VISION 20005/2001
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Den großen Wert der Sexualität erkennen

Artikel drucken Die Gebote als Wegweiser zum erfüllten Leben, nicht als Spaßverderber (Christof Gaspari)

Ich greife die nebenstehenden Äußerungen gerne auf, um noch einmal auf das in der letzten Nummer angeschnittene Thema “Homosexualität" zurückzukommen. Dabei ist mir klar: Auf einen Brief zu antworten, aus dem man so viel Leid heraushört, ist ein gefährliches Unterfangen. Nur allzu leicht steht man als unbarmherziger Richter da, der um eherner Prinzipien willen über Leichen geht.

Daher gleich vorweg die Klarstellung: Ich maße mir kein Urteil über die Betroffenen an, sondern möchte nur anhand des geschilderten Falles allgemeine Aspekte einiger im Brief angeschnittener Fragen aufgreifen.

Trotz Gebetes, Handauflegens und redlicher Bemühungen, habe Gott den Sohn nicht so geheilt, wie gute Katholiken sich das so vorstellen, schreibt unsere Leserin. “Aus dem sündigen Homosexuellen (sei eben kein) braver Heterosexueller" geworden. Diese Gegenüberstellung möchte ich aufgreifen: Wer in sich homosexuelle Neigungen spürt, ist deswegen nicht schon ein Sünder. Er sündigt erst, sobald er diese Neigung in gleichgeschlechtlichen Handlungen umsetzt oder sie ausgiebig in seiner Phantasie auslebt.

Darin unterscheidet er sich übrigens nicht von Menschen, die sich zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen. Auch sie sind angehalten, ein geordnetes Sexualleben zu führen und nicht schon deswegen “brav", weil sie heterosexuell sind. Das bedeutet: Zügelung der Vorstellungswelt (schwierig in einem sexuell so stimulierenden Umfeld!), voreheliche Enthaltsamkeit, eheliche Treue, ja mehr noch: einen Umgang mit dem Partner, der diesen nicht als Lustobjekt mißbraucht. Wie hoch der Herr diesbezüglich die Latte legt, ist bei Matthäus nachzulesen: “Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen" (Mt 5,28).

Diesen Satz sollten wir nicht als Sexualfeindlichkeit der Kirche abtun. Er verweist uns vielmehr auf die Kostbarkeit der Frau und den hohen Stellenwert der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau. In diesem für das Entstehen eines neuen Menschen mit Ewigkeitswert offenen Einswerden der beiden, wird das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes in der Schöpfung gegenwärtig gesetzt. So sieht es jedenfalls Papst Johannes Paul II., der Wunderbares über die Berufung von Mann und Frau geschrieben hat.

Halten wir fest: Um dieses tiefe Geheimnis geht es bei der Sexualität des Menschen. Insofern er sich nach diesem hohen Ziel ausstreckt, erlebt er Erfüllung in der sexuellen Begegnung. Je weiter davon abgekommen wird, umso schaler, umso frustrierender wird das Geschehen, umso mehr wird versucht, es durch verschiedenste Praktiken und wechselnde Partner lustvoll zu erhalten.

All das ist zum Scheitern verurteilt, wie wir nach Jahrzehnten sexueller Liberalisierung sehen. Viktor Frankl, der große Wiener Psychiater, hat es kurz und bündig so erklärt: Je mehr es einem um die Lust geht, umso mehr vergeht sie einem schon.

Und damit zurück zum Thema: Ausgelebte Homosexualität ist notwendigerweise unfruchtbar, also nur auf Lusterzeugung ausgerichtet - und somit fehlgeleitet. Das bedeutet nicht, daß tiefe Männerfreundschaften sich nicht durch Zeichen ausdrücken dürften. Aber das heißt klarerweise nicht, sich sexuell zu stimulieren.

Es stimmt: Es ist schwer, mit seinen sexuellen Impulsen umzugehen. In dieser Dimension erlebt der Mensch nur allzu leicht sein Scheitern. Ja, sprechen wir es ruhig aus, in dieser Hinsicht wird viel gesündigt. Wer wagt es da, auf andere den ersten Stein zu werfen? Als Christen wissen wir aber, daß nicht das Sündigen die eigentliche Katastrophe ist, sondern das Verharren in der Sünde, das Abschaffen der Sünde. Gott will uns durch Seine Gebote ja nicht den Spaß am Leben verderben, sondern vor Irrwegen bewahren.

