In der ganzen Welt gehen Abermillionen von Katholiken sonntags zur Heiligen Kommunion. Daraus müsste eine gewaltige verwandelnde Kraft in die erlösungsbedürftige
Welt ausstrahlen! Dennoch geht die Entchristlichung erschreckend voran.
Die große Masse der Getauften erlebt die Eucharistie gewiss nicht als „Quelle und Höhepunkt des Lebens“. Ein österreichischer Bischof sagte vor Jahren gemäß einer Zeitungsnotiz, dass die Mehrzahl der Kommunizierenden die Kommunion unwürdig empfängt. Der Kern der Eucharistie ist in gewissem Sinn die „Wandlung“, wobei die Wandlung der Gaben in den Leib und das Blut Christi die Wandlung der Herzen nach dem Bild des auferstandenen Herrn zum Ziel hat. Durch eucharistisch umgewandelte Menschen soll die Welt umgewandelt werden in eine „neue Schöpfung“, durch den Geist Jesu, der ausgegossen ist, „um das Antlitz der Erde zu erneuern“.
Doch warum geschieht trotz der vielen Messen so wenig Umwandlung? Weil die Eucharistie ihre verwandelnde Kraft nur ausüben kann, wenn das Herz dazu bereitet ist, oder mit dem Wortspiel von Kardinal Suenens: Es hilft nicht, die Menschen zu „sakramentalisieren“, wenn man sie nicht zugleich „evangelisiert“.
Das Herz muss für die Frohbotschaft aufgeschlossen werden, damit die Kanäle der Sakramente fließen und wirken können. Dies geschieht durch Mystagogik, die Kunst der Hinführung zur lebendigen Gotteserfahrung.
Im christlichen Altertum legte man großen Wert darauf, die Taufbewerber in einem langen Katechumenat in die Welt der Gnade einzuweihen, die sich durch Taufe und Eucharistie erschließen möchte. Es brauchte eine lange Herzensbereitung, bis die Taufbewerber zur Taufe und zum Tisch des Herrn schreiten durften.
Die meisten Eltern, die ihre Kinder heute taufen lassen, wissen aber nicht, was dem Kind bei der Taufe geschenkt wird und wie sie durch eine entsprechende christliche Familienkultur im Kind die Freude am Glauben wecken und fördern können. Die Gnadenkeime, die dem Kind bei der Taufe ins Herz gepflanzt wurden, brauchen, bildhaft gesagt, eine gärtnerische Betreuung, Regen und Sonnenschein, um wachsen zu können. Die meisten Kinder wachsen aber in einem glaubensmäßig frostigen Klima auf, wo ihr Glaubensleben nicht aufblüht. Das pastoralsoziologische Institut von St. Gallen hat zu diesem Thema Eltern, die ihr Kind im gleichen Jahr taufen ließen, befragt. Die meisten hatten keine Ahnung vom tieferen Sinn der Taufe.
Dieser Mangel zeigt sich weiter bei der Erstkommunion. In einer bewusst christlichen Familie wächst das Kind im Verlauf des Kirchenjahres organisch hinein ins Leben mit Gott. Im häuslichen Feiern und Unterweisen lernt es, dass es bei der Taufe ein Kind des himmlischen Vaters wurde. Es bekommt das Verlangen, wie die „Großen“ Jesus in der heiligen Kommunion zu empfangen.
Schon im Vorschulalter nahm mich meine Mutter mit in die damals noch stille, lateinische Werktagsmesse, was mich tief prägte. Auch heute gibt es Kindergebetsbewegungen, die zeigen, zu welcher Glaubenstiefe bis zum Heroismus die Kleinen fähig sind: In Rom starb 1937 nach heroisch um der Liebe Jesu willen ertragener Krankheit die 6-jährige Antonietta Meo, zu deren Seligsprechung Papst Benedikt mit der Anerkennung der Heroizität grünes Licht gegeben hat. Ihre schmerzliche Krankheit schenkte sie Jesus zur „Rettung der Seelen“. Sie verstand sich als brennendes Lämpchen, das Tag und Nacht vor dem Tabernakel leuchtet und Jesus erfreut. Ihre erste heilige Kommunion in der Weihnachtsnacht 1936 war wie eine mystische Vermählung, welche die Anwesenden tief beeindruckte.
