Rom im Jahr 2000: Die Brüder und Schwestern der Gemeinschaft des heiligen Johannes, ihre Familien und Freunde versammeln sich um ihren Gründer, Père Marie-Dominique Philippe, um das Jubeljahr feierlich zu begehen. Sie sind mehr als 2000. Unglaublich wie rasch diese erst 1978 anerkannte Gemeinschaft gewachsen ist! In mehr als 50 Prioraten in 18 Ländern umfaßt sie heute über 500 Brüder und Schwestern.
Nun hatte die erste Niederlassung im deutschsprachigen Raum - im August 1994 gegründet - vor ein paar Wochen zu einem großen Fest nach Marchegg im Marchfeld eingeladen. Das schöne neue Kloster und seine Kirche wurden vom Wiener Erzbischof eingeweiht. Als ich hörte, daß auch P. Marie-Dominique Philippe - er ist immer noch Dominikaner - kommen sollte, meldete ich mich gleich für ein Interview an.
Zwei Wochen vor dem Fest hieß es jedoch, der 89jährige, schwerkranke Mann sei von den Ärzten aufgegeben. Nun stand er aber verschmitzt lächelnd bei der Einweihung vor uns und erzählte: “Da hieß es, ich hätte nur noch wenige Stunden zu leben. Doch in der Nacht da sind die Engel gekommen und haben zu arbeiten angefangen - und jetzt bin ich hier!" Er sei wieder um vieles jünger und sehr froh, daß er nun doch zu uns sprechen könne.
Seine Stimme ist leise und heiser - wie vor 12 Jahren, als ich ihn zum erstenmal gehört habe. Und doch hören ihm auch jene fasziniert zu, die seine Worte nur in der Übersetzung verstehen. Sanftmut und Güte, aber auch eine unbeirrbare Bestimmtheit im Tonfall erklären diese Ausstrahlung. Tiefberührt bin ich auch bei der Messe, die er später feiert: Mit welch unendlicher Zartheit und Ehrfurcht hält er bei der Wandlung die Hostie hoch, spricht er die Wandlungsworte! Lange bleibt er in der Kniebeuge. Wunderbar mitzuerleben, welch große Bedeutung für diesen Priester die Eucharistie hat: ein Gotteserlebnis für die Gläubigen.
Meine Nervosität vor dem Gespräch mit diesem großen Mann stellt sich schnell als unbegründet heraus: Humorvoll, liebevoll und väterlich (er ist genauso alt, wie mein Vater wäre) kommt er mir in diesem Gespräch, das viel länger als erhofft ist, entgegen. Ich freue mich über die Offenheit, die er mir entgegenbringt, über die Begeisterung, mit der er erzählt und über die tiefe Zuneigung und Achtung, mit der er über die Menschen spricht, die seinen Lebensweg beeinflußt haben.
Am 8. September 1912 in der Nähe von Lille, im Norden Frankreichs geboren, wächst er in einer sehr christlichen Familie als achtes von 12 Kindern auf. Seine Eltern geben ihm ein Beispiel wahrer Liebe, eines tiefen gegenseitigen Verständnisses. Schon in der Zeit seiner Erstkommunion weiß er aber, daß er nicht heiraten wird. Er will sich ganz Gott schenken.
So tritt er bald nach Beendigung des Gymnasiums bei den Dominikanern ein. Zu seinem Leidwesen verblüfft er damit niemanden - so schreibt er in seinem Buch “Les trois sagesses" (Die drei Arten der Weisheit). Der Grund: Drei seiner Schwestern waren bereits Nonnen geworden und zwei seiner älteren Brüder bei den Dominikanern eingetreten. Und dabei hätte er wie alle 18jährigen Eltern und Verwandte gerne beeindruckt.
Das erleichterte es dem Pater keineswegs, seinem Ruf zu folgen, wie er erzählt: “Mit 17 oder 18 hat man doch überhaupt keine Lust, den anderen alles nachzumachen - im Gegenteil: ,Ihr habt das gemacht? Na gut, ich werde etwas ganz anderes machen'!" Daher brauche man eine besondere Gnade, um trotzdem diesen Weg einzuschlagen. Er jedenfalls spürt diese Gnade und sagt sich: “Ich bin es und nur ich allein, der das mit Christus abgemacht hat. Der Rest ist mir egal."
