Das Umfeld der Familie hat sich in den ursprünglich christlich geprägten Ländern geändert: Die Glaubenslosigkeit prägt den Alltag. Immer schwieriger wird daher die Vermittlung des Glaubens sowohl in den Schulen als auch in den Pfarren. In dieser Situation ist die christliche Familie besonders gefordert. Sie müsse zur Hauskirche werden, appellierte Familienbischof Küng beim “Symposium Hauskirche" im März. Im folgenden einige Punkte aus seinem Vortrag:
* Alle Getauften nehmen am Priester-, Propheten- und Königsamt Christi teil. Dies ist für die Verwirklichung der Sendung der Kirche wichtig. Von ganz besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit den Kindern die Aufgabe der Eltern. Diese Aufgabe ist unveräußerlich, nicht ersetzbar. Sie entspringt direkt aus dem Ehesakrament, sie ist nicht von irgend jemandem delegiert. Sie sind die Erstverantwortlichen.
In der pluralistischen Gesellschaft kommt der Familie auch deshalb eine ganz besonders große Bedeutung zu, weil sie unter Umständen die einzige Institution ist, die christliche Werte vermittelt - soweit die Eltern ihre Aufgabe wahrnehmen. Es kann die Situation eintreten: Entweder nehmen die Eltern die Glaubensvermittlung in die Hand oder sie geschieht überhaupt nicht.
* Die Familie braucht normalerweise den Rückhalt der Pfarre. Die Einbindung in die Gemeinschaft der Gläubigen ist sehr wichtig. Die Feier der Eucharistie ist Zentrum und Wurzel christlichen Lebens. Nur von Christus her wächst auch die Hauskirche. Die Mobilität des modernen Menschen scheint eine gewisse Auflockerung dieses Pfarrprinzips zu bringen. Dennoch wird in der Regel der Pfarrer der zuständige Hirte sein, der zu beurteilen hat, ob eine bestimmte Katechese der Lehre der Kirche entspricht und ob die Voraussetzungen für den Sakramentenempfang gegeben sind.
* In der Regel werden die Eltern auf die Unterweisung durch die Schule und geeignete Katecheten, die im Rahmen der Pfarre die Glaubensinhalte kompetent und dem Lehramt der Kirche entsprechend darlegen, nicht verzichten können.
Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es allerdings, die Familienkatechese gehe allen anderen Formen der Glaubensunterweisung voran. Jede Familie muß das tun. Diese Katechese ersetzt nicht die Unterweisung durch die Pfarre. Falls Eltern zu dem Schluß gekommen sein sollten, daß in der Pfarre der Glaube der Kirche nicht genügend oder gar nicht mehr vermittelt wird - das kann passieren -, dann werden sie zunächst kein Mittel unversucht lassen (aus Liebe zu den anderen Pfarrmitgliedern) etwa durch eigenes Mittun eine Verbesserung der Katechese zu erreichen. Sie werden aber auch versuchen, zu Hause zu ergänzen, was in der offiziellen Vermittlung mangelhaft ist.
Wenn heute in den Schulen kaum mehr christliche Werte vermittelt werden, wird sich die Frage stellen, ob nicht neue Schulen zu gründen sind, Schulen, in denen christliche Lehrer wirken.
* Die Familie ist Subjekt der Pastoral: In der säkularisierten Gesellschaft hängt von ihr in der Weitergabe des Glaubens, der Schule des Lebens und der Liebe sehr viel ab. Eltern sind immer die Erstverantwortlichen für die Glaubensunterweisung ihrer Kinder. Nicht der Pfarrer oder der Bischof. Sie brauchen dafür keinerlei Beauftragung. Eltern und Kinder sind durch Taufe und Ehesakrament aufgerufen, selbst Ideen zu entwickeln, wie man unter den Bedingungen der modernen Welt den Glauben lebt.
Sie müssen überlegen, wie ihr Tagesablauf zu organisieren ist, damit es ein christliches Leben ist. Wie sie die Aufgabe untereinander verteilen, wie sie Zeit füreinander finden, wie sie miteinander beten, feiern, die Freizeit gestalten, wie sie Konflikte lösen, Spannungen abbauen. Sie müssen herausfinden, wie sie die Gebote Gottes umsetzen.
Deshalb sind Erfahrungen einzelner Familien für andere interessant und hilfreich. Ein Kreis von Familien hat sehr viel Kraft, wenn er lebendig ist. Das ist das Thema Hauskirche.
