Was Zärtlichkeit angeht, beklagen sich vielfach die Frauen zurecht darüber, daß ihre Männer diese Form der Liebesbekundung zu wenig pflegen. Aber ist dieses Versagen typisch männlich? “Meine Frau ist nie zärtlich mit mir. Ich leide sehr darunter", ist eine Klage, die P. Sonet immer wieder zu hören bekommt...
U nd heute gibt es Ehemänner - sie sind wahrscheinlich zahlreicher als früher - die darunter leiden, daß ihre Frauen allergisch auf Zärtlichkeitsbekundungen reagieren und die selbst unfähig zur Zärtlichkeit sind. Männer überrascht das umso mehr, als in ihren Vorstellungen die Frau ja die Verkörperung der Sanftheit, der besonderen Zuwendung und Einfühlsamkeit - typisch weibliche Prädikate - sind. Merkmale übrigens, die der Mann besonders an seiner Mutter geschätzt hat.
Wenn ich nun diese Zeilen schreibe, möchte ich unbedingt vermeiden, jenen Ehefrauen ein schlechtes Gewissen zu machen, die nicht dieser Ausbund an Zärtlichkeit sind, die ihr Mann erhofft hatte. Ich weiß nur zu gut, daß sie selbst oft besonders unter dieser Kälte leiden, die sich in ihnen eingenistet hat und die sie nicht zu verbannen vermögen: “Was soll ich Ihnen sagen? ... Das läßt sich nicht verordnen... Es ist stärker als ich... Soll ich mich etwa zwingen?"
Was soll man darauf antworten? Was ist zu tun?
Ich möchte zunächst ein Postulat vorausschicken, meine bescheidene Überzeugung: Ein Mangel an Zärtlichkeit im Herzen eines Menschen - das gibt es nicht. Wenn diese Zärtlichkeit nicht zutage tritt, so heißt das nicht etwa, daß sie gar nicht vorhanden wäre. Sie ist da, noch nicht erwacht oder blockiert, unerkannt oder unterdrückt, maskiert oder ängstlich verdrängt. Aber äußerst gegenwärtig. Man könnte sogar sagen, sie ist umso größer als sie nach außen hin streng beherrscht wird.
Dann geht es darum, die Ursachen dieser Verschlossenheit, dieser Blockaden zu suchen.
Die erste Erklärung, die einem einfällt, ist, daß die Frau ihren Mann nicht mehr liebt oder ihn nie geliebt hat. In einigen Fällen eine plausible Erklärung, die aber auch einfach als Alibi herhalten kann: “ Sie müssen verstehen... Ich habe ihn ohne große Begeisterung geheiratet. Meine Umgebung hat mich gedrängt. Es war eine Vernunftehe, geschlossen in der Meinung, die Liebe würde später kommen."
Man muß aber auch anderswo suchen. Beispielsweise nach einem Mangel an Zärtlichkeit in der Kindheit. Zweifellos ein Handikap: Wie soll man etwas schenken, was man nie empfangen hat? Um weniger zu leiden, versucht dann jedes Kind, sich abzuschotten oder das Gefühl, das ihm verwehrt wurde, abzuwerten. Dennoch bleibt in ihm dieses Bedürfnis nach Zärtlichkeit erhalten - auch wenn es all das nur im “Gegenlicht", als Manko, erlebt hat.
Auch die Erziehung kann schuld an bestimmten Sperren sein. Es gibt Familien, in denen Liebeserweise tabu sind, als kindisches Gehabe angesehen werden. Sich dieser Prägung bewußt zu werden, kann dazu beitragen, daß man sich von seiner Vergangenheit löst und ein Verhalten zubilligt, das man bisher für unbedeutend gehalten hatte.
Eine allzu sehr auf die Kinder ausgerichtete Zärtlichkeit - könnte nicht auch sie die Ursache für eine Gleichgültigkeit dem Mann gegenüber sein? Man kennt doch die überstarke mütterliche Liebe bei bestimmten Frauen: Sie neigen dann sehr zu der Vorstellung, daß diese kleinen, oh so schwachen Geschöpfe einer großen Zuwendung bedürfen, während ihr erwachsener, starker Mann diese durchaus entbehren könne. Als ob es für eine gute Mutter nicht vor allem auch darauf ankäme, eine gute Ehefrau zu sein ...
Die Ablehnung von Zärtlichkeit kann auch eine Ablehnung des mit der Liebkosung verbundenen Vergnügens sein. Wahrscheinlich das Zeichen mangelnder Wertschätzung des Körpers - eine Mißachtung, welche die Folge einer prüden Erziehung sein kann oder eines Geschehens, das die Person bis ins Innerste ihres Körpers betroffen hat (Abtreibung, Gewaltanwendung...). Hier kann das Gespräch mit einem Fachmann helfen, die Ursachen aufzudecken und verborgene Sperren zu beseitigen.
Schließlich kann auch der unangenehme Eindruck vorherrschen, nur als Gegenstand zu dienen, wenn der Mann stets Zärtlichkeit und sexuelle Aktivität gleichsetzt. Dann passiert es, daß sich Frauen davor fürchten.
Vielfältig sind die Ursachen. Eines ist allerdings sicher: Sobald die Ursache erkannt ist, erfordert die Heilung Zeit und Anstrengung.
Was den Mann betrifft, so kann er selbstlose Zärtlichkeit anbieten, eine, die bewußt auf sexuelle Ansprüche verzichtet, eine Zärtlichkeit, die sich nicht aufdrängt, sondern geduldig zu warten vermag. Es ist doch offenkundig, daß jede Art von Drängen (oder Bittstellung?) in diesem Bereich die Entwicklung der Frau nur behindern würde.
Gefragt ist dann eine Haltung, die ausdrückt: “Schau, ich will Dich zu nichts zwingen. Meine Arme sind einfach weit offen, damit Du Dich - wenn Dir danach ist - bei mir ankuscheln und vergessen kannst... Ich liebe Dich, einfach so!"
Und die Frauen sollten sich bemühen, zu einem Einklang mit ihrem Körper zu finden, diesem wunderbaren Instrument, diesem Geschenk des Schöpfers.
Dieser Körper, mit dem Sein Sohn nicht verschmäht hat, sich zu bekleiden!
Es ist auch ein Anlaß darüber nachzudenken, wie man zur Freude steht, um sie als ganz von Gott gewollt zu erkennen. “Es ist nichts Böses, wenn Ehegatten die mit ihrem Stand verbundenen Freuden genießen," hat der sittenstrenge Papst Pius XII. festgestellt.
Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 4.5.01