“In meinem Herzen," so erzählt er mir, “hatte ich am Ende meiner Schulzeit genau gewußt, wie mein Weg sein müßte." Obwohl er gerne Mathematik studiert hätte, tritt er bei den Dominikanern ein. Wäre er nicht eingetreten, so hätte das bedeutet, den Anruf Christi zu überhören.
Warum gerade bei den Dominikanern? Für seinen Onkel, P. Dehau, einen Dominikaner, hat schon der kleine Marie-Dominique eine besondere Bewunderung und Liebe empfunden. Bei seinen Besuchen hatte er dem Onkel, der stark sehbehindert war, aus Büchern vorgelesen. Marie-Dominique und seine Geschwister liebten es dem Onkel bei seinen Erklärungen zu lauschen, mit ihm zu diskutieren. “Er war für uns da und wir für ihn," erklärt P. Philippe. Den heranwachsenden jungen Mann hat dieser Kontakt mit dem Mönch, dessen Intelligenz er sehr bewundert, für sein Leben sichtlich geprägt. Und so zögert er nicht lange - zwei Monate herumtrödeln müssen aber sein -, als ihm der Onkel nach der Matura rät, bei den Dominikanern einzutreten.
“Das ist es jetzt!", weiß er, als er das Kloster betritt. Von da an findet er all das, was ihm geschenkt wird, wunderbar: Etwa die Zeit des Noviziats in Amiens, eine Zeit besonderer Gnade und Unbefangenheit in der Beziehung zu Gott. In der Anbetung wachsen in ihm Glaube, Hoffnung und Liebe. Alles wird ihm zum Geschenk: Die Menschen, die ihn unterrichten und führen, die Brüder, die er “gratis" dazubekommt. Es folgen Studien der Philosophie und Theologie im belgischen Le Saulchoir. Auf Anraten von P. Dehau beschäftigt er sich mit der Metaphysik, um über die Jungfrau Maria sprechen zu können. Dieses prophetische Wort wird für seinen späteren Lebensweg als Gründer der Gemeinschaft besonders bedeutsam sein.
In seiner Studienzeit dürfte er nicht stets so sanftmütig und gütig gewesen sein, wie ich ihn jetzt erlebe. P. Johannes, Prior der Gemeinschaft in Marchegg, meint, P. Philippe hätte damals wohl eher einem Löwen als einem Lamm geglichen. An der Uni sei er für seine Zornausbrüche bekannt gewesen und er habe keine Hemmungen gehabt, Professoren auf Irrtümer hinzuweisen.
In einer Vorlesung beispielsweise liest der junge Bruder Marie-Dominique - in der ersten Reihe sitzend - ostentativ das Buch jenes Autors, den der Professor eben kritisiert, scheinbar ohne ihm zuzuhören. “Ich war wohl ein recht schlechter Student, denn ich befand mich in heftiger Opposition zu dem Professor," gesteht P. Philippe. So hatte er manchmal auch eine “venia" zu absolvieren: sich nach dem Unterricht flach auf den Boden zu legen und den Professor um Verzeihung zu bitten.
Auch bei einer Prüfung gibt er nicht des Professors Meinung wieder, sondern erläutert die Thesen des hl. Thomas v. Aquin zum Thema. So muß ihm der Professor dennoch eine gute Note geben, was ihm ein herzliches Gelächter seiner Kollegen einträgt. Sie kennen ja die Meinungsverschiedenheiten der beiden.
In diesen Jahren der Kontemplation und der Studien eignet sich der junge Marie-Dominique enorm viel Wissen an. Gott sei Dank, meint er jetzt im Rückblick, denn schon bald nach seinem Studium soll er selbst lehren.
Er sei wohl der am längsten dienende Philosophieprofessor der Welt, ist er überzeugt. Ab 1937 lehrt er Dogmatik in Le Saulchoir. 1945 wird er nach Fribourg in der Schweiz berufen, wo er bis 1982 den Lehrstuhl für Antike Philosophie und Metaphysik inne hat.
In dieser Zeit ist er mit Marthe Robin, der französischen Mystikerin, die 50 Jahre hindurch als einzige Nahrung nur die Hl. Eucharistie zu sich nehmen konnte, sehr verbunden.Von ihr gingen wesentliche Impulse zur Erneuerung der Kirche aus. 1963 lädt sie Père Philippe ein, Priesterexerzitien und Einkehrtage für die Mitglieder der von ihr inspirierten Foyers de Charité zu halten. “Ich wollte Marthe nicht wie ein neugieriges Tier kennenlernen, ich wollte warten, daß sie nach mir ruft," erzählt er.