* Die wohl wichtigste Voraussetzung für die Lebens- und Liebesbefähigung sowie für die Weitergabe des Glaubens ist die Liebe der Eltern zueinander und zu den Kindern. Mutter und Vater haben einen je eigenen und unersetzbaren Anteil in der Erziehung der Kinder. Das wichtigste ist ihr Vorbild. Das bedeutet nicht Fehlerlosigkeit. Es bedeutet trotz aller Schwächen nie im Bemühen aufzuhören.
Es kann gar nicht genug getan werden, um Ehevorbereitung und -begleitung zu verbessern. Eine dauerhafte Liebe zwischen den Eheleuten und den Kindern ist bei allen persönlichen Grenzen kein unerreichbares Ideal, wie man es heute oft darstellt. Es setzt freilich Anstrengung und Suche nach den Quellen voraus.
Die tiefere, von Christus her geschenkte Grundlage für eine dauerhafte, reifende Liebe zwischen den Eheleuten und den Kindern, die Grundlage für die Entwicklung eines christlichen Lebens in der Familie sind die Taufe, die Firmung, das Ehesakrament. Christus ist also die eigentliche Grundlage.
Wir sollen Ihn aufnehmen, um mehr wir selber, mehr Sein Abbild zu werden. Die Eheleute sind berufen, einander beizustehen, damit dieses Abbild Gottes im anderen entdeckt, gefördert, gepflegt wird.
Gerade der Glaube schenkt Licht, um in unserer Situation einen Weg zu finden. Die Familie stellt so eine große Kraft dar, eine Hoffnung inmitten aller Unsicherheiten, Bedrängnisse und Streßsituationen unseres Lebens. Ich glaube, daß wir in der Familie das Medikament haben für das Leben. Gott schenkt es uns.
* Die Familie ist für den Christen der erste Übungsplatz des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Der familiäre Alltag ist die unmittelbare Gelegenheit, einander die Liebe zu zeigen, die Liebe zu leben, den Tag christlich, also gottbezogen und untereinander verbunden zu gestalten.
Wichtig ist der gute Anfang mit einem gemeinsamen oder persönlichen Gebet. Was ich sagen will: Der familiäre Alltag ist die Inkarnation des Glaubens. Für die Kinder ist es der Übungsplatz.
In unserer Zeit ist mehr als früher ein bewußtes Bemühen, eine konkrete Festlegung nötig, um christlich in der Familie zu leben. Weil die Verpflichtungen vielfältig, die Mobilität groß, die Abläufe dynamisch sind. Daher müssen die einzelnen Paare kreativ sein: die Gestaltung des Sonntags, der Freizeit. Die Gemeinsamkeit muß gepflegt werden. Das ist eine Herausforderung, schwierig, aber attraktiv.
Die liebevolle Gestaltung der hohen Festtage kann zu einem großen Schatz werden. So daß alle gerne wieder nach Hause kommen. Da werden dann Traditionen von einer Generation zur nächsten - wenn auch in neuen Formen - übertragen.
* Sehr wichtig ist die Bewältigung der existentiellen Fragen, die Verarbeitung der großen Ereignisse (Krankheit, Tod) aus dem Glauben heraus. Das ist praktische Katechese, die eindringt, verwandelt, eine Chance darstellt, die kein Pfarrer, kein Bischof wahrnehmen kann. Mit dem rechten Wort können das Vater und Mutter am besten tun.
Auch Kinder können in dieser Situation durch ihren unverbildeten Kommentar den Eltern neue Horizonte eröffnen. Das ist Familie, das ist Hauskirche.
Das besondere Merkmal der Hauskirche ist, daß sie am Schnittpunkt zum praktischen Leben steht. Die Geheimnisse fließen in den Alltag ein.
- Christliche Familien können wesentlich dazu beitragen, daß die pastorale Arbeit in den Pfarren an Qualität gewinnt. Wir schimpfen zwar gerne, überlegen aber zu wenig: Was könnte ich tun? Wenn man da mittut, profitiert man selbst sehr. Man lernt die Dinge oft erst dann, wenn man versucht, sie einem anderen zu erklären. Dazu muß man sich gut informieren. Es wird auch notwendig sein, freundlich, aber doch auch mit einem gewissen Nachdruck, in die Diskussionen einzugreifen. Eine christliche Familie kann so für eine ganze Pfarre zu einem wahren Segen werden, zu einem Rückhalt.
Auszug aus dem Einleitungsvortrag des Symposiums Hauskirche