VISION 20006/2001
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Die Kirche lebt!

Artikel drucken Plädoyer gegen die Resignation in der Kirche (Andrea Dillon)

Es ist ein jahrhundertealtes Gerücht, daß es mit der Kirche abwärts gehe. Zu allen Zeiten hat es das gegeben: die Rufe jener, die der Kirche den baldigen Tod oder doch wenigstens einen langsamen, aber stetig voranschreitenden Untergang prophezeiten. Denken wir an die Hetzschriften von Voltaire, Rousseau oder Mirabeau im 18. Jahrhundert und an ihren siegesgewissen Jubel beim Tod des damaligen Papstes Pius VI.: “Pius VI. der Letzte! Rottet sie aus, die Verruchte (= die katholische Kirche)!"

Denken wir an die gewaltigen geschichtlichen Umbrüche in der Zeit zwischen dem 7. und 17. Jahrhundert, mit der steten Bedrohung von außen durch den Islam (vor allem die Türken), aber auch mit dem gewaltigen inneren Verfall, der zu Reformation und Gegenreformation führte...

Nein, wahrhaftig, wirklich positiv und erfolgversprechend hat es - zumindest wenn man die Geschichte der letzten 20 Jahrhunderte mit rein menschlichen Augen betrachtet - im Grunde nie ausgesehen mit dieser Kirche! Dennoch hat sie überlebt.

Trotzdem ist Resignation heute weit verbreitet. Es ginge eben doch unaufhaltsam abwärts, wird geklagt, es sei eben doch alles furchtbar und werde immer ärger. Gewiß, es ist denkbar, daß der Allmächtige es so in seinem Plan festgelegt hat, daß in Europa, der Urwiege des weltweiten Christentums, die Gläubigen zu einer kleinen Minderheit werden, während in allen anderen Kontinenten die Zahl der Katholiken ansteigt, die Seminarien und Klöster überfüllt sind und von Priestermangel außerhalb der westlichen Welt keine Rede sein kann.

Aber es könnte doch genausogut sein, daß diese Idee der kleinen Herde nur in unserer eigenen Resignation begründet ist! Wo bleibt unsere Hoffnung auf das Wirken des Heiligen Geistes, der Triebfeder aller Mission, allen Glaubens und allen Opfermutes?

Haben wir nicht vielleicht den Fehler begangen, zu sehr auf unsere eigene Kraft zu bauen, auf Konzepte, Planungen, pastorale Strategien, auf Organisation und Management? Oder - Frage aller Fragen! - haben wir inzwischen gar schon den Glauben verloren, den Glauben an das wirkmächtige Eingreifen Gottes, den Glauben an das Wunder? An das Wunder durch den Heiligen Geist, der doch Leben schafft, wie es im Kirchenlied heißt? Denn ohne ihn können wir nichts vollbringen!

Und wie ist es denn wirklich mit der angeblich “toten", zumindest aber doch “sterbenden" Kirche - auch in Europa? Werfen wir doch einmal einen Blick auf sie. Dazu zwei Beispiele:

Deutschland

Wir erhalten dringende Post aus einem Kloster, geschrieben von einer irischen Ordensfrau namens Mary Jane. Sie berichtet davon, daß ihre Ordensoberen unter den Einfluß eines gruppendynamisch arbeitenden Kreises geraten seien und nach diesem Modell jetzt die gesamte Klostergemeinschaft umkrempeln wollten. Sie selbst habe zwar Kenntnis davon, wie zerstörerisch sich gruppendynamische Tendenzen bereits auf Klöster in den USA ausgewirkt haben, und habe daher auch dringend davor gewarnt; aber niemand wolle zu Hause auf sie hören...

Auch Schwester Mary Jane macht mit - gezwungenermaßen, nicht freiwillig; denn es sei ihr dabei jedes Mal neu so zumute, als werde ihr körperliche Gewalt angetan, heißt es in einem ihrer Briefe.

Ein klarsichtiger Priester rät ihr, die Gemeinschaft zu verlassen, um in diesem Psychokram nicht völlig kaputtzugehen, oder aber wenigstens die Möglichkeiten zu prüfen, in einen anderen Orden zu wechseln, der spirituell noch gesund ist; aber die Schwester möchte das nicht.

“Dann wäre ja Christus in unserer Gemeinschaft ganz verlassen," schreibt sie einmal. “Niemand hier kümmert sich noch viel um das Gebet, allen geht es jetzt nur um ihre Selbstverwirklichung und um die totale Umgestaltung der Ordensregel. Allein schon deswegen möchte ich hierbleiben und unaufhörlich vor dem Tabernakel Anbetung halten - wenigstens im Geiste. Die Kraft dazu wird Er mir schon schenken! Und eines Tages wird dann vielleicht auch für die ganze Kommunität ein Neuanfang möglich sein."

Rumänien

Werner ist ein junger Schweizer, der nach einer Ausbildung in der Lebensmittelindustrie ins Ausland gegangen ist und in verschiedenen Ländern jeweils einige Monate lang gearbeitet hat, um fremde Sprachen und Kulturen kennenzulernen. Vor drei Jahren ist er in Rumänien gelandet, wo er seither mit Hilfe einer Schweizer Mutterfirma eine große Fabrik aufbaut und leitet, mit mehreren hundert Angestellten und rasch ansteigenden Exportmöglichkeiten. Das bedeutet Arbeitsplätze für die Bewohner der umliegenden Dörfern, bedeutet eine allmähliche Verbesserung der Infrastruktur dieser Region - und bedeutet Hoffnung für Menschen, die dieses Wort schon lange aus ihrem Vokabular gestrichen haben.

Zwar hat Werner mit dieser Tätigkeit beruflich großen Erfolg, aber das Leben im hintersten Zipfel dieses armen Landes entbehrt doch jeglicher Annehmlichkeit - meist fehlen sogar die einfachsten Dinge hygienischer oder medizinischer Natur. Ich freue mich darum für ihn, als er mir von einem Angebot aus den USA erzählt. Mit Mitte 30 wäre er gerade im besten Alter für einen solchen Sprung über den Ozean.

“Wohin verschlägt es dich diesmal?", frage ich. “Nirgends hin!" lacht Werner fröhlich. “Ich habe nämlich abgelehnt. Oder meinst du, ich hätte sonst wo auf der Welt noch solche Chancen zum direkten Missionieren? Jetzt, wo die Einheimischen endlich Vertrauen zu mir gefaßt haben und ich die Sprache gut genug kann, um ihnen die Frohe Botschaft zu verkünden, laufe ich doch nicht einfach weg!"

Ja, die Kirche lebt! Sie lebt inmitten von Bedrängnis, von Feuersturm und dem eisigen Todeshauch unserer erkaltenden Liebe. Sie lebt in den Gliedern Christi: den mühsam sich Dahinschleppenden, den Verfolgten, den Mißhandelten, den Verzweifelten. Sie lebt in den Gequälten, den Depressiven, den an materiellem Überfluß und an geistiger Leere Erstickenden. Sie lebt in den Trauernden, den Einsamen und denen, die um des Evangeliums willen ihr Leben wagen. Sie lebt in jenen, die äußerlich ein ganz “normales" Leben führen, sich aber innerlich verzehren im Dienen und in der Liebe Christi.

Ja, die Kirche lebt “ sie streitet, sie leidet, sie siegt, und sie triumphiert: genährt von der großen Verheißung, daß die Pforten der Hölle sie niemals überwältigen werden. Niemals!

Auszug aus einem langen Beitrag, in dem die Autorin weitere ermutigende Beispiele schildert.

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