Das leitet zu einem anderenAbschnitt im Brief über, wo vom Kirchenaustritt die Rede ist, “weil ihn die Kirche nicht so akzeptieren kann, wie er ist." Mag sein, daß dem jungen Mann der Eindruck vermittelt wurde, er sei minderwertig. Das wäre schade. Denn Gott akzeptiert jeden Menschen so, wie er ist. Aber so sehr Gott den Sünder liebt, so sehr verabscheut Er die Sünde, weil sie den Menschen auf einen Götzen fixiert und von Gott wegführt. Die Gebote sind ja Wegweiser zum erfüllten Leben mit dem lebendigen Gott. Wer Sünden abschafft - und das tun jene, die klare Aussagen der Schrift heute umdeuten -, beraubt den Menschen der Möglichkeit, diesen Weg zu finden.

Und damit sind wir bei der Frage nach der Barmherzigkeit angelangt: Es ist keineswegs unbarmherzig, jemanden auf einen tödlichen Irrtum aufmerksam zu machen - auch wenn dies ein mühsames Umlernen und Neuausrichten erforderlich macht. Aber das ist weniger schlimm, als überhaupt sein Ziel zu verfehlen.

Wenn mich jemand, der vor Stunden mit dem Auto aus Graz aufgebrochen ist, in Wien fragt, ob er richtig nach Italien unterwegs ist, bin ich dann barmherzig, wenn ich ihn zum Weiterfahren Richtung Osten animiere? Handle ich nicht in seinem Interesse, wenn ich ihm den Rückweg nach Graz zumute, damit er weiter Richtung Westen fahrend an sein Ziel gelangt?

Gott lädt uns nicht ein, alles, was andere tun, gutzuheißen. Im Gegenteil: Oft werden wir herausgefordert sein, im Interesse des anderen, also aus Liebe zu ihm, ein Wort zu sagen, das ihm wehtut. Zum Propheten Ezechiel spricht Er: “Wenn ich zu einem, der sich schuldig gemacht hat, sage: Du mußt sterben!, und wenn du nicht redest und den Schuldigen nicht warnst, um ihn von seinem Weg abzubringen, dann wird der Schuldige seiner Sünde wegen sterben. Von dir aber fordere ich Rechenschaft für sein Blut." (Ez 33,7) Barmherzigkeit kann durchaus ein Vorwand für Gleichgültigkeit oder Feigheit werden.

Ähnliches gilt für das Segnen: Wie gut, daß die Mutter ihr Kind, das in Schwierigkeiten segnet! Jedes Kind sollte täglich vom Segen der Eltern begleitet werden. Für die Entwicklung des Kindes ist es von größter Bedeutung, sich von seinen Eltern angenommen zu wissen - wie es nun einmal ist, mit allen Anlagen, wie die Leserin schreibt. (Daß es eine homosexuelle Veranlagung gibt, ist übrigens anzuzweifeln, siehe Seite 27 und das ausgezeichnete Buch von Andreas Laun: “Homosexualität aus katholischer Sicht").

Aber selbst wenn es eine solche “Veranlagung" geben sollte, bedeutet der Segen der Eltern kein Ja zum verkehrten Tun des Kindes. Wenn uns in der Bergpredigt ans Herz gelegt wird, jene zu segnen, die uns verfluchen, so ist damit doch auch nicht die Bejahung des Fluchens einbezogen.

Bleibt noch eine Schlußbemerkung: Man mag darüber streiten, ob man Homosexualität als Krankheit bezeichnen soll oder nicht. Eines stimmt sicher: Wer sich homosexuell betätigt, leidet unter einer sexuellen Fehlausrichtung - ein unvoreingenommer Blick auf die Anatomie genügt, um sich davon zu überzeugen. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat sie ihre Wurzeln in der Kindheit, wie viele andere sexuelle Störungen auch.

Und das gibt doch Hoffnung. Die Betroffenen sind somit keinem blinden Schicksal ausgeliefert. Vielmehr haben sich mit der Hilfe Gottes und unterstützt von guter psychologischer Betreuung schon viele aus einem äußerst belastendem Verhalten herausgefunden. Glaubt man dem Zeugnis Betroffener kann das allerdings viele Jahre dauern, ist oft mit Rückschlägen verbunden und vor allem: Am Ende eines solchen Weges steht nicht unbedingt eine Ehe. Sie ist nicht das Maß für die gelungene Rehabilitation.

Solche Schwierigkeiten sind jedoch nicht außergewöhnlich. Geht es nicht jedem mit seinen Schwächen und Sünden ähnlich? Mit wieviel Fehlverhalten kämpfe ich seit Jahrzehnten? Und wie oft muß ich mich beim Beichten wiederholen! Beschämend, aber Gottes Vergebung wirkt jedesmal befreiend und sie hilft zumindest einen Schritt weiter.

Christof Gaspari

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