündiger Christ - in eigener Selbstvollkommenheit erfüllen zu können, mutet sich zu viel zu. Er legt sich die Latte zu hoch. Er verhält sich nicht viel anders als die Welt heute, die meint, der Mensch könne alles aus eigener Einsicht steuern und zur Vollkommenheit führen.
Daher ist es von so entscheidender Bedeutung, daß ich mich für das konkrete Wirken des Heiligen Geistes öffne, Ihm Tag für Tag, Stunde für Stunde die Möglichkeit gebe, mich auf Wege zu führen, die Gott für mich bereitet.
Dieses Bewußtsein vom Wirken des Heiligen Geistes in den Gläubigen bricht heute in neuer Weise in der Kirche auf. Immer zahlreicher sind jene, die sich diesem Geist anvertrauen: In den kleinsten Alltäglichkeiten (siehe Beitrag nebenan) bitten sie um konkrete Führung, um Hellhörigkeit in Gesprächen, um das rechte Wort, wenn sie um Rat gefragt werden, um Geduld, wenn ihre Nerven blank liegen, um Ruhe, wenn sie den Zorn hochsteigen fühlen, um die Kraft zu vergeben, wenn man sie gekränkt hat.
Wer sich darauf einläßt, macht erstaunliche Erfahrungen mit dem Wirken Gottes und es wird ihn drängen, anderen von diesen Erfahrungen zu berichten. So werden seine Gespräche sich bald nicht mehr auf das Ermahnen anderer beschränken, sich doch wohlzuverhalten. Das Zeugnis der im eigenen Leben erfahrenen Nähe Gottes wird in Gesprächspartnern vielmehr die Sehnsucht nach diesem Geschenk, dem Heiligen Geist, wecken.
Denn darauf dürfen wir Vertrauen: In jedem Menschen schlummert eine fundamentale Güte, ist der Heilige Geist geheimnisvoll gegenwärtig. Das mag von viel Schwäche und Bosheit überlagert sein, will aber wachgeküßt werden - wie bei jedem von uns übrigens. Je mehr nun einer den Heiligen Geist in sich wirken läßt, umso weniger werden dann widrige Äußerlichkeiten verhindern können, daß die in jedem verborgene Schönheit aufblüht.
So werden wir wunderbare Bekehrungen erleben. Wie am Anfang werden die Menschen fragen: “Was sollen wir tun, Brüder?" (Apg 2,37) Und die Antwort wird wie vor 2000 Jahren lauten: “Kehrt um, und jeder lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen." (Apg 2,38)