18 Jahre hindurch wird er diese Exerzitien leiten. “Ich bin sicher, die Priester hätten gerne einmal jemand anderen als Prediger gehabt," meint der Pater lächelnd. Aber Marthe bestand auf seinem Dienst. “Marthe hat Sie wohl sehr lieb gehabt," frage ich den Pater. “Oh ja, "antwortet er und ich merke ihm an, daß diese Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht haben muß. “Sicher hat sie mich sehr lieb gehabt. Sie hat mir ihren kleinen Rosenkranz geschenkt. Den habe ich dann einer kontemplativen Schwester weitergegeben, denn," so ergänzt er fröhlich, “ich verliere ja doch alles." Welch wunderbare Freundschaft muß zwischen diesen beiden von Gott besonders gerufenen Menschen entstanden sein - wohl das, was P. Philippe die Freundschaftsliebe nennt: wahr, tief und persönlich!
Im Sommer 1975 bitten einige Studenten in Fribourg, die eben ihr Diplom erhalten haben, P. Philippe, sich nicht nur um ihre philosophische sondern auch um ihre spirituelle Ausbildung zu kümmern. Er solle sie auf ihre Priesterweihe vorbereiten. “Ich hatte aber gar kein Recht, sie unter meine Fittiche zu nehmen. Mein Auftrag war ja nur, an der Universität zu lehren,"erzählt er. Als über 60jähriger denkt er eigentlich daran, sich demnächst in einen Karmel zurückzuziehen, um dem Herrn im Gebet nahezusein.
Gott aber hat anderes mit ihm vor: Die jungen Leute lassen nicht locker. In dieser Situation wendet sich P. Philippe an Marthe Robin. Sie, die so vielen Menschen meist mit wenigen Worten den rechten Weg zu weisen wußte, soll ihm sagen, was er seinen Jungen antworten soll. Und Marthe rät ihm: “Nehmen Sie die jungen Leute auf, Pater, beginnen Sie eine kleine Gemeinschaft." P. Philippe will wissen: “Marthe, sagen Sie das aus sich heraus, weil Sie mich lieb haben, oder ist es Jesus, der mir das sagen möchte?" Marthe schweigt und betet einige Minuten. ,Ich bin sicher,' antwortet sie, “es ist Jesus, der das von Ihnen verlangt. Sie haben nicht das Recht diese Studenten zurückzuweisen." Zu diesem so bestimmt geäußerten Auftrag kann der Pater nun nicht mehr nein sagen.
Nur: Welcher Orden sollte die jungen Leute aufnehmen?
Bei der Beantwortung dieser Frage, kam P. Philippe eine der Eigenschaften, die P. Johannes erwähnt hatte, sehr zugute: seine unglaubliche Verfügbarkeit. Noch heute als 89jähriger stellt er allen großzügig seine Zeit zur Verfügung, ist ständig auf der Achse und besucht Priorate oder Missionsstationen, predigt, hält Vorträge und empfängt bis spät in die Nacht hinein Besucher.
Damals fuhr er jeden Freitag nach dem Unterricht in Fribourg über Nacht nach Lerins, einer Insel vor Cannes an der Côte d'Azur, um dort bis Sonntag Abend die Novizen der Zisterzienser Abtei zu unterrichten. Als die Mönche von Lerins nun von dem Problem des Dominikanerpaters hören, bieten sie ihm an, die junge Gemeinschaft ihrem Orden anzugliedern. Auch der zuständige Bischof ist einverstanden, nachdem er die Lebensregel - P. Philippe hat sie in einer langen Nacht geschrieben und auf das Priestertum Christi und die Jungfrau Maria ausgerichtet - gelesen hat. “Wäre ich jünger, würde ich um Aufnahme in Ihre Gemeinschaft bitten," meint Bischof Barthe zum Gründer.
Am 8. Dezember 1975 weihen sich die ersten sieben Brüder in Lerins der Gottesmutter Maria. Es ist der “heimliche Gründungstag". Dann wird die Kongregation für die Ordensgemeinschaften informiert. 1978 erfolgt die offizielle Anerkennung: Der Abt von Lerins erhält die Erlaubnis “ad experimentum" für sieben Jahre die Angliederung der Brüder als Regularoblaten an seine Abtei zu vollziehen.
