In der Nummer 4/2001 habe ich mich mit Aspekten der gezielten Propagierung von Homosexualität in den letzten Jahren und Jahrzehnten auseinandergesetzt. Das hat die Mutter eines homosexuellen jungen Mannes zu einem Leserbrief angeregt, der verständlicherweise kritisch, aber weitgehend unpolemisch ist. Er bringt gut zum Ausdruck, in welch schwierige Situation die Angehörigen eines sich homosexuell bekennenden Menschen geraten. Daher bringen wir einen relativ langen Auszug aus diesem Brief und einen eigenen Beitrag. In ihm habe ich nicht versucht, die Aussagen der Leserin im einzelnen zu widerlegen, sondern von ihr angeschnittene Aspekte aus der eigenen Perspektive zu reflektieren.
Leserbrief einer betroffenen Mutter
Wissen Sie, wie eine Mutter da fühlt?
Ich möchte gerne, daß Sie wissen, wie es einer Mutter geht, wenn sie Ihren letzten Artikel liest. Mein Sohn ist homosexuell, und ich weiß das nun seit mehr als 1,5 Jahren.
Vor über 20 Jahren kam ich mit der charismatischen Gemeindeerneuerung in Kontakt. Auch mein Sohn war bereits fünf Jahre lang bei einem Jugendgebetskreis. Er war ein “begeisterter Christ", ist auf die Straße gegangen, um zu evangelisieren...
In letzter Zeit hatte die Begeisterung nachgelassen. Er war bedrückt und so, daß ich mir ernsthaft Sorgen um ihn machte. Da ich mich nach wie vor vom Heiligen Geist begleitet fühle, glaube ich, daß auch der Zeitpunkt seines “Outings" mir gegenüber von Ihm gelenkt war...
Daß ich tatsächlich zu weinen begonnen habe, hat aber einen ganz anderen Grund gehabt: “Siehst du, jetzt heulst du doch!", hat mein Sohn etwas traurig und enttäuscht gemeint. “Ja", habe ich geantwortet, “ich muß deshalb weinen, weil du mir gerade gesagt hast, du hast mehr als drei Jahre (!) geglaubt, du seist vom Satan besessen."
Können Sie sich vorstellen, was das für einen Menschen heißen muß, der bereit ist für Gott zu leben, zu glauben, daß dieser Gott ihn dem Satan überläßt?
Was war geschehen? Die, denen er sich anvertraut hat, (sie haben es in ihrem heiligen Eifer gut gemeint, dessen bin ich sicher) haben ihm die Hände aufgelegt, haben für ihn gebetet, haben ihm die einschlägigen Bibelstellen vor Augen gehalten, “liebevoll und verständnisvoll", so wie auch Sie das in ihrem Artikel schreiben. Sie haben sich brav daran gehalten, meinem Sohn Verirrungen vorzuhalten und ihm “aus der Misere" zu helfen, solange, bis er keinen andere Ausweg mehr sah, als sich umzubringen.
Gott hat ihn nämlich nicht “geheilt", so wie sich das die guten Katholiken vorstellen. Nämlich so, daß aus dem sündigen Homosexuellen ein braver Heterosexueller wird. Dabei glaubte er ein paarmal selbst, endlich “geheilt" zu sein, weil er es wirklich wollte, und weil er den anderen glaubte. Er versuchte sogar eine Beziehung zu einem Mädchen aufzubauen, um kurze Zeit später - noch frustrierter - festzustellen, daß es wiederum nur bloße Einbildung gewesen war. Er hat sich als Verdammter gefühlt.
In Bezug auf Heilung steht da jetzt natürlich Meinung gegen Meinung. Ich habe damals mit P. Joop Roeland gesprochen..., als mit der Homosexuellenpastoral Beauftragter sicher einer der bestinformierten Leute in Wien. Das erste, was er mir bereits am Telefon sagte, war: “Diese Menschen brauchen als erstes den Segen der Eltern!" “Den hat er," hab ich zwar spontan geantwortet.
Ich muß aber ehrlich bekennen, leicht war es für mich nicht. Selbstverständlich war es für mich, hinter meinem Sohn zu stehen. Aber Segen bedeutet mehr. Segnen heißt, etwas gut finden, und zwar nicht nur meinen Sohn, sondern auch seine Veranlagung. Und das bedeutet auch gleichzeitig Heilung! Gott heilt - auf eine andere Weise.
Er hat seit mehr als einem Jahr einen Partner, den er liebt und der in unserer Familie voll integriert ist. Er fühlt sich - wieder - als wertvoller Mensch. Allerdings ist er aus der Kirche ausgetreten - aus genau diesen Gründen, die auch in Ihrem Artikel anklingen. Weil ihn die Kirche nicht so akzeptieren kann, wie er ist; vielmehr noch, ihn als Sünder sieht, wahrscheinlich noch als verstockten, weil er nach fünf Jahren “vergeblichem Gebet um Heilung" sich abgewandt hat. Für solche Menschen ist kein Platz in der Kirche, nach Ihrer Meinung und der von vielen in Erneuerungsbewegungen.
Es ist schmerzhaft für mich, Artikel wie den Ihren zu lesen, weil mir Unverständnis entgegenschlägt, weil die Kreise, die mir einmal sehr viel bedeutet haben, unbarmherzig sind.
Ich will nicht Bibelstellen gegen Bibelstellen ausspielen. Aber die Stellen, die immer wieder zitiert werden, sind in eine ganz andere Zeit hineingesprochen worden. Exegeten sprechen davon, daß es sich im Alten Testament um Kultprostitution gehandelt hat, während Paulus wiederum jede Art von Sexualität geißelt.
Heute bemüht sich die Exegese darum, beim Lesen der verschiedenen Stellen, auf ihren “Sitz im Leben" zu achten. Ich kann nicht Sätze, die vor 3000 Jahren ihre Gültigkeit gehabt haben, wortgetreu in das Heute übertragen, noch dazu, nachdem viele Übersetzungen ihre Spuren hinterlassen haben.
Homosexualität ist nicht heilbar, weil sie keine Krankheit ist. Sie können einen homosexuellen Menschen nur heilen, indem sie ihm seinen Selbstwert wiedergeben. Aber Sie können von Gott nicht erbitten, daß er die homosexuelle Ausrichtung verwandelt, ebensowenig wie Sie Ihn bitten können, die Hautfarbe eines Schwarzafrikaners in weiß zu verwandeln, damit er von niemandem mehr diskriminiert wird. Diskriminiert wird er erst dann nicht mehr, wenn wir seine schwarze Hautfarbe als richtig empfinden.
Homosexuelle Menschen möchten als gleichwertige Menschen angesehen werden, als solche hat Gott sie auch gemacht.
NN
Name und Anschrift der Autorin sind der Redaktion bekannt.