VISION 20006/2001
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Ein Don Bosco für Galiläas Jugend

Artikel drucken Begegnung im Heiligen Land (P. Wolfgang Czernin OSB)

Begeistert ist P. Wolfgang von einem Einsatz im “MarElias College" in Galiläa heimgekehrt. Er war dort einem Brückenbauer zwischen Christen, Juden und Moslems begegnet.

Am 29. November 1939 erblickte Elias Chakour in Ba'ram (ehemals Biram) das Licht der Welt. Die glückliche Kindheit von Elias und seinen Geschwistern fand ein jähes Ende, als israelische Soldaten 1947 in das nordwestlich vom See Genesareth gelegene Dorf eindrangen, die Männer gefangen nahmen, Frauen und Kinder vertrieben und die Häuser zerstörten.

Die Chacours lebten von da an mehrere Jahre als Flüchtlinge in einer nahen Stadt. Glückliche Umstände führten den heranwachsenden Jüngling zur Schule und schließlich ins Priesterseminar. Auf Wunsch seines Bischofs studierte Elias eine zeitlang auch in Paris. Schließlich war der Student der erste Christ, der an der Hebräischen Universität in Jerusalem das Doktorat erlangte.

1965 wurde Elias Chacour in Nazareth zum Priester der mit Rom unierten griechisch-katholischen (melkitischen) Kirche geweiht. Bald darauf entsandte ihn sein Bischof als Pfarrer in das unbekannte Dorf Ibillin zwischen Haifa und Nazareth.

Unter seiner alten Bezeichnung Abellin hatte es jedoch in bestimmten Kreisen schon Berühmtheit erlangt. Dort wurde nämlich 1846 Mirjam Bauardy geboren, die 1875 den Karmel in Bethlehem gegründet hat. Ihr Ordensname, Sr. Maria von Jesus, dem Gekreuzigten, sollte sich in ihrem Leben bewahrheiten: In Visionen und Ekstasen erfuhr sie ihre Berufung zum Sühneleiden und trug zeitweise auch die Wundmale Christi. 1878 ging die kleine Heilige, wie sie schon zu Lebzeiten genannt wurde, heim zu Gott. Und am 13. November 1983 sprach Papst Johannes Paul II. die “Blume des Orient" selig.

Die Feier der Seligsprechung war für Mikhail Chacour, den alten Vater des jungen Priesters, eine der letzten Freuden seines langen, entbehrungsreichen Lebens, denn er durfte dem Heiligen Vater ein Geschenk überreichen: Erde aus Palästina - mit der Bitte an den Papst, sich für das palästinensische Volk einzusetzen, daß es wieder auf eigenem Grund und Boden leben könne. Wie aktuell diese Bitte ist!

Von seinem Vater hat Abuna Elias schon in jungen Jahren gelernt, auch den “Feinden" und denen, die uns Böses antun, zu verzeihen. Was wäre aus Elias geworden ohne diesen Vater?

Pfarrer Chacour, für den sein kleiner VW-Käfer anfänglich Schlaf- und Arbeitsraum war, hat sehr schnell erkannt, wie wichtig Ausbildung und Bildung für die Zukunft der jungen Palästinenser ist. So begann er eine kleine Pfarrbibliothek zu errichten. Und bald war es der Stolz der jungen Generation, mit einem Buch durch das Dorf zu gehen. Über die Kinder erreichte Elias bald auch die Eltern.

So gewann er langsam die Sympathie der Bevölkerung, die ihn bei seinem Kommen nicht gerade freudig empfangen hatte. Man fing an, ihm zu vertrauen, und bald konnte der Abuna während eines Gottesdienstes sogar zwei total miteinander verfeindete Familien aussöhnen.

Eines spürte Elias jedenfalls immer deutlicher: Für die Jugend muß mehr geschehen. So wurde ein Raum im Pfarrhaus das erste Klassenzimmer. Mit welcher Wißbegier hingen nun die Kinder an den Lippen ihres Pfarrers, wenn er von “unserem Landsmann Jesus" erzählte!