Und wie kam es zum Namen der Gemeinschaft? P. Philippe lächelt, als ich ihn frage. Das ging rasch: “Eines Tages erhalte ich einen Anruf aus Rom. Ich soll sofort einen Namen angeben. Für mich keine Frage: Ich werde die Gemeinschaft unter die Fürsorge des heiligen Johannes stellen, weil ich Dominikaner bin. Und an die Quelle des hl. Dominikus komme ich nur durch den hl. Johannes."
Ein rascher Entschluß. Je mehr der Père später darüber nachdachte, umso klarer erkannte er: Es war der einzige richtige Name. Johannes, der Jünger, der Christus bis zum Kreuz treu geblieben war. Genau das ist es, was Christus von seinen Freunden erwartet: “Aus Liebe treu zu sein bis zum Ende und aus dem Geheimnis der Auferstehung und deren Herrlichkeit zu leben. Außerdem bekam Johannes unter dem Kreuz Maria anvertraut und mit ihr das Mysterium des Mitleidens, das Maria gelebt hat. So wurde der Hl. Johannes zum Hüter dieses Mysteriums." Dieses Mysterium soll die Gemeinschaft in ihrer wahren Bedeutung hinaustragen.
Auch für P. Johannes, den Prior von Marchegg, hatte der hl. Johannes eine besondere Bedeutung und Anziehungskraft. Für seinen Eintritt in die Gemeinschaft war aber noch etwas entscheidend, wie er mir erzählt: Er hatte sich viel mit Wissenschaft und Philosophie beschäftigt und feststellen müssen, daß sich beide - so wie er sie kennengelernt hatte - mit einem lebendigen Glauben kaum vereinbaren ließen. In Frankreich lernte er dann die Johannesgemeinschaft kennen.
Dort beschäftigte man sich auch mit diesen Fragen. Und so lernt er die Philosophie von P. Philippe kennen: “Ich bin einer ganz großen Offenheit begegnet. Seine Philosophie besteht nicht aus festgesetzten Schemen, die er aufdrängen will. Ihm geht es vielmehr um eine Lebens- und eine Denkschule, die sich für die Wirklichkeit, so wie sie ist, öffnet, in all ihren Dimensionen." Eine besondere Hilfe ist da das Studium der Lehre des hl. Thomas v. Aquin und dessen philosophischer Quelle Aristoteles.
P. Johannes fährt fort: “Die Öffnung unseres Verstandes für alle Bereiche der Wirklichkeit, das ist es, was ich von ihm empfangen habe und wofür ich sehr dankbar bin. Durch die Philosophie all die verschiedenen Bereiche des Menschen anzuschauen und dann im Blick Christi die christlichen Dimensionen zu erkennen."
So wie er haben auch die ersten Studenten, die von P. Philippe geführt werden wollten, in diesem Mann die Brücke zwischen philosophischem Denken und Wissenschaften einerseits und Glauben, Gebetsleben und Suche nach Mystik andererseits gefunden.
Auch mir wurde in diesen Begegnungen und bei der Lektüre des Buches von P. Marie-Dominique Philippe folgendes etwas klarer: Philosophie, Theologie und mystische Erfahrung sind drei wesentliche Wege auf ein Ziel hin: die Wahrheit des Menschen und die Wahrheit Gottes immer tiefer zu erkennen. In letzter Konsequent ist sie die Suche nach der Einheit mit Jesus.
Ein Ausdruck dieser Suche nach Einheit ist die Bedeutung des Gemeinschaftsleben unter den Brüdern, die gelebte Nächstenliebe. Die strahlende Fröhlichkeit und Offenheit der Brüder (die nicht zu übersehen ist) war für ihn ein wichtiger Beweggrund in die Gemeinschaft einzutreten, erzählt mir einer der jungen Novizen in Marchegg.
Wie das ansteckend wirkt, macht eine kleine Anekdote deutlich. Eine Freundin, die mit einer Gruppe von Johannes-Brüdern nach Patmos gereist war, hat sie mir erzählt: Während einer längeren Wartezeit auf eine Überfahrt spricht eine Touristin sie an und erkundigt sich, bei wem denn die Gruppe gebucht habe. Es sei nämlich auffallend, wie sehr die Leute strahlten. Wie machen das die Brüder möchte nun auch ich von ihr wissen: “Sie sind geduldig, einfühlsam und fürsorglich. Aber so, daß jeder seine Eigenständigkeit behält." Und sie fügt lächelnd hinzu: “Sie streicheln dich nicht zu Tode denn sie lieben dich ja. Brauchst du sie aber wirklich, sind sie 100 Prozent da."
