Die Kirche feiert dieses Jahr den 200. Geburtstag des englischen Konvertiten und Kardinals John Henry Newman. Er wurde am 21. Februar 1801 in London geboren und ist am 11. August 1890 in Birmingham gestorben. Über ihn schreibt Ida Friederike Görres:
“Wenn Sie mich fragen, was mich eigentlich an der großen Gestalt unseres Vaters Newman, wie wir ihn in Liebe und Verehrung nennen, am stärksten anrührt und fesselt, so brauche ich die Antwort nicht lange zu überlegen: Es ist nicht das edle humanistische Gleichmaß, nicht die christlich verklärte Gestalt des Gentleman, nicht die den Zeitgenossen weit vorausschauende Weit des Blickes, die wägende Schärfe des Urteils, die Unbefangenheit und Selbständigkeit des Gewissens; nicht die seelenbewegende Gewalt seiner Predigt, nicht die umfassende Gelehrsamkeit des vollendeten Scholars, nicht die unbestechlich die Herzen durchforschende Schau des großen Psychologen, Erziehers und Seelenführers, die sich in Predigten wie Briefen verrät: Man könnte noch lange so fortfahren und Vorzüge, Gaben und Tugenden aufzählen, die uns aus seinem wahrhaft edlen Bild bezaubernd entgegenstrahlen. doch das alles ist es nicht, sondern die eine Erkenntnis: Daß Newman ein Geopferter war."
Was meint Ida Friederike Görres mit "Er war ein Geopferter"?
Schon ein flüchtiger Blick auf das Leben Newmans läßt die Konturen seines Wesens und seines Schaffens hervortreten: es ist seine leidenschaftliche Liebe zur Wahrheit, es ist sein leidenschaftliches Ringen um die Wahrheit, und es ist seine heroische Bereitschaft, der Wahrheit zu dienen bis zur schmerzlichen Konsequenz.
Newman sah sich zusehends vor die Frage gestellt: Befindet sich die Kirche, der er angehört und die er liebt (die englische) in Einheit mit der Kirche Jesu Christi?
Sein über mehrere Jahre hinweg sich hinziehendes Studium der Geschichte der Kirche und der Kirchenväter führten ihn zur Erkenntnis, daß die Kirche Jesu Christi, die ohne Unterbrechung und ohne Abweichung auf die Apostel zurückgeht und in Einheit steht mit Petrus, in der römisch-katholischen verwirklicht ist.
“Die Kirchenväter haben mich katholisch gemacht, und ich werde die Leiter nicht zurückstoßen, auf der ich in die Kirche hineingestiegen bin", sagt Newman von sich.
Und in seinem bekanntesten Werk “Apologia pro Vita sua" schreibt er: “Wenn ich mich nicht irre, ist mein Hauptgrund, warum ich einen Übertritt(in die katholische Kirche) ins Auge fasse, die tiefe, unwandelbare Überzeugung, daß unsere Kirche sich im Schisma befindet und daß mein Heil von der Vereinigung mit der römischen Kirche abhängt."
Die Leidenschaft für die Wahrheit war es, die ihn 1845 blutenden Herzens aus seiner angestammten und geliebten anglikanischen Kirche herausführt, um vielfache Demütigungen durch katholische Glaubensgenossen und durch Rom selbst hinzunehmen.
“Ich komme also zur Kirche, weil ich ein Erbe des Himmels bin." Es war diese Erkenntnis, die solche Konsequenz von ihm abverlangte. Es gab für ihn keine anderen Gründe, wie ihm in feindseliger Weise immer wieder unterstellt worden war, im Gegenteil.
Er schrieb vor seiner Konversion: “Ich habe keine Sympathien zu römischen Katholiken. Ich bin mir keiner Begeisterung, keiner heroischen Erregung, keiner Opferfreudigkeit bewußt..."
“Ich habe nicht einen Schatten von Besorgnis, daß die katholische Kirche und ihre Lehre nicht unmittelbar von Gott sei - aber ich weiß sehr wohl, daß in gewissen Kreisen eine Geistesenge herrscht, die nicht von Gott ist."
Diese Geistesenge sollte für Newman zu einer bitteren Erfahrung werden, ja, zu einem seelischen Martyrium. Nach 15 Jahren Zugehörigkeit zur katholischen Kirche schrieb er in sein Tagebuch: “Gott, es ist mir, als hätte ich all diese Jahre vergeudet, seit ich katholisch geworden bin."
Und nach 18 Jahren schrieb er: “wie war doch meine Leben einsam und gramvoll, seit ich katholisch geworden bin."
Und trotzdem hat Newman nie an seiner Konversion gezweifelt, im Gegenteil. Er liebte die Kirche, er kämpfte für sie, er betete für sie und vergab seinen Feinden.
Er sah in der Kirche den lebendigen Christus in Gewand und in der Verkleidung der Zeit. Große Genugtuung erlebte Newman schließlich in der 1879 erfolgten Ernennung zum Kardinal durch Papst Leo XIII.
Vielleicht macht gerade diese schmerzlich Seite der Biographie John Henry Newmans seine herausragende und beispielhafte Größe aus. Und so kann gerade der so spät anerkannte Konvertit Newman heute für suchende Menschen ein Wegbereiter und Wegbegleiter zur Kirche sein. Er kann sie ermutigen, die Hindernisse auf dem Weg zur Kirche zu überwinden und nicht vor dem Tor zum Heiligtum Halt zu machen. “Es gehört zum Wesen ehrfürchtigen Glaubens, daß jemand, der zur Kirche kommt, spürt, daß er vor Gottes Stellvertreterin steht und daß sowohl in ihren Anordnungen als auch in ihrem Bekenntnis etwas Übernatürliches ist," schreibt Newman. Kardinal John Henry Newman wird oft als der Augustinus der Gegenwart, der Kirchenvater der Neuzeit bezeichnet. Sein Werk umfaßt über 80 Bände.
1955 wurde in Rom sein Seligsprechungsprozeß eröffnet. Papst Johannes Paul II. äußerte kürzlich in einem Brief an den Erzbischof von Birmingham die Hoffnung auf eine baldige Seligsprechung dieses bedeutenden Mannes.
Chronologie einer Bekehrung
1817 trat Newman ins Trinity College in Oxford ein
1822 wurde er zum “Fellow" des Oriel Collegs gewählt. Kurz darauf wurde er auch Pfarrer in St. Mary's, der Universitätspfarre von Oxford.
1839 überkamen Newman erste Zweifel, ob nicht die “römische Kirche" wie sie Anglikanern abfällig bezeichneten, die wahre Kirche Christi sei.
Ende 1841 zieht er sich nach Littlemoore zurück. Durch Fasten, Gebet und Studium will er Klarheit über seinen Weg erlangen.
1845 erlangt er die innere Gewißheit, konvertieren zu müssen. Seine Bedenken gegenüber der katholischen Kirche sind jedoch zunächst noch nicht ganz ausgeräumt.
Am 8. Oktober 1845 legt er bei P. Dominik Barberi, einem italienischen Passionisten, seine erste Beichte ab, so ausführlich, daß er sie am nächsten Morgen fortsetzt. An diesem 9. Oktober nimmt ihn P. Barberi ihn in die römisch-katholische Kirche auf.