Wer heutige Aufklärungsbroschüren in die Hand bekommt, kann folgendes feststellen: Trotz der Trivialität, mit der da Sexualtechniken vermittelt und sexuelle Kontakte für jedermann zu jeder?zeit g’schmackig gemacht wer?den, bleibt doch eines unbestritten: es geht um das Thema Liebe.
Über die Liebe zu sprechen, muss daher auch der Ausgangspunkt aller Bemü?hungen sein, wenn es darum geht, über die Schönheit der kirchlichen Lehre zu sprechen. Denn dass sich jeder nach Liebe, nach Angenommen-Sein sehnt, ist unbestritten. Gerade unter den Jungen ist die Sehnsucht nach einem Menschen groß, der „mich versteht“, dem „ich alles anvertrauen kann“, der „auch in schwierigen Zeiten zu mir steht“, bei dem „ich sein kann, wie ich bin“ und der „immer bei mir bleibt“.
Nun stellt sich sofort die Frage: Woran lässt sich ablesen, dass ein anderer sich so zu mir verhält. Doch nur über äußere Zeichen. Denn, was in unserer Seele vorgeht, bleibt den anderen so lange verborgen, als es sich nicht körperlich äußert. Was sich in unserem Inneren abspielt, muss also über den Körper nach außen transportiert werden. Wohlwollen, Ärger, Freude, Zorn, Dankbarkeit – all das merkt die Umwelt erst, wenn wir es durch Wort und Schrift oder durch Gesten zum Ausdruck bringen – durch strahlende Augen, ein Lächeln, Zornesröte auf der Stirn, Tränen…
Und selbstverständlich gilt das auch für die „Sprache“, mit der wir uns über die Art unserer Beziehungen verständigen. Wir senden andere Signale aus, wenn wir jemandem begegnen, den wir als Autorität ansehen, als wenn wir einem langjährigen Freund über den Weg laufen. Und wir gehen anders miteinander als Mann und Frau um, wenn wir im Büro miteinander arbeiten, einander freundschaftlich verbunden oder aber jung verliebt, verlobt oder verheiratet sind. Der Grad der inneren Vertrautheit wird sich auch im Grad der körperlichen Nähe ausdrücken, wohl wissend, dass die körperliche Annäherung eine Dynamik der Gefühle auslösen kann, die zu einem Einswerden drängt, das der inneren Vertrautheit keineswegs entspricht.
Darum ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, dass Berührungen, ein Kuss, eine Umarmung, die Entblößung, vor allem aber der Sexualakt selbst Träger von Botschaften über die Beziehung zueinander sind. Wer sich der Keuschheit verschreibt, ist daher darauf bedacht, dass die ausgesandten Signale der Wahrheit der Beziehung entsprechen. Dass also beispielsweise eine Umarmung nach einem nett gemeinsam verbrachten Heurigenabend nicht die Einladung zu einer gemeinsam zu verbringenden Nacht transportiert, dass die Kleidung, die jemand trägt, nicht die Einladung zu einer Intimität darstellt, die eigentlich gar nicht gewünscht wird…
Auf diesem Hintergrund ist es insbesondere wichtig, darüber nachzudenken, welche Botschaft mit der sexuellen Vereinigung transportiert wird. Heute wird vielfach der Eindruck erweckt, es handle sich dabei um etwas, was dem Menschen zusteht, weil er ein Recht auf sexuelle Befriedigung habe, ohne sich über den anderen viele Gedanken zu machen. So wie wir Nahrung brauchen und Kleidung, Luft und ein Dach über dem Kopf, so hätten wir als Menschen auch Anspruch auf sexuelle Befriedigung. Daher auch das Unverständnis, das weitverbreitet dem Zölibat und der Enthaltsamkeit entgegengebracht wird. Diese Sichtweise – sie wurde uns systematisch aufgedrängt (siehe Seite 4-5) – konnte sich nur dank der millionenfach praktizierten Verhütung – die übrigens nie 100-prozentig ist – etablieren. Sie verhindert nämlich den Blick auf das, was im Sexualakt eigentlich vor sich geht.
Fragen wir also: Welche Botschaft transportiert der unverfälschte Sexualakt? Von Seiten der Frau wird im Grunde genommen – wenn auch unausgesprochen – signalisiert: Ich gebe mich dir ganz hin, ich setze meine ganze Zukunft ein. Denn unser Einswerden jetzt eröffnet die Möglichkeit, dass ich ein Kind empfange. Es wird neun Monate in mir heranwachsen, ich werde es mit Schmerzen, aber auch mit Freude zur Welt bringen und über Jahre hinweg ins Leben begleiten. Von dieser Begleitung wird das Wohl dieses neuen Erdenbürgers – bedenken wir: ein einmaliges Geschöpf Gottes mit Ewigkeitswert! – geprägt sein…
Normalerweise hegt ebenfalls unausgesprochen die sich hingebende Frau die berechtigte Erwartung an den Mann, er werde diese Hingabe, diesen Totaleinsatz entsprechend beantworten – und zwar seinerseits durch ein bedingungsloses Ja, durch unverbrüchliche Begleitung des Lebenswegs der Frau, ein Leben lang. Die unbedingte Bindung des Mannes an die Frau ist daher die angemessene Voraussetzung für das Eingehen einer Geschlechtsbeziehung von Seiten des Mannes. Daher heißt es auch in Gen 2,24: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch.“ Die Bindung als Voraussetzung für das Einswerden.
Totale Hingabe und unbedingte Bindung sind also die Botschaften, die im Sexualakt vermittelt werden. Wo man diesen Hintergrund aus den Augen verliert und das Anstreben von Lusterlebnissen zum alles dominierenden Motiv wird, geht nach anfänglicher Freude bald auch die Faszination des Geschehens ver?lo?ren. Der sexuelle Leistungsstress, den man uns heute durch Pornografie, schlüpfrige Meinungsumfragen, Aufklärungsbroschüren und mediales Trommelfeuer heute auf?drängt, entspricht dem Menschen einfach nicht. Wie schal beziehungsloser Sex ist, beschreibt Aldous Huxley treffend in seinem Buch Schöne neue Welt.
Noch einmal: Bei der Keuschheit geht es also um die Wahrhaftigkeit, dass unser Umgang miteinander der Wahrheit unserer Beziehungen entspricht. Und das gilt auch für die sexuellen Beziehungen in der Ehe. Natürliche Empfängnisregelung, also Offenheit für die Fruchtbarkeit der Begegnung erhält im Paar das Bewusstsein der Größe des Geschehens. Genau dieses Bewusstsein bewahrt das Einswerden vor der Abwertung zur routinierten Alltagsverrichtung. Es steht damit im Dienst der wunderbaren Lusterfahrung, die es vermittelt.
Christof Gaspari