Nun aber zurück zur Geschichte der Gemeinschaft: 1986 wird sie als Kongregation diözesanen Rechts anerkannt und untersteht dem Bischof von Autun. Seither hat sie ihre vielfältigen Apostolate entfaltet: Zwar sind die Lehr- und die Predigttätigkeit ihr besonderes Anliegen, doch auch die Jugend- und Familienarbeit, die Seelsorge in Schulen und Universitäten, die Missionstätigkeit in vielen Ländern der Erde - um nur einiges zu nennen - spielen eine wichtige Rolle. Mittlerweile gibt es auch über 150 kontemplative und apostolische Schwestern des heiligen Johannes. Sie haben 1994 den kirchenrechtlichen Status einer Kongregation diözesanen Rechts erhalten.
P. Philippe erinnert sich sehr gern an einen persönlichen, sehr ermutigenden Brief von Papst Johannes Paul II., eine Bestärkung, in seiner Arbeit fortzufahren. An dieser Stelle erzählt mir mein Gegenüber von seiner jahrelangen Freundschaft mit dem Papst. Beide Männer, beide Philosophen, hatten sich auf einem Thomisten-Kongreß kennengelernt.
Er sei damals zunächst eher unglücklich darüber gewesen, daß der Kongreß geteilt wurde, berichtet P. Philippe. Er mußte - statt in Rom zu bleiben - mit den jüngeren Teilnehmern nach Neapel fahren. Dort lernt er dann allerdings den damaligen Kardinal von Krakau kennen. Diesem war der Vorsitz des Teilkongresses übertragen worden. Fünf Tage werden die beiden Männer dort miteinander - stundenlang - die interessantesten Diskussionen führen - oder auch einfach nur plaudern. Schon damals hat P. Philippe den Eindruck, einem Apostel zu begegnen, erzählt er mir.
Was ist nun aber der Grund für die ungewöhnlich rasche Ausbreitung der Gemeinschaft, dieses offensichtliche Zeichen für unsere Zeit? Neben all dem, was ich schon erwähnt habe, wird man wohl sagen müssen: Wäre ihr Gründer nicht vor allem ein Mann des Gebetes gewesen, wäre dieses Werk wohl nicht möglich gewesen. Wo immer es geht, erzählt mir P. Johannes, sei es im Flugzeug oder im Auto, zieht sich der Père zum Gebet zurück. Und die Anbetung bleibt für ihn das Zentrum. Das ist es auch, was er seinen Brüdern mitzugeben versucht: ein kontemplatives Leben, das in einem apostolischen Leben erstrahlen soll. Das innere Gebet und Maria. - zwei der wichtigsten Säulen.
Nach allem, was ich über P. Marie-Dominique Philippe erfahren habe, ist er unglaublich vielseitig. Seit Jahrzehnten ist er im Gespräch mit Menschen aus den verschiedensten Bereichen und publiziert nicht nur theologische Bücher, sondern auch Werke, die sich mit Mathematik, Kunst oder Medizin befassen. Als der Philosoph Jean Guitton eines Tages in Chateauneuf erfuhr, P. Marie-Dominique Philippe sei angekommen, fragte er erfreut: Welcher P. Philippe, der Autor von “Das Mysterium Marias" oder der “Einleitung zur Philosophie Aristoteles"? Daß zwei so unterschiedlichen Bücher vom selben Autor stammen könnten, schien ihm unvorstellbar.
Vielseitigkeit und Verfügbarkeit für seine Nächsten prägen die Persönlichkeit des Père. Was die Menschen wohl aber am meisten anzieht, ist die Barmherzigkeit, mit der er auf jeden einzelnen Menschen zugeht und ihm zuhört. P. Johannes drückt das so aus: “Obwohl er sehr gut die Schwächen der Menschen erkennt, sieht er zuerst immer auf das, was positiv, was gut ist. Er versucht, Wunden und Blockaden zu lösen und betont: ,Schau auf den Ruf Gottes, schau auf Christus nicht auf deine Schwächen. Sei gewiß: Egal, was du getan hast, du wirst von Ihm angenommen und Er verurteilt dich niemals. Nichts kann uns von Ihm trennen."
So macht Père Marie-Dominique Philippe, ein wahrer Zeuge der Liebe Gottes für die Menschen, Gottes Barmherzigkeit für uns alle erfahrbar.