VISION 20004/2001
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Der Geist schenkt uns Leben

Artikel drucken Sehnsucht nach einem neuen Pfingsten (Johannes Lehrner)

Das, was der Mensch persönlich erlebt hat, kann er meist ohne Schwierigkeiten erzählen. Denn die Dinge sind für ihn lebendig. Für einen Afrikaner kann es schwer sein, etwas über den Schnee zu sagen, wenn er diesen nie erlebt hat. Ähnlich schwer tun sich Menschen über Gott zu sprechen, wenn sie keine persönlichen Erfahrungen mit ihm gemacht haben.

Niemand kann geben, was er nicht hat. Das wußte auch Petrus, als er zu dem Gelähmten an der Schönen Pforte des Tempels sagte: “Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!" (Apg 3,6) Petrus gab Leben, weil er das Leben, den Heiligen Geist empfangen hatte. Im Vergleich dazu sind Silber und Gold nichts.

Leben kann nur geben, wer Leben in sich hat. Ich spüre dies sehr in meinem eigenen Leben: bei Gesprächen, in der Beichte, bei der Heiligen Messe oder anderen Gelegenheiten. (Natürlich heißt dies nicht, daß ich das Leben gebe, denn Christus ist das Leben. Aber ich kann Christus nicht geben, wenn ich Ihn nicht habe.)

Kürzlich feierten wir das Begräbnis eines mir lieben 92jährigen Mannes, der die letzten neun Jahre seines Lebens mit seiner Tochter bei mir im Pfarrhof lebte. Nach dem Begräbnis sagten viele: Das war ein Fest, bei dem etwas vom Leben, von der Auferstehung spürbar war. Nach der Lesung sangen wir ein Lied, in das die Gläubigen einstimmten: “Freut euch, wir sind Kirche, der Leib unsres Herrn! Freut euch, wir sind Kirche, die Braut geschmückt für ihn!"

Und es waren nicht nur Worte, die wir da sangen, sondern es war Leben in diesen Worten. Jesus sagt ja auch: “Meine Worte sind Geist und Leben" (vgl. Joh 6,63).

Ist uns bewußt, daß wir ohne Jesus nichts tun können?! (Joh 15,5). Ist uns auch bewußt, daß wir mit Ihm alles vollbringen können, ja sogar noch größere Werke! (Joh 14,12). Was wir brauchen ist Jesus. Oder anders gesagt: Wir brauchen den Heiligen Geist, der Jesus in unseren Herzen lebendig macht, der die Eucharistie, die wir in uns aufnehmen, fruchtbar werden läßt.

Der Heilige Geist ist Feuer und Kraft, ist Leben und Liebe. Wenn wir ihn empfangen, werden wir lebendig, wird unser Leben ein Leben im Geist, und dann kann und will man gar nicht anders leben als eben im Geist.

Ich erlebte beim vergangenen Firmungsgottesdienst in meiner Pfarre, wie ich von innen her - ohne mich zur Schau stellen zu wollen - die Hände in großer Freiheit bei dem einen oder anderen Lied erhob. Mein Gott, dem ich singe, ist ja unser Herr, der mit seinem Geist die Mauern und Barrieren überwinden kann und der das ausgetrocknete Ödland in einen blühenden Garten zu verwandeln vermag. Zu dieser inneren Freiheit führte mich der Herr auch durch die Erfahrung des Abgelehntwerdens und mancher Leiden hindurch (und ich möchte nicht sagen, daß ich daran ganz unschuldig gewesen bin).

Wer aber weiß, daß er nichts zu verlieren hat, der lebt sich leichter, ist offener für den Heiligen Geist, der auch Balsam für unsere Wunden ist. Teresa von Avila sagte: “Gott allein genügt!" Es genügt, Gott in sich zu haben, den Heiligen Geist, der in unsere Herzen ausgegossen ist (Röm 5,5).

Ja, wir alle sehnen uns nach einem neuen Pfingsten, um das Johannes XXIII. gebetet hat, ein neues Pfingsten der Liebe. Ich bin überzeugt, daß dies der Weg ist, den unsere Kirche heute geführt wird - durch die Reinigung und das Kreuz hindurch zur Weite des Herzens. Und da Christus die Kirche will, braucht Er sie, um sein Reich einmal endgültig auf dieser Erde aufzurichten. Ein Sprichwort sagt: “Wer den Groschen nicht ehrt, ist den Schilling nicht wert!" In Abwandlung dieses Wortes können wir sagen: “Wer die Kirche nicht ehrt, ist das Reich Gottes nicht wert!" Der Herr will, daß aus den vielen einzelnen eine Gemeinschaft der Liebe entsteht. Und dies wirkt Er durch Seinen Geist.

Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich gerade, wie ein Bursch der Gemeinschaft Cenacolo die Hecke schneidet. In seiner Nähe ist ein anderer Junge, der vor einigen Tagen erst in die Gemeinschaft eingetreten ist. Beide sind Österreicher, der eine aus Graz, der andere aus der Gegend um Wien, beide aus der Welt der Drogen. Der eine ist schon heraus. Er hat zu Jesus gefunden und übermittelt dem anderen dieses Leben, das er selber einmal verloren hatte, indem er ihn Tag und Nacht begleitet. Als Schutzengel.

Ja, Leben zeugt Leben, und dieses Leben kommt aus dem Herzen. Deshalb sagt uns die Gottesmutter, daß wir mit dem Herzen beten sollen. Und Jesus sagt: Plappert nicht wie die Heiden! (Mt 6,7). Bittet und glaubt, daß ihr es schon empfangen habt (Mk 11,24). Alles kann, wer glaubt! (Mk 9,23).

Das Leben ist nicht immer einfach, es ist eben Leben und kein Theater, es ist Fülle und nicht Karikatur, es ist Jesus Christus. Und zu dir, Herr rufe ich:

“Gieße aus über mich und über uns alle, die wir dein Reich ersehnen, Deinen Heiligen Geist. Hilf uns in diesem Geist zu leben - jeden Augenblick. Gib, daß wir keine Kompromisse mit dem Geist dieser Welt eingehen. Heiliger Geist, du Geist des Lichtes, mach´ Jesus in unseren Herzen lebendig, daß wir ihn den Menschen bringen, die nach Ihm hungern und dürsten. Hilf uns, diese Welt mit dem Feuer Deiner Liebe zu entflammen, daß alles Dunkel weicht und alle ihren Retter und Erlöser Jesus preisen, der lebt und wirkt in Ewigkeit, Amen."

Der Autor ist Pfarrer von Kleinfrauenhaid im Burgenland.

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