Ich bin als achtes von zehn Kindern 1929 auf einem Bauernhof in der Nähe von Bozen geboren. Wie dankbar bin ich Gott und meiner guten Mama, daß ich leben darf! Meine Mutter war eine gute, gläubige Frau. Täglich ging sie vormittags in die Stadt, um das Nötige für die Familie einzukaufen und, wann immer es irgendwie möglich war, ging sie in die Eucharistinerkirche in Bozen zur hl. Messe.
Als ich etwas größer geworden war, vor dem Besuch der Volksschule, nahm mich meine Mama öfters in die Stadt und in die Kirche mit. Ich zweifle nicht daran, daß sie in der Kirche viel für ihre Familie gebetet hat. Rückschauend auf ihr frommes Leben wage ich sogar die Frage, ob sie bei ihrer Kinderfreundlichkeit vor jeder Schwangerschaft nicht Gott nach Seinem Willen gefragt hat. Man kann wohl sagen, meine Mutter hat die einzelnen Kinder zuerst als Geschenk von Gott her empfangen, bevor sie sie in der Ehe angenommen hat.
Öfters hörte ich die Klage, verzeiht, daß ich das auszusprechen wage: „Wir haben keine Mütter mehr.“ Ich denke anders: wir haben zu wenig gläubige Frauen, die, was Kinder und ihre Zahl angeht, nach dem Willen Gottes fragen. Die meisten Leser werden mir vielleicht recht geben, daß sie auch in diesem Bereich, nach dem Willen Gottes fragen sollen.
Wie aber kann man den Willen Gottes erkennen? Sind diesbezüglich nicht die meisten, auch praktizierende Frauen, völlig überfordert? Mag sein. Um so mehr, denke ich, brauchen sie Rat und Hilfe von außen. Ich denke da an Ehevorbereitungskurse, an Brautgespräche, Mütterrunden, Gebetsgruppen, Einkehrtage?
Ich denke nicht zuletzt an die Verkündigung mit dem Wunsch, daß Bischöfe und Priester, Klerus und Laien öfters auf dieses Thema zu sprechen kommen. Ich halte dafür, daß, wer immer seinen Glauben lebt, darf auch in dieser Frage von Gott Zeichen erwarten, die in die richtige Richtung weisen – und wenn es auch nur das eine wäre, bei der Vorstellung an ein oder mehrere Kinder im Herzen eine große Freude zu spüren. Ich höre schon einige Frauen sagen: Allein der Gedanke, Gott in dieser Angelegenheit zu fragen, macht mir Angst. Denn was, wenn Gott mir klar zu erkennen gibt, daß ich nicht nur ein Kind, sondern mehrere Kinder annehmen soll? Ich denke an meine schwache Gesundheit, an die enge Wohnung, den kleinen Verdienst meines Mannes, der es nötig macht, mich um eine Teilzeitbeschäftigung umzuschauen? Was dann?
Ich glaube, daß Gott sehr wohl um die Verhältnisse der einzelnen Frau weiß und niemand überfordert. Er kennt unsere Gedanken und Wünsche. „Herr, du weißt, ob ich sitze oder stehe; von fern kennst Du meine Gedanken“ (Ps. 139). Der Gedanken und Wünsche eingibt, wird sie in seiner Liebe auch berücksichtigen.
Ich höre eine andere Frau sagen: Wir sind eine Ärzteehepaar. Und wenn ich Gott fragen würde: Darf ich kinderlos bleiben? Dürfen wir die Kinderzahl wenigstens einschränken oder muß ich dennoch viele Kinder haben und lange auf die Ausübung meines gelernten Berufes warten? Ich antworte: Bei Gott gibt es keine Schablone, Gott schafft nur Originale. Gott wird jeder Frau persönlich antworten je nach Plan, den Er mit ihr hat. „Vertrau auf Gott, er wird dir helfen!“
Gott ist nicht ein Gott des Todes, sondern des Lebens. Wenn die Menschen nur wieder anfangen, ernstlich nach Seinem Willen zu fragen, würde es bald ein mächtiges Bollwerk gegen die vorherrschende Kultur des Todes geben. Es wird viele glückliche Familien, auch Großfamillen geben. Frauen werden sich nach Kindern sehnen, Kinder allen Nachteilen, die sie vielleicht mitbringen, vorziehen, Kinder gern als Geschenk Gottes annehmen. Licht und Freude wird wie lebendiges Wasser in die Welt strömen, wenn Menschen erkennen, daß es nichts Beglückenderes und das Leben Erfüllenderes auf Erden gibt, als Gottes Willen zu erkennen und zu tun.
P.Paul Mair SJ
Der Autor ist Seelsorger in Wien.