Das krasse Gegenteil solcher Kommunionfrömmigkeit erleben wir bei den meisten unserer katholischen Kinder. Wenn wir sie nach der Erstkommunion fragen, was ihnen besonders Freude gemacht hat, erzählen sie von viel schönem Drum und Dran, doch Jesus trat nicht in ihr Bewusstsein. Sie wurden nie hineingeführt in eine persönliche Herzensbeziehung zu Jesus. Kein Wunder, wenn auch vielen Eltern und Katecheten die Vorstellung fremd ist, dass Jesus uns im heiligen Brot leibhaft, von Du zu Du, begegnen möchte wie einst seinen Jüngern nach der Auferstehung, denen er zeigte, dass er kein bloßer Geist ist, sondern uns leibhaftig, allerdings mit verklärtem Leib, begegnen will. Für diese Begegnung müssten die inneren Sinne „mystagogisch“ geweckt werden durch Pädagogen, denen die eucharistische Jesusbegegnung selber eine Realität ist.
Doch statt über den Verfall zu klagen, müssen wir vor allem die Hoffnungszeichen sehen und uns von ihnen anregen lassen. Da gibt es das Projekt „Brennender Dornbusch“, das zum Ziel hat, in den Pfarreien Menschen bei eucharistischen Anbetungszeiten in den Strahlenglanz der Gegenwart Jesu hineinzuziehen.
Dies geht zurück auf die von Papst Johannes XXIII. seliggesprochene Ordensgründerin Elena Guerra, die erkannte, dass Eucharistie und Pfingsterfahrung zusammengehören, wie auch die Einsetzung des Abendmahles und das Pfingstereignis im gleichen Obergemach lokalisiert werden.
Ohne vom Heiligen Geist geweckte Jesuserfahrung kann die Kommunion nicht genügend fruchtbar werden, wie Jesus in seiner Eucharistierede den Zweiflern sagte: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch vermag nichts“ (Joh 6,63).
Der Weltjugendtag in Köln 2005 hatte als Leitwort: „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“. Dabei wurden viele Junge in den Bann der eucharistischen Gegenwart Jesu gezogen. Dieser Elan geht bei uns in der Schweiz nun weiter in den „Adoray“-Anlässen: Jeden Sonntagabend sammeln sich junge Katholiken in verschiedenen Städten zum beschwingten Lobpreis mit Instrumentenbegleitung und zu einem biblischen Impuls, der einmündet in eine Zeit der Anbetung vor der Monstranz mit eucharistischem Segen. Für diese jungen Menschen wurde die Eucharistie „Höhepunkt und Quelle christlichen Lebens“.
Die zur Einheit sammelnde Kraft der Eucharistie zeigt sich in großem Maßstab in marianischen Wallfahrtsorten wie Lourdes und Medjugorje. Hier führt Maria die Menschen zu Jesus. Zum Vorwurf, dass Maria von Jesus wegführt, sagte der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Primas Rowan Williams, der beeindruckt war von den 20.000 Menschen in Lourdes, „die in völliger Stille auf die Hostie starren und Gott danken“: „Hier steht der Christus der Evangelien im Mittelpunkt“. Ähnlich ein kritischer reformierter Beobachter aus der Schweiz, den in Medjugorje die „charismatisch“ begleiteten eucharistischen Anbetungszeiten beeindruckt hatten. Er schreibt in seinem Bericht: „Maria will nichts für sich¸ aber alles für ihren Sohn und damit für die Menschen.“
So ist Jesus am Werk, aus dem Wurzelboden der schwindenden Volkskirche eine neue Generation von „wahren Anbetern im Geist“ zu sammeln (Joh 4,23), die sich lobpreisend und fürbittend um das eucharistische Lamm sammeln. Die Priester haben dazu einen unabdingbaren Beitrag zu leisten. Doch nicht weniger wertvoll sind die Frauen, die mit dem Charisma ihres marianischen Taufpriestertums Christus in den Herzen der Anvertrauten „gebären“, wie Mutter Teresa sagte.
Wir alle, ob jung oder alt, dürfen je nach Möglichkeit an der globalen „eucharistischen Vernetzung“ mitwirken.
Br. Tilbert Moser OFMCap
Der Autor ist Pater im Kapuzinerkloster in Olten/Schweiz