In all den Jahren schwebte Abuna Elias jedoch die Errichtung einer richtigen Schule vor. Endlich wurde ein Platz dafür gefunden: ein dem Dorf gegenüberliegender Hügel, der vom Volk “Berg der Finsternis" genannt und gemieden wurde. Elias nannte ihn kurzerhand in “Berg des Lichtes" um. Die zuständigen Behörden verweigerten allerdings die Baubewilligung - und so baute Abuna Elias einfach ohne Genehmigung. Immer mehr Leute aus dem Dorf unterstützten nun ihren Pfarrer, der auch selbst Hand anlegte, vor allem durch tätige Mithilfe, aber auch mit dem wenigen, was sie hatten. Zwar bestand die Gefahr, daß das Gebäude abgerissen würde, doch mit viel Diplomatie und Gebet konnte Chacour dies verhindern. Und kürzlich hat das Mar-Elias-College in Ibillin sogar ein Zertificat erhalten, daß es die zweitbeste Ausbildungsstätte in ganz Israel sei.

Bis es aber dazu kam, war es ein langer Weg, auf dem Abuna Chacour finanzielle und personelle Hilfe auch aus dem Ausland erhielt. Junge Leute aus den USA, Kanada, Großbritannien hatten den charismatischen Priester auf seinen Vortragsreisen, bei denen er für sein College warb, kennengelernt. Begeistert von seiner Persönlichkeit, kamen sie nun als Helfer nach Ibillin - und sie tun es bis heute.

Gegenwärtig besuchen etwa 1.800 junge Palästinenser, Christen und Muslime, aber auch einige wenige Juden diese Ausbildungsstätte. Sie ist ein Ort, an dem die jungen Leute lernen, miteinander zu leben, trägt aber auch dazu bei, daß der steigenden Auswanderungswelle von Palästinensern entgegengewirkt wird.

Der Priester Elias Chacour hat zwar 1992 sein Amt als Pfarrer aufgegeben. Aber auch als Leiter seines Institutes ist er ein wahrer Gottesmann mit einem unerschütterlichen Gottvertrauen: Bei meinem ersten Besuch in Ibillin ging ich mit dem Gedanken durch das Schulgelände: “Er ist ein Don Bosco unserer Tage für die Jugend Galiläas." Wenn er in Gesprächen biblische Themen anschneidet, spürt man: Alles ist für ihn Gegenwart, so wie der Herr Jesus Christus selbst, dem er in den jungen ihm anvertrauten Menschen mit großer Liebe und Hingabe dient.

Vor Weihnachten 2000 wurde ein sehr begabter Student in seinem Heimatort von israelischen Soldaten gefoltert und erschossen, obwohl er nichts anderes getan hatte als unter einem Baum zu sitzen und zu studieren. Sein Bild hängt in fast allen Räumen des Colleges. Sein gewaltsamer Tod hat die College-Gemeinschaft über alle konfessionellen Grenzen hinweg noch enger zusammengeschweißt. Die politische Situation in seinem Land - der Abuna fühlt sich als “israelischer Palästinenser" - hat ihn zu einem Kämpfer für Frieden und Versöhnung gemacht. Seine “Waffen" sind das Gebet und die Erziehung seiner jungen Leute, die das Potential für eine bessere Zukunft des Heiligen Landes sind.

P. Wolfgang Czernin OSB


Abuna Elias in Österreich

Abuna Chacour hat noch viele Pläne: Derzeit ist eine Festhalle und die College-Kirche im Bau. Eine Lehrerbildungsanstalt und eine Volksschule sind geplant. Die derzeitige Schule bildet die elf- bis 18jährigen hauptsächlich für technische Berufe aus.

Für seine Projekte will Dr. Chacour auch wieder in Österreich werben und über die Lage in seinem Land berichten. Wer sein Werk kennenlernen, an einem Voluntäreinsatz mitarbeiten oder einen Vortrag organisieren will, sollte sich möglichst bald in Verbindung setzen mit: P. Wolfgang Czernin OSB, Abtei, A-8732 Seckau, Tel: 03514-5234310

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