VISION 20006/2001
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Wieder einmal ein neuer Anfang

Artikel drucken (Helmut Hubeny)

Am Nationalfeiertag sitzen uns die unvorstellbaren Ereignisse des 11. September noch im Nacken," so eröffnete der Priester am 26. Oktober seine Predigt im Stephansdom. Ich war damals im September fassungslos, wie wohl wir alle. Voll Zorn, Trauer und Entmutigung. Und zugleich überrascht von der tiefen Symbolik, daß die Kathedralen des Mammon und des Krieges getroffen worden waren.

Voll Zorn über die verbrecherische Anmaßung, über den Mißbrauch einer Religion, wohl wissend, wie selbstgerecht auch ich in meinem christlichen Leben sein kann. Voll Trauer über den Tod tausender Unschuldiger. Voll Entmutigung, weil ich mich ohnmächtig fühle als Nutznießer eines überzogenen Systems, das die Kluft zwischen Arm und Reich immer mehr vergrößert. Hilflos gegenüber Terror, hilflos gegenüber Krieg, der politisch geboten scheint und militärisch doch nicht zu gewinnen ist.

Und zugleich ertappt bei meinem Tanz ums goldene Kalb - zwar nicht in der ersten Reihe, aber doch in der anonymen Masse der Fans. Ertappt bei der Mitwirkung am Turmbau von Babel - auch hier nicht als Baumeister, aber doch als unauffälliger Anleger, der auf seinen “shareholder value" schaut. So gilt auch für mich: “Ich bin Amerikaner!"

Diese Situation hat mir bewußt gemacht, was ich seit 1995 immer mehr erkannte: der Anlaß für unseren Nationalfeiertag, die immerwährende Neutralität, ist uns abhanden gekommen. Es wird Zeit, daß wir Österreicher daraus die legistischen Konsequenzen ziehen. Sonst bleiben wir das, was wir sind - Trittbrettfahrer der Europäischen Sicherheit.

Was bleibt mir als persönliche Konsequenz? Umkehr. Die Lesung vom 26. Oktober hat mich ermutigt. Denn auch Paulus gesteht: “Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will."

Also war ich wieder einmal beichten. Das ist überhaupt nicht spektakulär und scheint auch nichts zu verändern. Und doch darf ich in meinem eigenen Lebensbereich mit Christus wieder neu anfangen. Ich möchte alle ermuntern, es mit dem Blick auf das neue Kirchenjahr auch zu tun.

Helmut Hubeny

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