Ich kenne die jungen Menschen und weiß, daß sie den Fragen auf den Grund gehen. Wahrscheinlich ist die erste Frage, die ihr an mich richtet, folgende: “Wer bin ich, deiner Meinung nach, Papst Johannes Paul II., nach dem Evangelium, das du verkündest? Welchen Sinn hat mein Leben? Was ist meine Bestimmung?" Meine Antwort, liebe Jugendliche, ist einfach, aber von enormer Tragweite: Du bist ein Gedanke Gottes, du bist ein Herzschlag Gottes. Das zu sagen bedeutet, daß du in gewissem Sinne einen unendlichen Wert hast und daß du für Gott in deiner unwiederholbaren Individualität so viel bedeutest.
(...)
Seid euch des einzigartigen Werts jedes einzelnen von euch bewußt und akzeptiert einander in euren jeweiligen Überzeugungen; sucht dabei aber auch gemeinsam nach der vollen Wahrheit. Euer Land hat die demütigende Gewalt der Ideologie erfahren. Möge es Euch erspart bleiben, jetzt zu Opfern der nicht weniger zerstörerischen Gewalt des “Nichts" zu werden!
Welch erdrückende Leere entsteht, wenn es im Leben nichts gibt, das zählt, wenn man an nichts glaubt! Das Nichts ist die Leugnung des Unendlichen, an das eure grenzenlose Steppe machtvoll erinnert, jener Unendlichkeit, nach der das Menschenherz unaufhörlich strebt.
(...) Der Papst von Rom ist gekommen, um euch zu sagen: Es gibt einen Gott, der euch erdacht und das Leben geschenkt hat. Er liebt euch persönlich und vertraut euch die Welt an. Er weckt in euch den Freiheitsdrang und den Wissensdurst. Erlaubt mir, vor euch mit Bescheidenheit und Stolz den Glauben der Christen zu bekennen: Jesus von Nazaret, der vor 2000 Jahren Mensch gewordene Sohn Gottes, ist gekommen, um uns durch Seine Person und Seine Lehre diese Wahrheit zu offenbaren. Nur in der Begegnung mit Ihm, dem menschgewordenen Wort, findet der Mensch Selbstverwirklichung und Glück in Fülle.
Ohne eine Erfahrung staunenden Entdeckens und der Gemeinschaft mit dem Gottessohn, der zu unserem Bruder wurde, reduziert sich sogar die Religion auf eine Reihe von Grundsätzen, die immer schwerer zu verstehen, und Regeln, die immer schwerer zu ertragen sind.
Liebe Freunde, (...) erkennt, daß ihr nicht eure eigenen Herren seid, und öffnet euch demjenigen, der euch aus Liebe geschaffen hat und euch zu würdigen, freien und schönen Persönlichkeiten machen möchte. Ich ermutige Euch in dieser Haltung vertrauensvoller Aufgeschlossenheit: Lernt, in der Stille die Stimme Gottes zu hören, die im Innersten jedes Menschen spricht; gebt dem Aufbau eures Lebensgebäudes solide und sichere Grundlagen; fürchtet euch nicht vor Verpflichtung und Opfern, die heute großen Kräfteeinsatz verlangen, aber eine Gewähr für den Erfolg von morgen sind. So werdet ihr die Wahrheit über euch selbst entdecken, und städig werden sich vor euch neue Horizonte eröffnen.
Auszug aus der Ansprache des Papstes vor Jugendlichen in der “Eurasia"-Universität von Astana am 23.9.01